Körperschmuck-Ausstellung in Chemnitz

Der Körper als Schmuckobjekt

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Geisha-Schuhe mit ungewöhnlicher Form, in die nur Füße hineinpassten, die an besonderen Stellen gebrochen wurden.
Leiden für die Schönheit: Gin-Lien-Schuhe für Geishas. Bis ins 20. Jahrhundert wurden zukünftigen Geishas bestimmte Fußknochen gebrochen und abgebunden, damit sie in diese Form passten. © smac / Barbara Proschak / Museum Naturalienkabinett Waldenburg
Von Alexander Moritz |
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Wo immer Archäologen menschliche Siedlungen umgraben, finden sie auch Körperschmuck. Dem menschlichen Grundbedürfnis, sich selbst zu einer Zierde zu machen, geht eine Sonderausstellung in Chemnitz auf den Grund.
Schmuck gab es schon immer, lediglich die Form und Herstellungsweise hätten sich verändert, sagt Yvonne Schmuhl, Kuratorin der Ausstellung "Chic! Schmuck. Macht. Leute." im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz - SMAC.
"Alles, was der Mensch mit seinem Körper macht und was über die reine Funktion hinausgeht, das ist Schmuck", sagt Schmuhl. "Das machen Menschen seit Beginn der Menschheit. Und selbst Leute, die sagen, dass sie keinen Schmuck tragen, haben ja eine Art von Frisur."

Fundstücke aus mehreren Jahrtausenden

Die Ausstellung zeigt archäologische Fundstücke aus mehreren Jahrtausenden und verschiedenen Kulturen. Neben Schminkutensilien der preußischen Königin Luise hat auch eine Coronamaske des Designers Harald Glööckler einen Platz in der Ausstellung gefunden – Schmuck ist eben vielfältig.

"Zum Körperschmuck gehören auch Intimhaarfärbemittel. Ich glaube, das bleibt für mich die Kuriosität Nummer eins in dieser Ausstellung".

Kuratorin Karina Iwe

Der eigene Körper als Schmuckobjekt

Auch der Körper selbst ist ein Schmuckobjekt: durch Frisuren auf dem Kopf oder zwischen den Beinen - in der Vergangenheit aber auch mit brutaleren Methoden, davon zeugt der verformte Schädel einer Frau aus dem Frühmittelalter, der über Jahre künstlich in eine turmartige Form gepresst wurde. Auch das war mal chic. Zähne aus der Wikingerkultur zeigen, dass sich einzelne Männer Rillen ins Gebiss schleifen ließen. Wer schön sein wollte, musste leiden.
Ein verformter menschlicher Schädel, der in dieser Form einem frühmittelalterlichen Schönheitsideal entsprach.
Galt für manche Frauen im frühmittelalterlichen Württemberg als chic: Der von früher Kindheit an absichtlich deformierte "Turmschädel".© Smac / Landesmuseum Württemberg / P. Frankenstein / H. Zwietasch
"Wir sehen immer wieder dieses Verlangen, aus unterschiedlichen Gründen den Körper zu schmücken und zu verzieren. Es kann individuelle Gründe haben, es kann ein Erbstück sein, es kann zu einer Vermählung sein oder es ist eine Kennzeichnung, dass ich zu einer ganz bestimmten sozialen Gruppe gehöre", sagt Kuratorin Iwe.
Mancher Schmuck hat auch eine rituelle Bedeutung. Wie die Totenkrone - ein Geflecht aus Draht und grünen Stoffblättern, das einer verstorbenen Frau in die Haare gewickelt wurde. Bis ins 18. Jahrhundert sei das üblich gewesen, bei unverheirateten Toten.
"Da fehlte ein wichtiger Zweck des Lebens, die Ehe. Deswegen hat man den unverheiratet verstorbenen Männern und Frauen tatsächlich eine Krone, die als Hochzeitskrone zu interpretieren ist, mit ins Grab gegeben", erklärt Schmuhl.

Wichtiges Exponat fehlt wegen Sanktionen

Das bedeutendste Exponat der Ausstellung allerdings fehlt: Die über 2200 Jahre alte Mumie eines skythischen Reiters aus dem Altai-Gebirge im südlichen Sibirien. Monatelang haben die beiden Kuratorinnen den Transport nach Deutschland geplant. Doch seit den Sanktionen gegen Russland dürfen russische Museen keine Kulturgüter mehr in den Westen verleihen.
Statt der echten Mumie wird nun eine 3-D-Fotografie des Körpers auf einen Tisch projiziert. Auf der rechten Schulter trägt er ein schwarzes Tattoo, das ein Fabelwesen zeigt. Die Konturen sind so klar und deutlich, als hätte er sich das Kunstwerk gerade in einem Tattoostudio in der Chemnitzer Innenstadt stechen lassen. Das sei phänomenal und der sibirischen Kälte zu verdanken, sagt Iwe.
Eine Mumie mit gut erhaltenen Tätowierungen an den Schultern.
Die Tattos sind unverwüstlich: Mumie eines sibirischen Reiternomaden aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.© smac / Institute of Archaeology and Ethnography / SB RAS / Sergey Borisenko
Tattoos im Museumsshop gibt es zwar nicht. Dafür wird im Foyer in einer eigenen Ausstellung ein weiteres Modeobjekt gezeigt, die Rekonstruktion der ältesten Hose der Welt ausgestellt - 3000 Jahre alt.

"Chic! Schmuck. Macht. Leute."
SMAC - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz
bis 28. August 2022.

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