Kochen mit alten Gemüsesorten

Von Katharina Eulenburg |
Der Garten Steinhöfel liegt etwa 80 km östlich von Berlin. Man findet auf dem drei Hektar großen Areal nicht nur uralte Obstbäume, sondern auch schon fast vergessene Gemüsesorten. Ein Verein namens "LandKunstLeben" baut sie auf dem Gelände an. Der Vorsitzende des Vereins ist Arne Ihm, der schon vor vielen Jahren seine Liebe für "altes Gemüse" entdeckt hat.
"Das kam über Kartoffeln, ich esse ganz gern Kartoffeln und die üblichen Supermarktkartoffeln sind manchmal ein bisschen langweilig. Und dann hab ich angefangen Kartoffeln zu sammeln, blaue, rote, rosane, schwarzschalige, und das erweiterte sich dann auf andere Gemüse."

Mit der Liebe begann die Arbeit. Denn über viele der alten Gemüsesorten weiß man heute nicht mehr viel.

"Was sind sie, wie verwendet man sie überhaupt. Es gibt ja Sachen, von denen hat man gehört. Portolack, da weiß man dann nicht genau, ist das ein Salat, ist das ein Gemüse. Da muss man dann zu jeder Pflanze ein bisschen Arbeit reinstecken."

Um mehr über seine Schützlinge herauszufinden, recherchiert Arne Ihm auf vielen Wegen.

"Ja Internet, und dann natürlich auch so ein bisschen... wir haben dieses Thema hier, die Leute sprechen mit einem darüber und dadurch erfährt man auch ganz viel. Also, dass man zum Beispiel Weinraute..., das hatte ich jetzt als Gewürz mal gepflanzt, wusste aber nicht, was man damit machen kann. Dann hab ich hier aus dem Dorf erfahren, ja das macht man an Quarkspeisen."

Eine alte rote Backsteinmauer grenzt den Garten schützend von der Strasse ab. Noch ist wenig zu sehen. Die meisten Felder liegen brach, schon aufgepflügt - vorbereitet für den Frühling. Hier und da stehen noch Mangold oder Stiefmütterchen, wie vergessen. Die schwarze Erde glänzt in der Sonne. Arne Ihm steht in einem der Gewächshäuser und zeigt stolz auf die jungen Keimlinge.

"Also hier haben wir 25 verschiedene Tomatensorten - ziehen wir hier vor - die wir über Fern e.V. aus Greifenberg bezogen haben. Da sind verschiedene Sorten drin, weiße, schwarze, gefurchte, längliche, Birnenförmige, behaarte."

Und alle schmecken nach Tomaten?

"Ja, aber auch sehr unterschiedlich. Manche nimmt man zum Trocknen, dann gibt es die mehligen Fleischtomaten, daraus macht man Soße, jede Tomate hat ihre eigene Verwendung. Quedlingburger früheste Liebe, das sind doch wunderschöne Namen, ever green, gardeners delight, goldene Königin, Blondköpfchen, das ist doch anders als, ja Tomate."

25 Tomatensorten, Riesenspinatbaum, weißer, roter und grüner Mangold, weiße Möhren, brauner Kohl und Palmkohl. Und was macht man damit? Gerry Kunz ist gelernter Produktdesigner aber auch leidenschaftlicher Koch und Kochlehrer.

In Steinhöfel bietet Gerry Kunz Kochkurse an, bei denen man lernen kann, solche Gemüsesorten zuzubereiten, die längst aus den Regalen unserer Supermärkte verschwunden sind. Eine Herausforderung für ihn liegt dabei vor allem in der Beschaffung der alten Rezepte. Denn oft ist mit dem Wissen um die alten Sorten auch das Wissen um ihre Verwendung verloren gegangen.

"Das ist halt wirklich eine Suche, eine Jagd wie ein Trüffelschwein, also da kriegt man immer wieder bei Bekannten was, die das natürlich wissen, dass man so was sucht, auf dem Trödel, auf irgendwelchen verstaubten Dachestrichen. Vieles ist auch mündlich übertragen. Also ich hab hier in der Gegend mich auch öfter mit älteren Menschen unterhalten, wie sie noch kochen, was sie mögen, woran sie sich erinnern können, weil da kriegt man dann auch einen Schatz mit, der diese regionalen Produkte eben auch berücksichtigt."

Gerry Kuhn kocht hauptsächlich Rezepte aus der Zeit seiner Großeltern nach. Er schaut aber auch immer wieder gern, was noch viel früher in den Küchen der Klöster zubereitet wurde. Denn hier gab es die reichhaltigsten Gärten.

"Die Raffinesse und die Experimentierfreude war oft in Europa in den Klöstern zu finden und da halt auch eine große Diversität - und für unsere Verhältnisse auch sehr ungewöhnlich schmeckende Kombinationen: zum Beispiel Petersilienwurzel, karamellisiert mit Chili und Walnüssen angereichert, in den Ofen geschoben, überbacken zwanzig Minuten. Ist eine ganz fantastische Vorspeise, die eben so ein Jahrhunderte altes Klosterrezept als Basis hatte."

Wem bei diesem Rezept der Mund wässrig geworden ist, der kann sich im Sommer, zur Erntezeit, für einen der Kochkurse anmelden, die Gerry Kunz unter dem Motto "Kochende Gärten" anbietet. Oder man macht sich selbst auf die Suche auf Flohmärkten und Dachböden nach den fast vergessenen Rezepten zu den fast vergessenen Gemüsesorten.