Kölsch

Die Sprache verschwindet, nicht das Bier

Thekengast hält sich an einem Glas Kölsch fest
Thekengast hält sich an einem Glas Kölsch fest © dpa / picture alliance / Maximilian Schönherr
Von Irene Geuer |
In Nordrhein-Westfalen wird mehr Kölsch getrunken als gesprochen. Schuld seien die Hochdeutschfetischisten, sagt der Kölner und ist empört, dass junge Kölner unter Kölsch allenfalls das Bier kennen, aber nicht den heimatlichen Zungenschlag.
"Nä, dat is nit schön."
Das stimmt. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele Dialekte. Im Sauerland, im Rheinland, im Ruhrgebiet und am Niederrhein. Und für alle gilt: Sie werden kaum noch gesprochen.
"He es dat entweder ordinär oder unanjenehm, weil die huhgestochene Idiote dat nit künne un nit hüre wulle."
Schuld, so sagt der Kölner, sind die Hochdeutschfetischisten. Schuld also sind Lehrer, Politiker, Moderatoren im Fernsehen und im Radio – all die, denen man sprachlich die Heimat nicht mehr anhört. Der Kölner schämt sich seiner Nachkommen, der Enkel, die unter Kölsch allenfalls noch Bier verstehen, aber nicht mehr Sprache.
"Un da han ich mich jeärgert. Ich sage, wenn de schon he jeboore bis, dann häste Kölsch zu spreche un zu künne."
Aber die Enkel werden auch das wohl kaum verstehen. Darauf lässt ihre Reaktion schließen.
"Blöd am laache, ne."
"Hömma, komma her, Mama mach mir ma n Butta."
Im Ruhrgebiet können Kinder zuweilen noch ihre Mahlzeiten heimatverbunden bestellen. Aber auch das wird immer seltener. Denn, so sagen die aus dem Pott:
"Ich denk mal et hängt mit die Zechen und die Kohle zusammen. Und dann würd ich auch sagen, Kohlenpottdeutsch geht langsam weg."
Was ist der "Vietnameffekt"?
Denn wo gibt's noch Zechen im Ruhrgebiet?
Lehrerin: "De dümmste Biuar hiert de dicksten Tiuffeln." (Schüler sprechen nach)
Im Münsterland, genauer gesagt in der Soester Börde, versuchen es Lehrerinnen mit dem dümmsten Bauern und den dicksten Kartoffeln im Nachmittagsunterricht.
"Dat sin Ringelduiven."
Das sind Ringeltauben – was so viel heißt wie: Das ist ziemlich selten. Deshalb gibt es in Nordrhein-Westfalen Menschen wie Werner Beckmann, die als Sprachwissenschaftler versuchen, den Dialekt fürs Archiv zu sammeln. Er filtert Reste des Platts aus dem Hochdeutschen, Spuren, die zum Beispiel das Sauerländische hinterlassen hat.
"Man nennt das Substrat. Und das macht sich bemerkbar. Man sagt zum Beispiel heute noch in Kopenrode, auch wenn die Leute hochdeutsch reden: Hömma, wat is der am lürren? Was schreit der da rum? Oder wat is dat n hohen Baum. Statt ein hoher (..) ja."
Im Ruhrgebiet heißen Substrate auch Vietnameffekt.
"Kannse mir ma sagen, vietnam Stadion geht?"
Diese letzten Reste des Dialekts beanspruchen die Nordrhein-Westfalen für sich allein. Das heißt, Touristen sollten auf keinen Fall fragen, Vietnam Stadion geht.
"Eine Sprache lernt man hauptsächlich durchs Hören."
Da man Dialekt kaum noch hören kann, ist er schwer zu lernen. Und auch wenn das Platt immer mehr aus Nordrhein-Westfalen verschwinden – nachgeahmt werden, gar von Bayern oder Sachsen, soll es auf gar keinen Fall.
"Nä, dat is nit schön."
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