Körpersprache im Sport

Kopf hoch, Brust raus

23:48 Minuten
Argentiniens Fußballnationalspieler Lionel Messi im WM-Finale gegen Frankreich
Fußballnationalspieler Lionel Messi führte Argentinien auch mit seiner Körpersprache zum WM-Titel. © picture alliance / dpa / Tom Weller
Von Dieter Jandt · 05.02.2023
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Wie wichtig ist eigentlich Körpersprache im Sport? Wie sehr beeindruckt sie den Gegner? Es gibt Sportler, die Dominanz ausstrahlen und allein dadurch einschüchternd wirken. Andere lassen den Kopf hängen – und machen auch damit eine eindeutige Aussage.
Körperlosen Sport gibt es nicht. Selbst wenn wir durch die Regeln gar nicht in die Verlegenheit oder wahlweise in den Genuss kommen, unsere Gegner zu attackieren, um sie an ihrer Bewegung zu hindern, sind wir in der Lage, unseren Körper sprechen zu lassen – ganz ohne Muskelkraft, per Dominanz und Ausstrahlung, durch Mimik, Provokation, durch Gehabe. Zumindest der Versuch ist es wert, denn irgendwer wird sich schon bluffen lassen.

Mit 14 schon ein Hüne

„Ich bin 2,06 Meter mit 14 groß. Wenn ich zum Beispiel in die Halle komme, haben die Gegner schon Respekt. Und das kann man sich dann auch zunutze machen.“

Lukas Klein, als Jugendlicher schon ein Riese. Mit 14 Jahren und 100 Kilogramm Körpergewicht ist er bei den Bayer Giants Leverkusen in der U16 bereits eine kaum zu übersehende Größe. Man schaut zu ihm hoch, und er sieht einfach darüber hinweg.
„Ja, das ist mir auch schon oft passiert. Wenn mich jetzt ein kleinerer Gegenspieler verteidigt, mache ich mich einfach über ihn ein bisschen lustig, schneide Grimassen und tue so, als ob ich nix merken würde, weil er deutlich schwächer und kleiner ist als ich."
Dazu sagt der österreich-israelische Pantomime Samy Molcho in seinem Buch "Körpersprache":

Das erste Drohsignal unter Primaten ist der intensive Blick. Durch den Blickwechsel und die Dauer des Blickes wird die Kraft und Ausdauer des anderen abgeschätzt. Wenn sie überwältigend scheinen, signalisiert der abweichende Blick Unterwerfung. Führt der Blickwechsel zu keinem Ergebnis, so werden weitere Drohsignale ausgetauscht, die dem Gegner imponieren und ihn zum Nachgeben bewegen sollen.

Samy Molcho in seinem Buch "Körpersprache"

Lukas Klein meint dazu: „Vor allem früher, als ich noch einen größeren Körperabstand hatte, zum Beispiel U12, war ich schon immer der Stärkste auf dem Platz. Deswegen habe ich da schon für ordentlich Respekt gesorgt.“

Ausstrahlung, um den Gegner einzuschüchtern

Der Junge hält sich gerade mit seinen Kollegen, den anderen Giants, in einer Halle von Bayer Leverkusen fit. Man schwingt Hanteln, zieht sich zu Klimmzügen hoch, legt ein paar Liegestützen hin, betont locker.
„Es ist halt wichtig, dass man eine hohe Ausstrahlung hat, um den Gegner sozusagen einzuschüchtern, und dann einfach 100 Prozent auf dem Platz ist.“

Handball als körperbetonter Sport

Lukas Blohme, Rechtsaußen beim Traditionsverein VfL Gummersbach. Aktuell nur im Mittelfeld der Handballbundesliga. Der Verein war mal weltweit Spitzenklasse. Da will man wieder hin, da will man sich ranarbeiten – und das geht nicht ohne Kampf.
„Handball ist ein sehr, sehr körperbetonter Sport. Viele sagen immer, Fußballer sind Weicheier im Gegensatz zu Handballern. Ich glaube, dass Fouls da weniger gepfiffen werden und der Sport viel, viel körperbetonter ist als beim Fußball oder beim Basketball auch.“
Lukas Blohme vom VfL Gummersbach (im blauen Trikot) im Spiel gegen den Dessau-Rosslauer HV 06
Lukas Blohme vom VfL Gummersbach (im blauen Trikot) im körperbetonten Spiel gegen den Dessau-Rosslauer HV 06© dpa / picture alliance / Wunderl
Beim Handball wird gekniffen, geschubst, gestoßen und geschlagen, was das Zeug hält. Körpersprache in aller Deutlichkeit und mit Nachdruck.

Auch Fußballern ist die raue Gangart bekannt

Wie sehen das eigentlich unsere angeblichen Weicheier, die Fußballer? Auch die kennen die raue Gangart.
Es gibt Spieler, die können mit dem Ball umgehen und draufgehen. Die können sogar, indem sie ihrem Gegner auf die Füße steigen, damit eine Ansage an die eigene Mannschaft machen.

Effenberg als "Aggressive Leader"

Stefan Effenberg war so einer. Er konnte sein aufgemotztes Ego auf die gesamte Mannschaft übertragen. Als er im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester United ohne Not Beckham in die Beine fuhr, war das lediglich ein Zeichen, den Gegnern, aber auch den Mitspielern des FC Bayern München zu demonstrieren, dass man sich wehren wollte und gefälligst sollte.
Peter Neururer, ehemaliger Bundesligatrainer und selbstbewusster Kommentator:
„Und Stefan Effenberg, wie andere auch in dieser Güteklasse, waren diese 'Aggressive Leader'. Da hat man gleich an der Körpersprache gesehen, was er so vorhat, da hat Körpersprache ein Selbstbewusstsein vermittelt. Aber das beste Beispiel zur Interpretation dieser Körpersprache ist doch Franz Beckenbauer. Er hat grundsätzlich den Kopf hochgehabt, er hat grundsätzlich eine körperliche Arroganz mehr oder weniger vermittelt, ein unglaubliches Selbstbewusstsein vermittelt. Und das wurde natürlich interpretiert als Arroganz. Als Überheblichkeit.“
Franz Beckenbauer (links) und Günter Netzer gestikulieren im Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden im Jahr 1974.
Franz Beckenbauer (links) und Günter Netzer gestikulieren im Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden am 1. Mai 1974 in Hamburg.© picture alliance / Sven Simon / Sven Simon

So dominierende Sportler zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie eben in ihrer Körpersprache, in ihrer Mimik keinerlei Unsicherheit zeigen.

Philip Furley, Psychologe an der Deutschen Sporthochschule in Köln

Auch Imponiergehabe gilt als Kampfstoff. Wie wichtig Spieler mit breiter Brust sind, erkennt man am besten an ihrem Fehlen. Das Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften in Russland und in Katar lag vor allem daran, dass außer begnadeten Fußballern, die bestens mit dem Ball umgehen konnten, niemand da war, der ansagte, wo es langgeht, der Dominanz ausstrahlte, die sich möglichst in die Köpfe der Mitspieler hätte einnisten sollen, und der Gier vermitteln konnte, unbedingt gewinnen zu wollen. Argentinien wollte das im Finale in Katar, Frankreich zumindest in der ersten Halbzeit nicht.

Manche tragen Überlegenheit zur Schau

Manche scheinen ihr Dominanzbedürfnis mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Sie sind präsent, tragen ihre Überlegenheit zur Schau, sie haben das Verhalten der Number One per se verinnerlicht.
Usain Bolt war so einer. Schon am Startblock dominierte er während der Vorstellung der Sprinter. Muhammad Ali war in allen Belangen der Größte, und er wusste das, ein klarer Punktgewinn bereits vor dem Kampf.
Der Sprinter Usain Bolt bei den Olympischen Spielen in Rio 2016
Der Sprinter Usain Bolt zeigt seine Dominanz bei den Olympischen Spielen in Rio 2016.© dpa / picture alliance / Szwarc Henri
Die Frage ist nur, wie man uns und allen Artverwandten beibringt, dass es auch Alphaweibchen gibt: Alexandra Popp zeigte als Kapitänin bei der Fußball-Europameisterschaft 2022, wie man sich trotz vorheriger schwerer Verletzungen durchsetzt, die Mannschaft anführt und Tore schießt. Ihre Trainerin Martina Voss-Tecklenburg war vom Auftritt ihres Teams durchweg überzeugt.
„Diese Bereitschaft, diese Freude, als Team einfach sich untereinander zu helfen und dann dem Gegner wehzutun, das war halt echt stark.“

Wehtun auch im Sport unter Frauen

Wehtun ist wichtig, wehtun hilft, auch im Sport, und auch unter Frauen – selbst beim Volleyball, wo eigentlich ein Netz zwischen den Parteien gespannt ist, bestätigt Spielerin Lea Hildebrand:
„Ich habe diese Saison schon die eine oder andere 'ausgeschaltet', aber ich weiß nicht: Macht man das mit Absicht? Man sagt`s vielleicht zwischendurch, dass man sagt, die oder die mag man drüben nicht, und die kriegt heute jetzt mal einen ab, oder wenn`s dann passt, dann ist vielleicht auch ganz nett.“

Stinkefinger als Mittel

Beim Volleyball kommt man nur schlecht an den Gegner ran. Das Netz stört irgendwie. Also muss es einen anderen Weg geben, der Kontrahentin zu zeigen, was eine Harke ist – zum Beispiel, indem man gezielt auf den Körper spielt.
Auch der Stinkefinger und die geballte Faust unter dem Netz gehören zum Standardrepertoire gestandener Volleyballerinnen, um den Gegnerinnen zu zeigen, wer Chefin auf dem Parkett ist.

Auch Trainer setzen Körpersprache ein

Zurück zum Fußball. Am schlimmsten scheint zu sein, wenn man durchaus vehement seinen Körper einsetzt, aber ständig ausgebremst und ignoriert wird – obwohl man doch hauptverantwortlich ist.
Trainer laufen, da sie wissen, wie wichtig ein überzeugendes Auftreten ist, am Spielfeldrand gestikulierend hin und her, man solle sich gefälligst recken, aufraffen, die Brust breit machen und dagegenhalten – for what?
Es gibt andere coole Coaches, die bleiben einfach sitzen, weil sie wissen, dass sowieso nichts mehr zu ändern ist. Carlo Ancelotti ist so einer oder früher Ernst Happel:

Ernst Happel hat rauchenderweise auf der Bank gesessen, hat sich das Spiel angeguckt. Wir haben dann, Ewald Lienen allen voran, hat einige Szenen mitgeschrieben. Es gibt auch den Neururer der jungen Jahre, der hoch- und runtergelaufen ist und wild gestikulierend – vergleichbar jetzt mit Steffen Baumgart vom 1. FC Köln, natürlich als sehr großer Einpeitscher oder als der große Motivator. Nur, das macht der nicht von der Mannschaft wahrgenommen, sondern das macht der für sich. Damit er was auslebt.

Peter Neururer

Vielleicht machen Trainer das aber auch, damit sie von den Fernsehkameras wahrgenommen werden. Wer weiß? Um nicht den Eindruck zu erwecken, sie würden emotional unterperformen.
„Er arbeitet für sich irgendwas ab, damit er möglicherweise nicht irgendwelche Schädigungen bekommt, rein vom Psychischen her würde ich nicht unbedingt sagen, aber du musst das ausleben, was du da unten auf der Bank erlebst.“
Also doch vom Psychischen her. Bevor sie allzu viel in sich hineinfressen.

Manche Sportler beißen gern

Manche Boxer beißen gern. Das weiß man. Mit Zahnschutz. Spätestens seit den Attacken des Schwergewichtsweltmeisters Mike Tyson, der 1997 Evander Holyfield ein Stück vom Ohr abbiss. Eher ein Verzweiflungsakt, da der Körper nicht mehr mitspielte.
Der Boxer Araik Marutjan:
„Ich denke mir, dass er in dem Moment nicht mehr konnte, konditionell und fertig war. Und da dachte er sich mal, beiße ich dem Gegner einmal kurz ins Ohr, das ist mir persönlich auch mal passiert, wo ich nicht mehr konnte im Ring. Da habe ich mal meinem Gegner hinten am Nacken ein bisschen gebissen.“
Araik Marutjan im Boxkampf gegen Nodar Robakidze in Rostock
Araik Marutjan im Boxkampf gegen Nodar Robakidze in Rostock© Imago / Torsten Helmke
Man beißt sich halt durch, im Sport.
Doch spätestens an dieser Stelle schreiten Ringrichter ein, oder Referees, oder Schiedsrichter, wie immer sie heißen, sie drängen sich dazwischen, auch sie setzen also notfalls ihren Körper ein, aber in der Regel versuchen sie die Regeln über Dominanz durchzusetzen. Mit überzeugender Gestik und mit Mimik, die möglichst keine Zweifel lässt.    
Letztlich versuchen wir uns doch alle als Alphatiere, im Wettbewerb, weil wir siegen müssen, sollen oder wollen. Nicht nur im Sport.

Imponiergehabe, Drohgesten und Kampfsignale

Samy Molcho, der weltbekannte Mimiker, bringt es auf den Punkt:
„Abgesehen von kriminellen Delikten gibt es einen Haufen täglicher Aggressionen, die auf tatsächliche oder vermeintliche territoriale Verletzungen zurückzuführen sind. Und hochgerüstet ist das Arsenal des Imponiergehabes, der Drohgesten und Kampfsignale, mit denen wir unsere Gegner einschüchtern wollen.“
Da hilft nur dagegenhalten – oder schlichtweg ignorieren.

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