Körting: "Die NPD ist verfassungswidrig"
Der Innensenator von Berlin, Ehrhart Körting, ist überzeugt, dass ein neuer Verbotsantrag für die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben würde. Er könne sich nicht vorstellen, dass das Gericht sage, die NPD sei inhaltlich mit unserer Verfassung vereinbar, betonte der SPD-Politiker.
Hanns Ostermann: Ist es sinnvoll, einen neuen NPD-Verbotsversuch zu starten? Pro und Contra, die Meinungen gehen derzeit weit auseinander. Das erste Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil V-Leute von Bund und Ländern zum Teil Posten in Führungsgremien der rechtsextremen Partei bekleideten. Aktuell werden die Erfolgschancen für ein Verfahren in Karlsruhe in den Bundesländern von sozialdemokratischen Innenministern offensichtlich optimistischer eingeschätzt als von ihren Amtskollegen der Union. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der Deutschen Presseagentur. Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder Erhart Körting (SPD) sieht nach eigenem Bekunden gute Chancen für ein NPD-Verbot. Man könne mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass ein neues Verfahren Erfolg habe, so der Berliner Innensenator. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen Herr Körting!
Ehrhart Körting: Guten Morgen!
Ostermann: Warum sollte ein neues Verfahren mehr bringen als das letzte? Was macht Sie da so sicher?
Körting: Erst einmal geht es um die Inhalte. Artikel 21 sagt uns, dass eine Partei, die die Grundrechte missachtet und die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bekämpft, verfassungswidrig ist und verboten werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nach vielen Bekundungen, die wir aus der NPD kennen, die aus Wahlprogrammen kommen, vor. Da habe ich keine Zweifel. Es ist für mich sozusagen nicht vorstellbar, dass ein Bundesverfassungsgericht sagt, die NPD ist inhaltlich mit unserer Verfassung vereinbar. Nein, sie ist verfassungswidrig!
Der Grund weshalb 2003 das Verfahren gescheitert ist, liegt auch nicht an den Inhalten, sondern liegt daran, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wenn so viele V-Leute in Führungspositionen der NPD sitzen, dass man nachher nicht weiß, was ist denn nun NPD und was ist eventuell vom Verfassungsschutz gesteuert, dann ist das ein Verfahrenshindernis. Damals waren zum Beispiel der Vorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen und andere V-Leute des Verfassungsschutzes. Ich gehe davon aus, dass diese Formalfehler inzwischen in allen Ländern geheilt sind, denn der Einsatz von V-Leuten in derartigen Funktionen ist mit der Verfassung nicht vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
Ostermann: Herr Körting, Sie gehen davon aus, aber ganz offensichtlich wissen Sie das nicht genau. Oder liege ich da falsch? Wie offen liegen die Karten zwischen den jeweiligen Innenministerien?
Körting: Die werden wir offen legen müssen, wenn wir einen Verbotsantrag stellen. Wie gesagt, ich kann nur für mich sprechen. Ich gehe davon aus, dass die anderen SPD-Innenminister, die sich dazu geäußert haben, auch für sich sprechen. Für mich ist es allerdings auch kaum vorstellbar, dass aus der Entscheidung von Karlsruhe von 2003 andere Innenminister keine Konsequenzen gezogen haben. Deshalb sehe ich mit einiger Zuversicht dem entgegen.
Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht ja noch etwas anderes gesagt. Es hat ja gesagt, spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Verbotsantrag in Aussicht gestellt wird, muss die Lage bereinigt sein. Das heißt, selbst wenn es noch in dem einen oder anderen Land Fehler bei der Besetzung der V-Leute gibt, könnte das noch korrigiert werden.
Ostermann: Das ist die eine Seite der Medaille, und Sie prüfen dies jetzt auf der Ebene der Innenminister. Wenn man auf der anderen Seite hört, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres über 5300 rechte Straftaten gemeldet wurden, aber es nur neun Haftbefehle gab, läuft da nicht auch auf anderen Ebenen einiges schief?
Körting: Man muss, wenn man über NPD-Verbot spricht, ohnehin immer eines klarstellen. Das ist nur eines der Instrumente, die wir haben, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Das viel wichtigere Argument ist sicherlich das Argumentative, ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was in den Köpfen passiert, als nur die Verbotsfrage. Die Verbotsfrage ist nur ein Punkt. Sie werden mit einem Verbot auch nicht erreichen, dass derartige Vorgänge völlig aus der Welt verschwinden, aber sie werden das Klima verändern, das derartige Vorgänge mit ermöglicht. - Die zweite Frage ist: Wie gehe ich gegenüber rechtsextremistischen Straftaten vor, ganz egal ob sie nun von NPD-Anhängern oder von anderen begangen werden.
Ostermann: Und da gibt es doch offensichtlich Defizite?
Körting: Das hängt immer vom Einzelfall ab. Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Die Praxis in Berlin ist durchaus so, dass derartige Täter, wenn sie geschnappt werden, auch mit erheblichen Strafen rechnen müssen. Ich glaube, dass die Justiz und dass die Richterschaft da durchaus sehr energisch ist. Da hat sich höchstwahrscheinlich auch in den letzten Jahren etwas geändert. Das wird nicht mehr als Gentleman-Delikt oder wie auch immer oder als politischer Unsinn oder so deklariert, sondern das wird schon angemessen bestraft. Für einen Haftbefehl liegen bei uns allerdings die Hürden sehr hoch und das gilt für alle Straftaten. Einen Haftbefehl kann ich nicht erlassen, wenn ich jemand habe, der einen festen Wohnsitz hat, bei dem Fluchtgefahr ins Ausland nicht besteht und Ähnliches.
Ostermann: Sie haben die verschiedenen Vorgehensweisen eben skizziert, Herr Körting. Verwendet die Bundesregierung eigentlich genügend Aufmerksamkeit auf das Thema Rechtsextremismus, insbesondere das Bundesfamilienministerium, denn dort werden ja die Mittel für die Aufklärungsarbeit und den Kampf gegen den Rechtsextremismus vergeben und häufig hat man den Eindruck, dass es dort nicht optimal läuft?
Körting: Ich habe aus der Debatte des letzten halben Jahres, das ist ja jetzt eine neue Debatte, die wir führen, aber wir haben ja schon vor einem halben Jahr darüber debattiert, dass man beim Bund die Mittelvergabe für viele Projekte auslaufen lassen wollte. Und es ist ja erst mit einem riesigen Kraftakt gelungen, diese Mittel wieder zur Verfügung zu stellen und um fünf Millionen zu erhöhen. Also was sich die Kollegin von der Leyen jetzt da auf die Fahnen schreibt, das ist ihr sozusagen aufgezwungen worden von der Politik in den letzten Monaten. Wenn man das sieht, hat man nicht den Eindruck, dass sozusagen die argumentative Seite zum Kampf gegen Rechtsextremismus ausreichend gefördert wird. Ich gehe davon aus, wir müssten eher mehr als weniger Mittel einsetzen. Wir müssten eher mehr als weniger Aufklärung machen gegen Rechtsextremismus. Dazu sind alle gefragt, nicht nur der Bund, auch die Länder.
Ostermann: Was das Verbotsverfahren betrifft, Herr Körting, wie sieht denn dort der Zeitplan aus? Kann man davon ausgehen, dass sie in einem halben Jahr wesentlich weiter sind?
Körting: Wir haben jetzt eine Debatte angestoßen bekommen durch Kurt Beck und andere, wobei Klaus Wowereit und ich fordern ein Verbot der NPD schon seit zwei Jahren. Wir haben gesagt, man muss die Voraussetzungen eben schaffen. Das wird nicht innerhalb von wenigen Monaten zu machen sein, sondern sie müssen dann wirklich präzise das Material zusammenstellen, was im Einzelnen in den einzelnen Landesverbänden, im Bundesverband an Material gegen die NPD vorliegt. Das haben einige Länder vielleicht parat. Also ich hätte es in Berlin parat. Andere Länder müssten das zusammensichten und zusammenstellen. Und so ein Verfahren bedarf schon eines gewissen Vorlaufes. Man kann nicht so ein Verfahren wie eine Mietstreitigkeit um nicht gezahlte Miete innerhalb von wenigen Monaten zu Gericht bringen, sondern man muss so ein Verfahren vorbereiten und das dauert ein bis eineinhalb Jahre.
Ostermann: Erhart Körting von der SPD, der Berliner Innensenator. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.
Ehrhart Körting: Guten Morgen!
Ostermann: Warum sollte ein neues Verfahren mehr bringen als das letzte? Was macht Sie da so sicher?
Körting: Erst einmal geht es um die Inhalte. Artikel 21 sagt uns, dass eine Partei, die die Grundrechte missachtet und die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bekämpft, verfassungswidrig ist und verboten werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nach vielen Bekundungen, die wir aus der NPD kennen, die aus Wahlprogrammen kommen, vor. Da habe ich keine Zweifel. Es ist für mich sozusagen nicht vorstellbar, dass ein Bundesverfassungsgericht sagt, die NPD ist inhaltlich mit unserer Verfassung vereinbar. Nein, sie ist verfassungswidrig!
Der Grund weshalb 2003 das Verfahren gescheitert ist, liegt auch nicht an den Inhalten, sondern liegt daran, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wenn so viele V-Leute in Führungspositionen der NPD sitzen, dass man nachher nicht weiß, was ist denn nun NPD und was ist eventuell vom Verfassungsschutz gesteuert, dann ist das ein Verfahrenshindernis. Damals waren zum Beispiel der Vorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen und andere V-Leute des Verfassungsschutzes. Ich gehe davon aus, dass diese Formalfehler inzwischen in allen Ländern geheilt sind, denn der Einsatz von V-Leuten in derartigen Funktionen ist mit der Verfassung nicht vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
Ostermann: Herr Körting, Sie gehen davon aus, aber ganz offensichtlich wissen Sie das nicht genau. Oder liege ich da falsch? Wie offen liegen die Karten zwischen den jeweiligen Innenministerien?
Körting: Die werden wir offen legen müssen, wenn wir einen Verbotsantrag stellen. Wie gesagt, ich kann nur für mich sprechen. Ich gehe davon aus, dass die anderen SPD-Innenminister, die sich dazu geäußert haben, auch für sich sprechen. Für mich ist es allerdings auch kaum vorstellbar, dass aus der Entscheidung von Karlsruhe von 2003 andere Innenminister keine Konsequenzen gezogen haben. Deshalb sehe ich mit einiger Zuversicht dem entgegen.
Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht ja noch etwas anderes gesagt. Es hat ja gesagt, spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Verbotsantrag in Aussicht gestellt wird, muss die Lage bereinigt sein. Das heißt, selbst wenn es noch in dem einen oder anderen Land Fehler bei der Besetzung der V-Leute gibt, könnte das noch korrigiert werden.
Ostermann: Das ist die eine Seite der Medaille, und Sie prüfen dies jetzt auf der Ebene der Innenminister. Wenn man auf der anderen Seite hört, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres über 5300 rechte Straftaten gemeldet wurden, aber es nur neun Haftbefehle gab, läuft da nicht auch auf anderen Ebenen einiges schief?
Körting: Man muss, wenn man über NPD-Verbot spricht, ohnehin immer eines klarstellen. Das ist nur eines der Instrumente, die wir haben, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Das viel wichtigere Argument ist sicherlich das Argumentative, ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was in den Köpfen passiert, als nur die Verbotsfrage. Die Verbotsfrage ist nur ein Punkt. Sie werden mit einem Verbot auch nicht erreichen, dass derartige Vorgänge völlig aus der Welt verschwinden, aber sie werden das Klima verändern, das derartige Vorgänge mit ermöglicht. - Die zweite Frage ist: Wie gehe ich gegenüber rechtsextremistischen Straftaten vor, ganz egal ob sie nun von NPD-Anhängern oder von anderen begangen werden.
Ostermann: Und da gibt es doch offensichtlich Defizite?
Körting: Das hängt immer vom Einzelfall ab. Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Die Praxis in Berlin ist durchaus so, dass derartige Täter, wenn sie geschnappt werden, auch mit erheblichen Strafen rechnen müssen. Ich glaube, dass die Justiz und dass die Richterschaft da durchaus sehr energisch ist. Da hat sich höchstwahrscheinlich auch in den letzten Jahren etwas geändert. Das wird nicht mehr als Gentleman-Delikt oder wie auch immer oder als politischer Unsinn oder so deklariert, sondern das wird schon angemessen bestraft. Für einen Haftbefehl liegen bei uns allerdings die Hürden sehr hoch und das gilt für alle Straftaten. Einen Haftbefehl kann ich nicht erlassen, wenn ich jemand habe, der einen festen Wohnsitz hat, bei dem Fluchtgefahr ins Ausland nicht besteht und Ähnliches.
Ostermann: Sie haben die verschiedenen Vorgehensweisen eben skizziert, Herr Körting. Verwendet die Bundesregierung eigentlich genügend Aufmerksamkeit auf das Thema Rechtsextremismus, insbesondere das Bundesfamilienministerium, denn dort werden ja die Mittel für die Aufklärungsarbeit und den Kampf gegen den Rechtsextremismus vergeben und häufig hat man den Eindruck, dass es dort nicht optimal läuft?
Körting: Ich habe aus der Debatte des letzten halben Jahres, das ist ja jetzt eine neue Debatte, die wir führen, aber wir haben ja schon vor einem halben Jahr darüber debattiert, dass man beim Bund die Mittelvergabe für viele Projekte auslaufen lassen wollte. Und es ist ja erst mit einem riesigen Kraftakt gelungen, diese Mittel wieder zur Verfügung zu stellen und um fünf Millionen zu erhöhen. Also was sich die Kollegin von der Leyen jetzt da auf die Fahnen schreibt, das ist ihr sozusagen aufgezwungen worden von der Politik in den letzten Monaten. Wenn man das sieht, hat man nicht den Eindruck, dass sozusagen die argumentative Seite zum Kampf gegen Rechtsextremismus ausreichend gefördert wird. Ich gehe davon aus, wir müssten eher mehr als weniger Mittel einsetzen. Wir müssten eher mehr als weniger Aufklärung machen gegen Rechtsextremismus. Dazu sind alle gefragt, nicht nur der Bund, auch die Länder.
Ostermann: Was das Verbotsverfahren betrifft, Herr Körting, wie sieht denn dort der Zeitplan aus? Kann man davon ausgehen, dass sie in einem halben Jahr wesentlich weiter sind?
Körting: Wir haben jetzt eine Debatte angestoßen bekommen durch Kurt Beck und andere, wobei Klaus Wowereit und ich fordern ein Verbot der NPD schon seit zwei Jahren. Wir haben gesagt, man muss die Voraussetzungen eben schaffen. Das wird nicht innerhalb von wenigen Monaten zu machen sein, sondern sie müssen dann wirklich präzise das Material zusammenstellen, was im Einzelnen in den einzelnen Landesverbänden, im Bundesverband an Material gegen die NPD vorliegt. Das haben einige Länder vielleicht parat. Also ich hätte es in Berlin parat. Andere Länder müssten das zusammensichten und zusammenstellen. Und so ein Verfahren bedarf schon eines gewissen Vorlaufes. Man kann nicht so ein Verfahren wie eine Mietstreitigkeit um nicht gezahlte Miete innerhalb von wenigen Monaten zu Gericht bringen, sondern man muss so ein Verfahren vorbereiten und das dauert ein bis eineinhalb Jahre.
Ostermann: Erhart Körting von der SPD, der Berliner Innensenator. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.