Ausstellung über Badekultur

Der Blick über den Wannenrand

07:33 Minuten
"Der Tod des Marat" - Ein Gemälde von Jacques-Louis David.
Erstochen im Bade: Der französische Maler Jacques-Louis David verarbeitete die Ermordung des Jean Paul Marat in einem seiner Bilder. © picture alliance / dpa / Active Museu / MAXPPP
Luisa Heese im Gespräch mit Axel Rahmlow · 07.03.2020
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Im Bad sind wir alle gleich – nämlich nackt. Das Badezimmer ist Rückzugsort, aber auch ein Ort, an dem schon unliebsame Politiker ermordet wurden. Eine kulturhistorische Ausstellung in Baden-Baden zeigt: Es steckt mehr dahinter als oberflächliches Geplansche.
Axel Rahmlow: Samstagmorgen, das ist ja im besten Fall einer dieser Tage, wo es etwas gemütlicher losgeht, nicht unbedingt mit einer schnellen Dusche, sondern vielleicht mit einer Badewanne, wenn die Zeit da ist, denn das ist der Luxus "Wanne", aber natürlich auch, wenn die Wanne überhaupt erst mal da ist, denn viele Wohnungen haben nicht mal eine. Wie wir baden, wo wir baden, mit wem wir baden, wie lange wir baden – das sind alles auch soziale Fragen, und zwar eigentlich seit die Menschen angefangen haben, sich zu waschen.
Jetzt gibt es einen künstlerischen wie auch historischen Blick auf diese Fragen, nämlich mit der Ausstellung "Körper. Blicke. Macht. Eine Kulturgeschichte des Bades" in Baden-Baden, und am Telefon ist Luisa Heese, eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Guten Morgen!
Luisa Heese: Guten Morgen!
Rahmlow: Frau Heese, Sie zeigen in der Ausstellung viele Gemälde aus ganz verschiedenen Epochen. Sie zeigen historische Fotos, Sie zeigen Bademäntel, Sie zeigen Waschschüsseln. Sie zeigen aber auch ein Becken, das Sie aufgebaut haben, mit transparenten Plastikbällen, und da kann ich mich reinsetzen mit einer Virtual-Reality-Brille, und dann kann ich in einem interaktiven Raum eintauchen. So habe ich das gelesen. Was ist das für ein Badeerlebnis?
Rrotfigurige Schale, dem athenischer Vasenmaler Onesimos zugeschrieben, aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Drauf ist eine Waschznesze mit einem Mann zu sehen, umringt von einem Mäander Ornament.
So wuschen sich die alten Griechen: Exponat in der Ausstellung "Körper. Blicke. Macht. Eine Kulturgeschichte des des Bades".© picture alliance / dpa / Uli Deck
Heese: Das ist ein Badeerlebnis, das quasi damit umgeht, wie wir die Geschichte des Badens bis heute auch erleben können und wie wir uns auch mit diesem Thema auseinandersetzen können, denn das ist eine Arbeit einer jungen Künstlerin, Bianca Kennedy, die sich mit diesem Badethema auch schon sehr lange in ihrem Werk beschäftigt und immer wieder an diesen Punkt kommt, auch die Erfahrung des Badens aus anderen Perspektiven aufzunehmen und zu behandeln. Das ist auch in dieser Arbeit, die Sie gerade beschrieben haben, ein wichtiger Punkt.

Mehr als oberflächliches Geplansche

Rahmlow: Was sehe ich, wenn ich diese Brille aufsetze?
Heese: Wenn ich mir diese Brille aufsetze, befinde ich mich quasi selbst in der Badewanne, und das mit verschiedenen Personen, je nachdem, in welche Richtung ich schaue, und dort spielen sich kleine Szenen ab, kleine Narrationen. Letztendlich begreift sie diesen Raum auch als etwas, in dem Geschichte stattfindet und in dem verschiedene Schichten unserer Gesellschaften stattfinden.
Deswegen ist das auch eine gute Arbeit, um zu begreifen, um was es uns in dieser Ausstellung auch geht, nämlich darum, das Baden nicht nur als eine oberflächliche Tätigkeit zu betrachten, sondern wirklich als eine Technik, die so alt ist wie die Menschheit selbst, kann man sagen, aber auch durchaus geprägt ist von sozialen Zusammenhängen, von politischen Fragen und von gesellschaftlichen Fragen, die sich immer wieder darin spiegeln, wie wir mit diesem Akt des Badens und dem Ort des Bades umgehen.
Rahmlow: Wenn wir jetzt zum Beispiel auf die politischen Fragen schauen – das ist ja auch ein Themenfeld der Ausstellung –, das politische Badezimmer: In der Ausstellung, im Titel heißt es ja auch, es geht um Macht. Welche politische Macht kann das Bad haben?

Die Macht reicht bis ins Badezimmer

Heese: Das Badezimmer gilt für uns ja als etwas Intimes, als ein abgeschlossener Raum, in dem wir geschützt sind, aber immer wieder passiert es natürlich, dass in diesem Raum auch eingebrochen, eingedrungen wird. Denken wir an den "Tod des Marat" zum Beispiel, an ein sehr bekanntes Werk, das wir glücklicherweise auch in der Ausstellung zeigen können, gemalt von Jacques-Luis David. Letztendich handelte es sich bei Marat um einen Politiker, der im Badezimmer zu Tode kam, weil er umgebracht wurde.
So geht es auch immer wieder um die Macht, die in diesen Raum hineinreicht und nicht nur im Sinne dieser politischen Fragen, sondern letztendlich auch ganz simpel mit der Frage des Blickes. Wer schaut gerade in der Kunst eigentlich auf wen, wer wird dargestellt und wer schaut auf die Dargestellten?
Über die Jahrhunderte ist es natürlich oft die Frau, die als nacktes Objekt in Badeszenen zu finden ist, während der männliche nackte Körper nicht so oft vorkommt, sondern der männliche Blick eher derjenige ist, der auf das Bild gerichtet wird. Das ist auch ein Punkt, mit dem wir uns hier sehr intensiv auseinandergesetzt haben für diese Ausstellung.

Wie geht die Gesellschaft mit Nacktheit um?

Rahmlow: Wie genau? Gerade das Thema Nacktheit ist ja auch heute, wo Geschlechterfragen ganz anders diskutiert werden, oft auch ein heikles Thema.
Heese: Es ist durchaus ein heikles Thema. Umso wichtiger ist es, sich damit auch auseinanderzusetzen. Wir haben eine sehr spannende Arbeit in der Ausstellung von Bernadette Corporation zum Beispiel, die sich letztendlich mit einem sehr aktuellen Thema auseinandersetzt, nämlich mit einem Bild vom Popstar Rihanna, das sie nackt zeigt, das im Netz kursierte, von ihrem Handy geleakt.
Die Künstlergruppe setzt sich aber nicht mit diesem Bild selbst auseinander, sondern mit den Kommentaren, die sie im Netz gefunden haben zu diesem Bild, die teilweise natürlich sehr unmoralisch sind, kann man sagen, oder sehr stark in ihrem Ausdruck. Es geht genau darum, auch zu beobachten, wie unsere Gesellschaften heutzutage mit Nacktheit umgehen, sowohl im tatsächlichen Raum als auch im virtuellen Raum.

"Nacktheit hat wieder eine neue Brisanz gewonnen"

Rahmlow: Das Bad ist dafür ein gutes Symbol? Nacktheit gibt es ja auch an anderen Orten.
Heese: Richtig, aber das Bad ist natürlich ein sehr starkes Symbol genau dafür, denn letztendlich ist das Bad der Ort, an dem wir meistens nackt sind, gerade, wenn es sich um das private Bad handelt. Dann ist es wiederum auch interessant, zu schauen, wenn es das öffentliche Bad ist, also dort, wo wir auf andere Menschen treffen, die nicht zu unserem engsten Umfeld gehören, wie wir dort mit Nacktheit umgehen, ob es getrennte Räume für Männer und Frauen gibt oder ob man sich trifft und gemeinsam ein Bad nimmt.
Auch das ist etwas, was sich über die Jahrhunderte oder Jahrtausende immer wieder geändert hat, und aber auch in diesem Sinne sehr viel über Gesellschaften, Zusammenleben und auch Geschlechterfragen aussagt.
Rahmlow: Was gilt davon heute noch?
Heese: Einiges. Also, letztendlich leben wir heute in einer Zeit, in der Nacktheit wieder eine neue Brisanz gewonnen hat, kann man sagen, und in der noch mal anders darüber diskutiert wird, wie etwas dargestellt werden kann, was wir öffentlich machen, wie wir etwas öffentlich machen und wie wir uns zueinander verhalten. Das ist auch ein wichtiges Thema.

Baden ist immer noch Luxus

Diese Ausstellung, die wir hier vorbereitet haben, ist ja auch nicht nur in der Kunsthalle zu sehen, sondern auch an verschiedenen Orten in der Bäderstadt Baden-Baden, unter anderem zum Beispiel im Friedrichsbad. Dort badet man ohne Textilien, also man trifft nackt aufeinander, und es gibt dort Tage, an denen die Geschlechter gemischt sind, aber auch Tage, an denen die Geschlechter getrennt sind. Das heißt, es ist heute beides möglich, aber es ist alles natürlich eine Aushandlungssache.
Rahmlow: Ist Baden auch heute noch Luxus?
Heese: Baden ist durchaus heute noch Luxus, je nachdem, in welchem Zusammenhang man es tut. Das hat sich ja auch gerade im 20. Jahrhundert sehr stark geändert, also noch gar nicht so lange her, dass in Privatwohnungen auch Badezimmer mit Badewanne oder zumindest Dusche sind. Das ist etwas, was dann doch noch nicht so lange existiert, aber natürlich gibt es auch noch eine ganze Luxusindustrie, die sich mit diesem Aspekt des Badens neuerdings unter diesem Titel Spa auch auseinandersetzt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

"Körper. Blicke. Macht. Eine Kulturgeschichte des Bades" Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
7. März bis 21. Juni 2020

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