Köhler und die Politik
Ich bin der Bundespräsident, hat Horst Köhler jetzt festgestellt, und da hat er sicher Recht. Er werde weiterhin mahnen und warnen, hat er zudem gesagt, und auch dies tut er sicher zu recht. Mag dies dem einen oder anderen Adressaten in der politischen Klasse auch nicht gefallen und deshalb als unverträglich mit diesem hohen Amt kritisiert werden. Nur: wer wollte dem ersten Mann im Staate das freie und offene Wort ernsthaft verbieten? Das ist absurd.
Mehrfach schon hat Köhler die große Koalition gescholten, es mangelte ihr der Mut zu Reformen, sie gehe nicht zielstrebig genug und viel zu langsam zu Werke. Diesmal wirft er Merkel, Müntefering und Compagnons vor, sie betrieben Sandkastenspiele, wie die kleinen Kinder, mit anderen Worten, die den Ernst der Lage und die Herausforderungen des Lebens nicht kennen oder nicht erkennen. Sicher ist das Schauspiel, das die Bundesregierung und die sie tragenden Parteipolitiker etwa im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform oder jüngst rund um den Integrationsgipfel alles andere als vergnügungssteuerpflichtig.
Das geneigte Publikum, der Wähler, möchte in der Tat politische Taten sehen, die dem Land endlich den notwendigen Modernisierungsschub geben, statt mit kleinkariertem Parteiengezänk abgespeist zu werden. Der Wähler ist, dies zeigen die Umfragen zur politischen Stimmung im Lande, immer weniger zufrieden mit der Performance, die von den Protagonisten in der Regierung an den Tag gelegt wird. Insofern trifft der Bundespräsident durchaus Volkes Stimme, wenn er in der Politik die Aufbruchsstimmung vermisst, die jüngst bei der Fußballweltmeisterschaft zu spüren war.
Aber eben an dieser Stelle liegt auch das Missverständnis des Präsidenten. Politik ist kein Ballspiel, bei dem es nur darauf ankommt, das Runde in das Eckige zu schießen. Politik ist die Sysiphos-Mühe, die tausendfach unterschiedlichen Interessen der Menschen in diesem Lande, mithin von uns allen, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, der im Parlament eine Mehrheit findet. Die Parteien bündeln dabei unsere Interessen, so lautet ihr Auftrag, und dass sie dies mit aller Macht tun, die der Wähler ihnen zukommen lässt, ist nichts anderes als ihre staatsrechtliche Pflicht und Schuldigkeit. Sie dafür zu schelten, wie der Bundespräsident dies tut, geht an den Mechanismen und am Leben unserer Demokratie vorbei. Da geht es nun mal nicht per ordre de mufti, da wollen alle Interessen der Gesellschaft und der Parteien sorgsam bedacht sein, und gerade, wenn sie sich so hart im Raume stoßen wie bei der Gesundheitsreform, geht Gründlichkeit allemal vor Geschwindigkeit.
Alle Welt will Reformen. Richtig. Aber so gut wie jeder von uns hat etwas anderes damit im Sinn. Volkes Stimme allein also bietet noch längst keine politische Orientierung. Hier vor allem kommt vielmehr der Bundespräsident ins öffentliche Spiel. Diese Rolle aber füllt Köhler bisher nicht aus. Von Anfang an hat er sich lediglich als Kassandra erwiesen, aber bisher nicht die Richtung gewiesen, in die sich diese Gesellschaft bewegen und wo sie am Ende ankommen soll. Allein Reformen zu fordern, ohne sie mit Inhalt zu füllen, ist nichts als Rhetorik, mit der uns schon die Parteipolitiker bis zum Überdruss überziehen. Dabei gibt es Problemfelder in diesem Lande genug, auf denen der Bundespräsident klar und nachhaltig Stellung beziehen und so auch eigene Statur gewinnen könnte. In den Fragen der Migration und Integration beispielsweise hätte er Zeichen setzen können, die die Politiker weit früher schon auf Trab gebracht hätten. Und warum will er sich erst in diesem Herbst mit unseren Schulen und Universitäten beschäftigen, deren Zustand seit langem beklagenswert ist?
Nein, Horst Köhler hat zur Mitte seiner Amtszeit seine ureigenste Rolle noch nicht gefunden. Bis jetzt steht er da Mahner und Warner, der nichts bewegt, als Prediger in der Wüste, an dem die Karawane achtlos vorüberzieht.
Das geneigte Publikum, der Wähler, möchte in der Tat politische Taten sehen, die dem Land endlich den notwendigen Modernisierungsschub geben, statt mit kleinkariertem Parteiengezänk abgespeist zu werden. Der Wähler ist, dies zeigen die Umfragen zur politischen Stimmung im Lande, immer weniger zufrieden mit der Performance, die von den Protagonisten in der Regierung an den Tag gelegt wird. Insofern trifft der Bundespräsident durchaus Volkes Stimme, wenn er in der Politik die Aufbruchsstimmung vermisst, die jüngst bei der Fußballweltmeisterschaft zu spüren war.
Aber eben an dieser Stelle liegt auch das Missverständnis des Präsidenten. Politik ist kein Ballspiel, bei dem es nur darauf ankommt, das Runde in das Eckige zu schießen. Politik ist die Sysiphos-Mühe, die tausendfach unterschiedlichen Interessen der Menschen in diesem Lande, mithin von uns allen, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, der im Parlament eine Mehrheit findet. Die Parteien bündeln dabei unsere Interessen, so lautet ihr Auftrag, und dass sie dies mit aller Macht tun, die der Wähler ihnen zukommen lässt, ist nichts anderes als ihre staatsrechtliche Pflicht und Schuldigkeit. Sie dafür zu schelten, wie der Bundespräsident dies tut, geht an den Mechanismen und am Leben unserer Demokratie vorbei. Da geht es nun mal nicht per ordre de mufti, da wollen alle Interessen der Gesellschaft und der Parteien sorgsam bedacht sein, und gerade, wenn sie sich so hart im Raume stoßen wie bei der Gesundheitsreform, geht Gründlichkeit allemal vor Geschwindigkeit.
Alle Welt will Reformen. Richtig. Aber so gut wie jeder von uns hat etwas anderes damit im Sinn. Volkes Stimme allein also bietet noch längst keine politische Orientierung. Hier vor allem kommt vielmehr der Bundespräsident ins öffentliche Spiel. Diese Rolle aber füllt Köhler bisher nicht aus. Von Anfang an hat er sich lediglich als Kassandra erwiesen, aber bisher nicht die Richtung gewiesen, in die sich diese Gesellschaft bewegen und wo sie am Ende ankommen soll. Allein Reformen zu fordern, ohne sie mit Inhalt zu füllen, ist nichts als Rhetorik, mit der uns schon die Parteipolitiker bis zum Überdruss überziehen. Dabei gibt es Problemfelder in diesem Lande genug, auf denen der Bundespräsident klar und nachhaltig Stellung beziehen und so auch eigene Statur gewinnen könnte. In den Fragen der Migration und Integration beispielsweise hätte er Zeichen setzen können, die die Politiker weit früher schon auf Trab gebracht hätten. Und warum will er sich erst in diesem Herbst mit unseren Schulen und Universitäten beschäftigen, deren Zustand seit langem beklagenswert ist?
Nein, Horst Köhler hat zur Mitte seiner Amtszeit seine ureigenste Rolle noch nicht gefunden. Bis jetzt steht er da Mahner und Warner, der nichts bewegt, als Prediger in der Wüste, an dem die Karawane achtlos vorüberzieht.