Kokon in der Popakademie

Von Ingo Kottkamp · 20.10.2006
Sanagi ist das japanische Wort für Kokon. Dahinter verbirgt sich ein norwegisch-japanisches Elektropopduo. Die Sängerin Lene Toje aus Norwegen und der der Japaner Robin Sato, der Mann an den elektronischen Geräten, haben sich auf einer Pophochschule kennen gelernt: dem Liverpool Institute for Performing Arts, gegründet von Paul McCartney. Nach drei Jahren Pop-Studium in Liverpool sind die beiden jetzt in Berlin gelandet.
"”Hello, we are Sanagi und you’re listening to Deutschlandradio Kultur.”"

Sie wissen, wie man sich als Popband im Radio darstellt – aber gleichzeitig machen sie sich auch ein bisschen lustig darüber. Zu zweit sitzen sie in ihrem improvisierten Studio, das mit Tüchern vom Rest der kleinen Berliner Altbau-WG abgetrennt ist. Sie, das ist Lene Toje aus Norwegen.

Sie ist 25, zierlich; bei den zwei blonden Zöpfen denkt man sofort an ihren Pippi-Langstrumpf-Song. Mal wirkt sie nach innen gekehrt, dann wieder ganz plötzlich lebhaft.

Er, das ist Robin Sato, Japaner mit englischer Mutter.
Er ist drei Jahre jünger und wirkt ruhiger als sie: ein schlanker Mann mit Bärtchen; sehr auskunftsfreudig und flink an den Reglern seiner Instrumente.

Kennen gelernt haben sie sich im Liverpool Institute for Performing Arts, der Universität für Popmusik, die Paul McCartney an seiner ehemaligen Schule gegründet hat. Liverpool ist die bekannteste Akademie für angehende Popstars; inzwischen sind ihr viele Gründungen in ganz Europa nachgefolgt. Wer aber waren Robin und Lene, bevor sie Teil von Sanagi wurden? Hier ein Schnelldurchgang zweier Leben vor der Begegnung in Liverpool.

"I’m from Droebak which is a small city close to Oslo.”"

""Ich komme aus einer kleinen Küstenstadt bei Oslo."

"”They say it’s where Santa Clause is from, it’s a christmas city.”"

Robins Heimat ist so ziemlich das Gegenteil einer Weihnachtsstadt: die Beton City Osaka, wo es hektischer zugeht als irgendwo in Europa.

"It’s quite extreme compared to any European city I know.”"

Während Lene nach der Schule erst einmal durch Asien reiste und überlegte, ob sie nicht doch lieber Psychologie studieren will, bewarb sich Robin sofort in Liverpool. Und auch musikalisch waren die beiden sehr verschieden.

""I was writing more songs with guitar.”"

"”I was working more with pure soundscapes.”"

"”My father is a doctor and my mother is a nurse.”"

""Mein Vater lehrt Fotographie an der Uni, meine Mutter malt. Und meine Großmutter macht diese coolen Spielzeuge. Moment, ich hol mal eins."

"Sie macht so kleine Sachen, die kein Mensch brauchen kann. Nein, nein, die sind total süß."

Robin und Lene haben Spaß an kleinen, liebevoll ausgearbeiteten Details – nicht nur an der bunten Stoffeule von Robins Oma, auch an wechselnden Sounds, Stimmfarben und überdrehten Collagen. Früher traten sie mit einer Band auf, jetzt spielen sie ihre Konzerte zu zweit: inklusive selbstchoreographierter Tanzeinlage beim Song Dirty. Der gemeinsame Sinn für Albernheit, gepaart mit Melancholie und Perfektionismus hat die Singer-Songwriterin und den Elektroniker in Liverpool zusammengebracht.

"”Als wir uns an der Universität angefreundet hatten, wollte Robin einen Song von mir remixen. Dann hat uns jemand einen Auftritt angeboten. Also haben wir mit anderen Songs weitergemacht.""

In drei Jahren Studienzeit haben Robin und Lene ihren Bachelor absolviert. Aber kann man Pop wirklich an einer Hochschule lernen?

"Im ersten Jahr ist alles sehr verschult: Um halb zehn geht’s los, um drei oder vier ist Schluss. Du hast deine Gitarrenstunden, Gesangsstunden, Hausaufgaben und so. Später geht man mehr und mehr seinen eigenen Weg. Die Schule redet einem dann nicht mehr rein, sie bietet bloß Hilfe an."

Das Spektrum ist bunt an der Popakademie: Von Möchtegern-Starproducern, die am liebsten sofort mit Britney Spears arbeiten wollen, bis zu eher alternativen Projekten wie Sanagi. Robin und Lene sehen die Sache pragmatisch: man macht sein Ding und holt sich dafür die Unterstützung, die man braucht. Das meiste gelernt haben sie nicht von ihren Lehrern und Tutoren, sondern voneinander: während der langwierigen Arbeit an ihrem Album.

"”Ich gebe ihm eine Gesangslinie und habe eine Vorstellung was daraus werden soll. Und Robin macht dann etwas völlig anderes draus.""

"Eine Melodie, an der man sich abarbeiten muss – das war zuerst eine ziemliche Herausforderung für mich."

"”Manchmal ist das schrecklich: was hast du mit meinem Song gemacht? Aber Robin sagt dann immer: okay, fangen wir nochmal an.""

Sanagi bedeutet Kokon auf Japanisch – ein geschützter Raum, in dem Sounds und Geschichten durcheinander gewirbelt werden: von Mondsüchtigen, von einer betrunkenen Pippi Langstrumpf und von Schopenhauers Stachelschweinen, die nach dem richtigen Maß von Nähe und Distanz suchen. Nach drei Jahren Liverpool haben Robin Sato und Lene Toje – die übrigens musikalisch, aber nicht privat ein Paar sind – im Herbst 2005 ihren Kokon in zwei benachbarte Wohnungen in Berlin verlegt. Hier arbeiten sie weiter an ihrem Spiel für ständig wechselnde Stimmen und Sounds.