Kobold im Koffer
20.10.2011
Viele exotische Orte werden in Friedrich Kröhnkes Roman "Nach Asmara!" angesteuert. Traurig-schön erzählt der Autor die Geschichte des reisebesessenen Frick und seiner koboldartigen Begleiterin Agnes.
Nicht allein nach Asmara, in die Hauptstadt Eritreas geht es in diesem ungewöhnlichen Roman, sondern auch nach Indien, Bali, Laos, nach Kuba, Quito und Casablanca, an die Ufer des Orinoko und zu den Gauchos in die Pampa. Und das alles auf gerade einmal 150 Seiten.
Wie das zu schaffen ist? Dazu braucht es einen wie Frick, einen reiseverrückten Endvierziger, der erkannt hat, dass es günstiger ist, in der Welt herumfliegen, als in Deutschland zu Hause zu bleiben. Dazu braucht es nichts als einen alten Handkoffer und ein Maskottchen, einen Glücksbringer, einen Kobold aus Stoff.
Agnes heißt dieses Wesen, das den Held von "Nach Asmara!" bis ins Innerste Afrikas begleitet, und darüber hinaus: Auch im Reinbecker Krankenhaus wacht sie neben seinem Bett, nachdem er bei einer Operation fast gestorben wäre. Und im Krankenhaus lernen sie beide auch einen gewissen Herrn Burmeister kennen, einen freundlichen Herrn, der ein so ganz anderes, beschaulicheres Leben führt als Frick, einen von jenen, für die Leben gleichbedeutend ist mit Wohnen.
Ihm nun erzählt, nein, nicht Frick, Agnes ist es, die Herrn Burmeister vom Unterwegssein erzählt, von einem Leben in Flugzeugen und Hotels, vom Leben als Reisen. Nichts hat dieses Reisen mit Tourismus zu tun; kaum, dass Agnes und Frick irgendwelche Sehenswürdigkeiten besichtigen. Meist sind sie nach ein paar Tagen schon wieder weg. Reisen ist der Aggregatzustand, in dem sie existieren; dabei sind sie nicht unglücklicher oder einsamer als es die übliche Wohnzimmerexistenz ist.
Und doch liegt über Friedrich Kröhnkes Roman eine gewisse traurig-schöne Melancholie. Gefühle werden in "Nach Asmara!", wie die vielen exotischen Orte, gleichwohl nur kurz angestupst. Der 1956 geborene Autor hat, fast unbeachtet vom Literaturbetrieb, in den letzten 25 Jahren ein ganz eigenes Idiom ausgebildet, eine mit wenigen Strichen auskommende höchst ökonomische Erzählweise, ein Gespür für sprachliche Intensität und erzählerische Dramaturgie, wie es ganz selten ist.
Und so reist man mit seinen Helden, mit Frick und Agnes, der koboldhaften Erzählerin, die aus imaginären Fingerhüten hin und wieder imaginäre Likörchen zu sich nimmt, durch die Welt – und schließlich auch nach Asmara. Eritreas Hauptstadt leuchtet wie eine Verheißung in der Ferne, ein Ort, den kaum einer kennt, den fast niemand besucht, der sich schwer erreichen lässt und in einem Land liegt, in dem Journalisten eine noch kürzere Lebenserwartung haben als im Irak.
Aber es ist auch eine von den Italienern errichtete Modellstadt, ein architektonisches Versuchslabor der 30er-Jahre, ein in Stein gesetztes Experiment der Moderne. Fotografieren ist hier freilich verboten, und so macht sich Frick sein eigenes Bild von dieser Mischung aus Kubismus, Art déco und Bauhaus. Wer gehofft hat, diese Mischung aus Kunst und heißer Wüstenwirklichkeit würde nun zu einer Apotheose führen und dem Roman ein effektvolles Ende bereiten, der wird enttäuscht. Denn Frick bleibt sich treu. Unermüdlich reist er weiter.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Friedrich Kröhnke: Nach Asmara
Verlag Jung und Jung, Wien 2011
150 Seiten, 18 Euro
Linktipp:
Unstillbarer Lesehunger - Friedrich Kröhnke: "Geheimnisbuch". Ammann Verlag, (Büchermarkt, DLF)
Wie das zu schaffen ist? Dazu braucht es einen wie Frick, einen reiseverrückten Endvierziger, der erkannt hat, dass es günstiger ist, in der Welt herumfliegen, als in Deutschland zu Hause zu bleiben. Dazu braucht es nichts als einen alten Handkoffer und ein Maskottchen, einen Glücksbringer, einen Kobold aus Stoff.
Agnes heißt dieses Wesen, das den Held von "Nach Asmara!" bis ins Innerste Afrikas begleitet, und darüber hinaus: Auch im Reinbecker Krankenhaus wacht sie neben seinem Bett, nachdem er bei einer Operation fast gestorben wäre. Und im Krankenhaus lernen sie beide auch einen gewissen Herrn Burmeister kennen, einen freundlichen Herrn, der ein so ganz anderes, beschaulicheres Leben führt als Frick, einen von jenen, für die Leben gleichbedeutend ist mit Wohnen.
Ihm nun erzählt, nein, nicht Frick, Agnes ist es, die Herrn Burmeister vom Unterwegssein erzählt, von einem Leben in Flugzeugen und Hotels, vom Leben als Reisen. Nichts hat dieses Reisen mit Tourismus zu tun; kaum, dass Agnes und Frick irgendwelche Sehenswürdigkeiten besichtigen. Meist sind sie nach ein paar Tagen schon wieder weg. Reisen ist der Aggregatzustand, in dem sie existieren; dabei sind sie nicht unglücklicher oder einsamer als es die übliche Wohnzimmerexistenz ist.
Und doch liegt über Friedrich Kröhnkes Roman eine gewisse traurig-schöne Melancholie. Gefühle werden in "Nach Asmara!", wie die vielen exotischen Orte, gleichwohl nur kurz angestupst. Der 1956 geborene Autor hat, fast unbeachtet vom Literaturbetrieb, in den letzten 25 Jahren ein ganz eigenes Idiom ausgebildet, eine mit wenigen Strichen auskommende höchst ökonomische Erzählweise, ein Gespür für sprachliche Intensität und erzählerische Dramaturgie, wie es ganz selten ist.
Und so reist man mit seinen Helden, mit Frick und Agnes, der koboldhaften Erzählerin, die aus imaginären Fingerhüten hin und wieder imaginäre Likörchen zu sich nimmt, durch die Welt – und schließlich auch nach Asmara. Eritreas Hauptstadt leuchtet wie eine Verheißung in der Ferne, ein Ort, den kaum einer kennt, den fast niemand besucht, der sich schwer erreichen lässt und in einem Land liegt, in dem Journalisten eine noch kürzere Lebenserwartung haben als im Irak.
Aber es ist auch eine von den Italienern errichtete Modellstadt, ein architektonisches Versuchslabor der 30er-Jahre, ein in Stein gesetztes Experiment der Moderne. Fotografieren ist hier freilich verboten, und so macht sich Frick sein eigenes Bild von dieser Mischung aus Kubismus, Art déco und Bauhaus. Wer gehofft hat, diese Mischung aus Kunst und heißer Wüstenwirklichkeit würde nun zu einer Apotheose führen und dem Roman ein effektvolles Ende bereiten, der wird enttäuscht. Denn Frick bleibt sich treu. Unermüdlich reist er weiter.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Friedrich Kröhnke: Nach Asmara
Verlag Jung und Jung, Wien 2011
150 Seiten, 18 Euro
Linktipp:
Unstillbarer Lesehunger - Friedrich Kröhnke: "Geheimnisbuch". Ammann Verlag, (Büchermarkt, DLF)