Knutophilie

Von Laf Überland |
Der kleine Eisbär Knut aus dem Berliner Zoo versetzt die Besucher, die Medien und die Stofftierbranche in hysterische Zustände. Anders als beim Braunbären Bruno macht das Knutchen-Schema offenbar alle kirre.
In Umweltfragen nennt man das Nachhaltigkeit: Wobei das Thema Knut-is-juut schon von der Kreatur her nur so nachhaltig sein kann, wie die Niedlichkeit dauert. Denn Niedlichkeit ist ja die Unique-Selling-Proposition, das Alleinstellungsmerkmal des kleinen Eisbären aus Berlin. Niedlichkeit: ein Kriterium, das richtig Erwachsenen meist fremd geworden ist und das Kinder in Ermangelung von echter Naturerfahrung meist von Niedlichkeitsdesignern exakt aufs kindliche Gemüt produziert kriegen. Und hier aber hat die Natur selbst so Niedlichum geschaffen, gewissermaßen: zwar im Zoo, aber doch auf natürliche Weise! Denn es ist ja auch in freier Wildbahn nur natürlich, dass eine Bärenmutter dann und wann die kleinen Teddies verstößt.

Dass CNN ein Team zu Knuts erstem Ausgang schickte, das verwundert nicht wirklich, seit Präsident Bush die überraschende Nachricht der Klimaerwärmung sofort mit dem Versprechen quittierte, die Eisbären in Alaska schützen zu wollen! - Wenn Eisbären erstmal sterben... Vielleicht haben wir alle diese Furcht jetzt aufgesogen: der Umgang mit dem Medialen ist ja nicht immer bewusst!

Als Braunbär Bruno die Medien vereinnahmte (beziehungsweise umgekehrt!), da war schlagartig die Vogelgrippe aus den Schlagzeilen - als hätte Bruno uns von der Bedrohung befreit. Der Braunbär war jedoch eindeutig negativ konnotiert. Bei Bruno ging es um die wilde Kreatur, um die Gefahr, das Totschießen und innereuropäische Grenzkonflikte, und bald schon: als der knuddelige Bruno anfing, mit blutigen Schafkadavern seinen Weg zu pflastern, da wurde er ganz, ganz schnell entniedlicht!

Knut nun tappst genau durch die Zeit der ängstigenden Klimaberichte: Und ist es nicht beruhigend, wenn trotz der grausigen Vorhersagen die Natur uns derart supersüße Identifikationsfiguren schenkt aus jenem Reich der Biologie, das wir angeblich zerstören... Ach. Ach!

Es gehört zu den Regeln des Kapitalismus, dass er sich solche Leckerlies nicht entgehen lässt. Crosspromotion nennt sich der Trick hinter dieser Hysterie, und am besten funktioniert der, wenn die verschiedenen Branchen sich gegenseitig hochschaukeln. Die Nachrichtensender N24 und n-tv berichten live von der ersten Präsentation im Zoo! Umweltminister Gabriel übernimmt spontan eine Patenschaft und schlägt Knut als Maskottchen für die internationale Artenschutzkonferenz 2008 in Bonn vor, was ebenfalls spontan Zeitungen von Irland bis Indien und Texas bis Südafrika berichteten und in China, Japan und Usbekistan!

Die "Kultur" kontert mit Schunkelhits, Poster, Klingeltönen, und bei Amazon gibt’s den Tret-Abfalleimer "Knut", aus Edelstahl, fünf Liter.

Die wie üblich tief schürfende Boulevardzeitung B.Z. lässt daraufhin den Historiker Arnulf Baring samt Frau den Scoop analysieren: "Der kleine Knut nimmt uns die Angst vor öffentlichen Gefühlen. Wir schauen nicht mehr neidisch auf andere, die wir für glücklich halten. Wir dürfen es selbst sein."

Daraufhin wünscht der Berliner Zoo gemeinsam mit einer der nicht gerade billigen Schokoladenfirmen "Frohe Ostern". Ansonsten ist die Ernährungsindustrie nicht ganz so schnell nachgekommen - außer der Firma, die sonst Goldbären an das Alphatier der Gummibärchenbranche Gottschalk verfüttert: Die bringt Knuddel-Knut’sch auf den Markt (mit Apostroph) - aus weißem Schaum. Nur Bärenschinken und -salami sind ja leider eher verpöhnt! Da sollen sich Trichinen geradezu drin tummeln!

Es ist das Knutchen-Schema, das uns eindeutig kirre macht: Da sind die Knopfaugen - das unschuldig-weiße Fell, zumal wenn man so böse Wörter wie "Giftspritze", "neurotisch" und "Vermenschlichung" lesen musste. Das lässt ihn einem ja noch mehr ans Herz wachsen! Zoo-Besucher kommen deshalb jetzt mit Sonderbussen, um den Bären zu sehen. Ebay wirbt mit Knut für Versteigerungen von Kurzreisen nach Berlin...

Man weiß ja nicht, ob Knut demnächst durch die Eisdielen tingelt als Werbeträger für den Klimaschutz, ganz locker-zeitgeistmäßig: Einen Knopf im Ohr hat er jedenfalls bereits. Aber - Tierschützer, jetzt aufgepasst! Das ist nur der der Firma Steiff. Knut einen MP3-Hörer in die Lauscher zu stecken, um ihn womöglich mit den Knut-Songs zu quälen, das würde wohl doch niemandem einfallen...