Körperbilder früher und heute

Projektionsfläche für das Gute und das Schlechte

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Das Foto zeigt den Oberkörper eines durchtrainierten Mannes.
Körper: Was als schön empfunden wird, hängt stark vom kulturellen Kontext ab. © picture alliance / dpa / blickwinkel / McPHOTO / M. Gann
Jürgen Müller im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 13.11.2019
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Der menschliche Körper war schon immer Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte, Ängste und Abwehrmechanismen einer Gesellschaft. In Dresden beschäftigt sich eine Tagung mit der Rolle des Körpers in unterschiedlichen Kulturen.

"Körper-Kränkungen. Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung" - so lautet der Titel der Jahrestagung des Sonderforschungsbereichs "Invektivität" der TU Dresden. Der Kunsthistoriker Jürgen Müller hat die Tagung mitorganisiert. Er selbst hat sich intensiv mit dem Körperbild bei Martin Luther beschäftigt.

Menschen werden wegen ihres Körpers bewundert. Oder aber gedemütigt. Der Körper gilt als Quell von Freude - oder ist schambesetzt. Die Bandbreite, in der Körperbilder gesellschaftliche Verhältnisse spiegeln, ist groß.

Der schöne Leib - die schöne Seele

So sei der Körper in der Antike etwas sehr Positives gewesen, sagt der Kunsthistoriker Jürgen Müller. Vorstellungen von Athletik und dem schönen Körper fänden sich hier am deutlichsten in der Geschichte. Und: "Der schöne Leib, der schöne Körper, hat auch etwas mit den seelischen Eigenschaften der Menschen zu tun."
In der Bibel, so Müller, sei das dann völlig anders. Hier habe der Körper vor allem mit Scham zu tun und werde herabgesetzt. "Im gesamten Neuen Testament wird nicht beschrieben, wie Christus aussieht", sagt er.
Erst Luther sorgt dann neueren Erkenntnissen zufolge in der christlichen Kultur für eine andere Perspektive - und löst das "Dicksein aus dem Laster-Kanon", wie es Müller ausführt: "Um zu zeigen: Bei mir bist Du sicher. Mein Körper ist auch ein Bild dafür, dass Körperlichkeit nichts Schlimmes ist."

"Jede Gesellschaft kartografiert die Lebenswelt"

Zwar sei Luther auch ein "Meister des Schimpfens und des Beileidigens" gewesen und habe polemisch immer wieder auf Körperbilder zurückgegriffen. Zugleich sei er aber auch der Geselligkeit, dem Alkohol und dem Essen zugetan und dabei "positiv gestimmt" gewesen, so der Kunsthistoriker.
"Jede Gesellschaft kartografiert die Lebenswelt", betont Müller: "Und in der Kunst ist es so, dass alle Laster über Körpereigenschaften verbildlicht wurden. Der Geiz ist eine alte Frau mit schlaffen Brüsten, die Völlerei ist ein dicker Mann. Der Körper ist immer eine Art Folie, vor der wir selber unser Gut- und Schlechtsein wahrnehmen können."
Heute bestimmen Plattformen wie Instagram das Körperbild: "Das müssen wir selber wissen, wie wir mit unserem Körper umgehen", sagt Müller: "Ob wir uns da tyrannisieren lassen oder nicht." Die Sache sei allerdings schwierig, besonders für junge Menschen auf der Suche nach Orientierung.
(ahe)
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