Kneipensport

Titelträume am Tresen

23:16 Minuten
Fußballfans verfolgen in der Kneipe "Stadion an der Schleißheimer Straße" in München ein Champions-League-Spiel des FC Bayern.
Fans des FC Bayern bei einem Champions-League-Spiel in einer Bar in München. Doch nicht nur als Zuschauer zieht es Sportbegeisterte in die Kneipen. © dpa / picture alliance / Tobias Hase
Von Stefan Osterhaus · 12.03.2023
Audio herunterladen
Darts, Kickertisch, Flipperautomat: In etlichen deutschen Kneipen wird Sport getrieben – und das auf recht hohem Niveau. Was macht den Reiz aus, umgeben von Kneipenlärm, Alkoholdunst und Zigarettenrauch den sportlichen Wettkampf zu suchen?
Eine Kneipe nahe einer Straßenecke in Deutschland. Diese Kneipe befindet in Berlin, aber sie könnte auch in jeder anderen deutschen Stadt sein.
An diesem Mittwochabend ist sie gut gefüllt, die Leute drängeln sich um den Tresen. Der Fernseher läuft, es wird Fußball gezeigt, die Champions League.

Sie spielen 501 beim Darts

Am unteren Ende des großen Kneipenraumes stehen zwei Dartautomaten. An einem treten zwei Spieler gegeneinander an. Sie spielen 501, den Klassiker, der auch bei den großen Turnieren der Profis gespielt wird. Beim 501 geht es darum, die geworfenen Punkte von der Zahl 501 abzuziehen und schneller auf Null zu kommen als der Gegenspieler.

Der Wirt der Kneipe, Locke genannt wegen seiner markanten Glatze, ist ein versierter Spieler. Ebenso wie sein Gegner Olaf. Beide kennen sich schon sehr lange und sehr gut.

Locke berichtet davon, wie alles begann:
"Angefangen hat alles mit dem Kneipentriathlon: Billard, Kicker, Dart. Einige von uns haben dann gedacht: Dart ist weniger anstrengend, macht mehr Laune, man kann entspannt ein Bier dazu trinken. Und so hat es in der C-Liga angefangen. Wir sind nach und nach immer aufgestiegen, waren in der höchsten Liga Berlins, Berlin-Brandenburg. Dann war auf einmal der Erfolgsgedanke vorne: Zweimal die Woche Training, dreimal die Woche Training. Wurde immer mehr. Dann war das 13 Jahre unser Hauptaugenmerk. Wir haben dann alles dem unterstellt."
Elektronische Dartsscheibe
Das Repertoire der Dartprofis unterscheidet sich nicht von Spielern in Kneipen. © dpa / picture alliance / Westend61 / Zeljko Dangubic

Das Niveau in der Kneipe ist hoch

Das Niveau ist enorm hoch – obschon es immer noch von dem der Profis entfernt ist. Wirt Locke erklärt, wie gut die Dartenthusiasten in seinem Lokal mitunter sind.
Dazu muss man wissen: Schon bei weit über 100 Punkten kann ein Spieler die Runde beenden, wenn alle drei Würfe genau ins Ziel gehen.
„Wir spielen alle auf dem Niveau, das du so bei 170, 220 anfängst zu rechnen. Und die Anfänger, die spielen halt einfach nur werfen, runterwerfen: 'Ach ja, jetzt brauche ich die 17.' Wir spielen schon bei 170, 220. Fangen wir an zu rechnen, wie du stehen würdest, wenn du das triffst.“

Viel Preisgeld bei Dartsturnieren

Mittlerweile ist Dart eine große Nummer. Oder Darts. Beide Varianten sind richtig. Weltmeisterschaften werden im Fernsehen übertragen, die Spieler genießen bisweilen Kultstatus. Und es fließt viel Geld. Hunderttausende von Euro an Preisgeldern werden bei den großen Turnieren ausgelobt.

Bei der letzten Weltmeisterschaft vergangenen Dezember kam ein Deutscher bis ins Halbfinale: Gabriel Clemens aus dem Saarland. Er wird der „German Giant“ genannt.
Gabriel Clemens bei den Cazoo World Darts Championships in London
Gabriel Clemens ist einer der prominenten deutschen Dartsspieler.© dpa / picture alliance / Shaun Brooks
Clemens' Abschneiden war eine Sensation. Und es verschaffte Darts in den Medien noch mehr Aufmerksamkeit.

Darts hat eine lange Geschichte

Eine Weile hat es gedauert, bis Darts den Weg ins Rampenlicht gefunden hat – denn Darts hat eine lange Geschichte. Sie beginnt beim Militär.

Die Franzosen verwendeten kurze Wurfpfeile auf dem Schlachtfeld als Waffe. Ebenso kannte man diese Pfeile in England. Die Wurzeln reichen noch weiter zurück – bis ins römische Reich.
Die Darts, so wie wir sie heute kennen, entstanden im 19. Jahrhundert. Nicht in England, wie man vermuten könnte, sondern in Amerika. Turniere gab es erstmals um den Jahrhundertwechsel herum in England.

Sie spielen nach den Regeln der Profis

Darts kennt klare Regeln. Jeder versteht sie auf Anhieb. 501 Double-out: So nennt sich die Variante, die gespielt wird, und die ist gar nicht so einfach. Denn beim letzten Wurf muss der äußere Ring, der die Zahlenfelder der Dartscheibe umschließt, getroffen werden. Bleiben beispielsweise noch 20 Punkte übrig, muss eine Doppel-Zehn geworfen werden.
Mit Elan gehen nicht nur für die Dartspieler in deutschen Kneipen zu Sache. Auch Kicker- und Flipperspieler treffen sich in Kneipen und treten gegeneinander an.

Kneipensport und Wettkampfgedanken

Dabei sind Kneipe und Sport auf den ersten Blick doch eigentlich zwei Dinge, die sich gar nicht miteinander vertragen. Alkohol und Zigaretten, laute Musik und Stimmengewirr: Dinge, die die Konzentration erschweren.
Wie geht das mit dem Wettkampfgedanken zusammen?

Andreas Bernard ist Kulturwissenschaftler. Er forscht und lehrt an der Universität Lüneburg. Als Autor beschäftigt er sich gerne mit Phänomenen des Alltags.
Gegenwärtig arbeitet er an einen Buch über ein anderes legendäres Artefakt des Kneipensports: den Flipper.

Spielen und Kneipe als Allianz

Sport und Kneipe – das ist für ihn kein Gegensatz. Sondern eher das Ergebnis einer langen Geschichte:

Ich kann mir vorstellen, ohne dass ich jetzt ein Historiker der Kneipe bin, dass Spielen und Kneipe schon sehr, sehr lange eine Allianz gebildet hat - im Sinne des Kartenspiels. Ich kann mir vorstellen, dass das Wirtshaus auch im 17., 18., 19. Jahrhundert ein Ort des Spiels war - nämlich des Kartenspiels, vielleicht des Würfelspiels. Und dann kommen eben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diese Automaten, also zuerst der Flipper, dann das Videospiel. Und das Interessante daran ist, dass man plötzlich auch alleine in der Kneipe spielen kann.

Kulturwissenschaftler Andreas Bernard

Sport ohne Askese

Andreas Bernard hat eine sehr einleuchtende Erklärung dafür, was den Reiz des Kneipensports, zu dem er neben Darts auch Flipper und Billard zählt, ausmacht „Diese drei Spiele, was die dann unterscheidet, zum Beispiel von 'richtigem Sport', wo man wirklich auf das Sportgelände gehen muss: Da geht es schon darum, dass diese Spiele die schöne Eigenschaft haben, dass sie ohne Askese auskommen.
Also sagen wir mal: Wenn ich jetzt was werden will im Fußball, im Basketball, als Leichtathlet oder als Schwimmer, dann muss ich mich in starken Askese üben. Ich muss auf meine Ernährung achten, meinen Alkoholkonsum, auf meinen Schlaf, auf meinen Rhythmus, in den Tageszeiten.“
Billardtisch
Für den Kulturwissenschaftler Andreas Bernard gehört Billard auch zum Kneipensport.© picture alliance / Westend61 / Zeljko Dangubic
Sport ohne Verzicht also! So lautet die Erklärung des Kulturwissenschaftlers Andreas Bernard. Spieler und Spielerinnen sind demnach ungebundener als in einem Sport, der im Verein gepflegt wird. Zwar ließe sich einwenden, dass all das, was in der Kneipe betrieben wird, sich mit dem Sportgedanken eigentlich nicht verträgt.

Warum Kneipensportler privilegiert sind

Allerdings steht, wie bei jedem Sport, ab einem gewissen Niveau der Wettkampfgedanke im Mittelpunkt. Auch Bewegung gehört dazu. Dennoch ist der Tresen stets in Reichweite.
Insofern sind Kneipensportler privilegiert, sagt Andreas Bernard:

Das Herrliche an einem guten Billard- oder Dartsspieler ist, dass er praktisch alles haben kann. Er kann superbegabt sein in einem Spiel, kann aber gleichzeitig saufen und rauchen und mit seinen Freunden Blödsinn machen. Und das ist vielleicht, psychoanalytisch gesprochen, das erfüllte Begehren in diesen Kneipensportarten schlechthin. Es geht alles.

Kulturwissenschaftler Andreas Bernhard

Erfülltes Begehren, alles haben zu können: Das macht Bernards Einschätzung zufolge den Reiz des Kneipensports aus. Ganz besonders trifft dies auf Darts zu – obwohl sich der Sport mittlerweile in hohem Garde professionalisiert hat:
„Das ist natürlich das Interessante an Darts, dass man die Kneipenwurzeln immer noch spürt an den Teilnehmern, an der Atmosphäre. Dass es aber trotzdem ein Sport ist, wo praktisch Preisgelder wie fast im Tennis und im Golf gezahlt werden. Und das macht den Sport sehr interessant, weil man als Fernsehzuschauer mit Bier und Chips auf dem Sofa das Gefühl hat, wenn man gut genug wäre, könnte man das auch in fortgeschrittenem Alter mit unglaublichem Körpergewicht.“
Vieles, was professionellen Sport ausmache, gelte für Darts nicht, wie Andreas Bernhard ausführt.

Das Gegenteil von Fußballerbiografien

Ein Blick auf internationale Profis scheint seine Annahme zu bestätigen. Stars wie Michael van Gerwen, Peter Wright oder Gary Anderson sind alles andere als Modellathleten. Sie sind eher gedrungene Erscheinungen.
Ihr großes Können, das Filigrane, das Präzise kommt bei ihnen erst so richtig zum Vorschein, wenn sie vor eine Dartsscheibe treten und ihre Pfeile wie an einer Schnur gezogen ins Ziel bringen.
Andreas Bernard:  „Das ist total toll, weil, wenn man es, mit dem durchorganisierten Sport vergleicht. Fußball, dann ist das genau das Gegenteil, weil die Diskussionen im Fußball gehen ja seit vielen Jahren dahin, dass man sagt: ‚Wenn du im Alter von neun und elf Jahren nicht in irgendein regionales Leistungszentrum geholt wirst, da dann schon ein semiprofessionelles Leben führst, hast du keine Chance, gut zu werden.'
Dann ist Darts genau das entgegengesetzte Modell, wo man eben das Gefühl hat, du kannst 45 und ein übergewichtiger Postbote mit Alkoholproblem sein und drei Monate später bist du auf der Tour und verdienst Hunderttausende. Das ist zwar fast nie eingetreten,  aber ein, zwei Fälle hat es schon gegeben, wie es so eine katapultartige Karriere gab. Und das ist schön in Zeiten von so stromlinienförmigen durchstandardisierten Leistungssportlerbiografiien.“

Ein Kulturwissenschaftler als Flipperspieler

Andreas Bernard ist aber nicht bloß Theoretiker. Ihn selbst zieht es manchmal in die Kneipe, um zu spielen. Er ist ein exzellenter Flipperspieler.

Im Kneipensport ist der Flipper ein ganz besonderes Gerät. Er ist gewissermaßen ein Solitär. Schließlich kann man sich allein mit ihm hier Zeit vertreiben.
Kaum ein französischer Film der 1960er-Jahre, sagt der Kulturwissenschaftler Andreas Bernard, kommt ohne den Flipper aus, an dem der einsame Held gegen den Automaten spielt. Auch deutsche Regisseure griffen auf den Flipper zurück.

Der handelt ja sehr oft von Streunern, Rumtreibern, abgehängten Leute, die vielleicht aus dem Gefängnis kommen, die ein Verbrechen begangen haben, die auf der Flucht sind, die inkognito bleiben wollen. Ich glaube, der Flipper, der ja allgegenwärtig war in den Kneipen um 1970, spielt die Rolle des Apparats, den dann diese Streuner und Rumtreiber beanspruchen, wenn sie in eine Kneipe gehen, wo sie keiner kennt.

Kulturwissenschaftler Andreas Bernard

Zwar sind die Flipper im Zuge des Rauchverbotes in den Kneipen seltener geworden. Den Enthusiasmus der Spieler dämpft dies allerdings nicht. Und im Gegensatz zu Darts hat der Flipper noch eine weitere ganz besondere Eigenschaft: Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen. Sie sehen anders aus, und sie haben auch einen anderen Sound.

Der französische Film kam nicht ohne Flipper aus

Andreas Bernard hat die Geschichte des Kastens akribisch erforscht. Die ersten Flipper kamen aus den USA, Pinball hießen sie, weil die Löchern von kleinen Nägeln begrenzt waren. Mit der Zeit wurden sie immer komplexer, aufwändiger, technisch anspruchsvoller.

Aber nichts geht über das Erlebnis selbst. Deshalb verabreden wir uns in einer Kneipe mit zwei Flipperautomaten. Auch ein Kicker steht im selben Raum.
Andreas Bernard erklärt, mit was für einem Flippergerät wir es zu tun haben: 
„Also, wir spielen hier den 'Attack from Mars', von glaube ich 1995. Das war zu der Zeit eigentlich einer der beliebtesten Flipper, und wie halt so oft, in den 90er-Jahren, einem Kinofilm nachempfunden. Und der Flipper ist ganz schön, weil er hat irgendwie viele Lampen und viele Bahnen. Und wenn man irgendwie gut spielen würde, dann kannte man irgendwie denn weil sehr kontrolliert im Spiel halten. Und es ist ein ganz schöner Flipper.“

Flippern kann man auch alleine

Er hat, neben einer interessanten Geräuschkulisse, noch eine weitere Besonderheit: Auf ihm lässt sich eine extrem hohe Punktzahl erzielen.
Unter den Kneipensportarten ist Flippern sicher diejenige, die in Film und Popkultur am stärksten rezipiert wurde. In der Rockoper „Tommy“ der englischen Band The Who geht es um einen Jungen, der infolge eines Schocks taub und blind geworden ist.
Dennoch ist er am Flipper nicht zu schlagen. Deshalb wir er der „Pinball Wizard“ gennant – der Hexer am Flipper.

Der Flipper hat aber noch eine ganz andere Eigenschaft. Man muss nicht gegeneinander spielen, man kann auch alleine flippern und Rekorden nachjagen.

Ein Deutscher wurde Weltmeister

Als Wettkampfsport ist Flippern nicht nur in Europa populär. Das zeigen allein schon die Austragungsorte der Weltmeisterschaften: Ontario in Kanada, Mailand, Fort Myers in Florida. 2019 gewann der Deutsche Johannes Ostermaier als jüngster Spieler den WM-Titel in Mailand.

Aber auch in der Provinz finden sich Flipperspieler auf höchsten Niveau zusammen. Die kommende Weltmeisterschaft findet in Echzell im hessischen Wetterau-Kreis statt. Anfang Juni 2023 treten die besten Flipper Spieler der Welt, insgesamt werden es 80 sein, in einem ehemaligen Supermarkt gegeneinander an.   

Der Kicker als Klassiker im Kneipensport

Zu den Klassikern des Kneipensportes gehört ebenfalls der Kicker. Auch er hat eine ziemlich lange Geschichte. Erfunden wurde der Kickerkasten, wie er im Kneipenjargon heißt, wohl in Frankreich von einem Ingenieur der Firma Citroen.
Einer Genfer Firma nannte sich Kicker und  baute das Gerät in Serie – so kam der legendäre Tisch wohl zu seinem Namen. Vor mehr als 100 Jahren meldete ihn ein Engländer als Patent an. Bis der Tisch nach Deutschland kam, dauerte es aber noch Jahrzehnte. Ein nationales Championat wurde erstmals 1967 ausgetragen.
Kickertisch
Der Kickertisch wurde in den vergangenen Jahrzehnten in den Kneipen immer beliebter.© picture alliance / Westend61 / Francesco Morandini
Die Meisterschaft brachte es seinerzeit sogar bis in die „Bild"-Zeitung – wohl deshalb, weil das Boulevardblatt das Turnier veranstaltete. Seitdem aber wurde der Kickertisch in den Kneipen immer populärer.

Und auch beim Kicker lässt sich beobachten, was im Dart begann: Ambitionierte Spieler beginnen in der Kneipe – aber sie suchen sich dann vielleicht eine andere Trainings- und Wettkampfstätte.

Auch Start-ups mögen den Kicker

Populär war und ist der Kicker aber auch noch in einem anderen Milieu: in dem der Start-ups. Andreas Bernard hat dafür eine einleuchtende Erklärung. Der Kicker sei das Gegenteil der Digitalisierung, die die Geschäftsgrundlage vieler Start-ups ist.
Es sei, so Andreas Bernard, „nicht falsch, dass der Kicker gerade in dem Moment wieder stärker zurückkommt, indem sich zum Beispiel die Arbeitsumgebung extrem digitalisiert. Weil jeder vor seinem Computer sitzt, steht dann der Kicker für Gemeinschaftlichkeit und Direktheit."

Stefanie Bredthauer ist die Vorsitzende der Kicker Crew in Bonn. Sie ist selbst eine hervorragende Spielerin. Viele, die dort trainieren, sind über die Kneipe in den Klub gekommen.

Warum Kickern anspruchsvoll ist

Stefanie Bredthauer erklärt, was das Kickern so anspruchsvoll macht. Perfekte Technik ist die Voraussetzung, sagt sie:
„Denn nur wenn man den Ball richtig kontrollieren kann und von jedem Punkt jederzeit die Möglichkeit hat, den Ball in unterschiedliche Richtungen zu bewegen, dann hat man natürlich auch die Möglichkeit, wirklich sich dann darauf zu konzentrieren, dass am Ende es nicht mehr darum geht, den Ball zu kontrollieren, sondern tatsächlich die Strategie. Im Spiel zu schauen: Was macht der Gegner? Was macht die Gegnerin?“

Mit wildem Körpereinsatz, wie man ihn aus Kneipen kennt, hat das wenig zu tun, eher mit perfekter Koordination. Wer ein Duell zweier hervorragender Spieler anschaut, der wird erstaunt sein, wie statisch es bisweilen wirkt. Es gilt erst einmal, den Ball durch die Mitte zur eigenen Dreier-Angriffsreihe zu bekommen.
Stefanie Bredthauer: „Denn häufig wird bei Tischfußball irgendwann dieser Vergleich zum Schach gezogen. Ich weiß, so ein bisschen hinkt der Vergleich, aber er wird trotzdem oft gern gezogen. Und das ist auch tatsächlich so, dass der strategische Anteil beim Tischfußball, wenn man irgendwann den Sport professionell betreibt, einen unglaublich hohen Stellenanteil einnimmt.“

Was Kickertische unterscheidet

Anders als Dart hat Kicker sich verändert, was die Technik anbelangt. Früher klemmten die Spieler den Ball sozusagen hinten unter. Heute ist es umgekehrt: Die Spieler klemmen den Ball vorn unter, sagt Stefanie Bredthauer. Die Technik hat einen speziellen Namen – weil sie besonders schnell ist:
„Was tatsächlich vorne auf der Dreier-Reihe an Schusstechnik aktuell am häufigsten zu sehen ist, das ist tatsächlich der Jet. Dass ist also im Englischen der so genanntes Snake-Shot. Der wird gar nicht in der Hand geführt, sondern der wird am Handgelenk geführt. Die Stange, den Griff führt man am Handgelenk. Und erst wenn man dann den Schuss auslöst, dann zieht man die Stange, lässt sie sozusagen in die Hand hinein abrollen. Das ist aktuell am verbreitetsten auf der Dreier-Reihe.“

Auf diese Weise bekommt der Ball eine geradezu katapultartige Beschleunigung. Nahezu alle Spitzenspieler bedienen sich dieser Technik. Große Unterscheide allerdings gibt es bei der Ausrüstung. Die verschiedenen Tischmodelle unterscheiden sich gravierend voneinander.
Ein französischer Kickertisch, der sogenannte Bonzini, hat ganz andere Eigenschaften als ein deutscher Turniertisch: „Also, die Tischplatte ist auf jeden Fall unterschiedlich, und die Bälle, die gespielt werden, sind unterschiedlich. Zusätzlich kommt hinzu, dass die Stangen unterschiedlich sind."

Die Technik beim Wettkampf ist eine andere

Das bleibt nicht ohne Folgen für die Spieler, sagt Stefanie Bredthauer: „Das heißt, bei manchen Tischen sind bestimmte Techniken im Vorteil, während hingegen auf anderen Tischmodellen andere Spieltechniken vom Vorteil sind. Und wenn man irgendwann von dem nationalen Bereich wegkommt und tatsächlich international spielen möchte, dann muss man dementsprechend unterschiedliche Techniken beherrschen."

In der Kneipe ist das anders. Denn da beeinflusst der Zustand der Platte das Spiel oft enorm. Es kann schon mal passieren, dass ein Getränk in den Kickerkasten stürzt.
Die Geräte sind einem ganz anderen Verschleiß ausgesetzt. Oft sind die Bälle etwas verklebt. Damit arrangieren sich wirklich gute Spieler, sie können daraus sogar noch Vorteile für sich ziehen.

Tischfußball wird professioneller

Eines aber ist klar, wenn es um Kickern auf höchstem Niveau geht: Ohne das Spiel in der Kneipe, sagt Stefanie Bredthauer, gäbe es den Verein in Bonn nicht:
„Natürlich sind bei uns viele Leute, die aus der Kneipe kommen. Das also ist bei dem Sport einfach immer noch so, dass tatsächlich einen Großteil der Leute noch aus der Kneipe kommt. Der Sport wird immer professioneller in den letzten Jahrzehnten, das heißt, die Verbände professionalisieren sich, die Turniere professionalisieren sich und die ganzen Ligen werden auch professioneller. Und das hat natürlich auch dazu geführt, dass es eine starke Nachwuchsförderung gibt im Tischfußball.“

Wie sich Kicker- und Dartspieler unterscheiden

Strukturen, wie sie aus anderen Sportarten vertraut sind. Und so kommt es, dass die Kickerspieler sich mehr oder weniger aus der Kneipe „herausprofessionalisiert“ haben.

Wer auf höchstem Niveau Kickern wolle, der müsse die Kneipe hinter sich lassen, betont Stefanie Bredthauer. „Und in der Kneipe steht natürlich auch einfach der Spaß im Vordergrund. Und da will man dann vielleicht auch ein größeres Repertoire zeigen an Dingen, was man irgendwie kann. Während hingegen im sportlichen Wettkampf es dann in erster Linie darum geht, halt zu gewinnen."
Ganz anders als bei den Dartprofis. Deren Repertoire unterscheidet sich nicht von einem Spieler in der Kneipe. Der Ablauf ist stets identisch.
Ein Spieler, der in der Kneipe auf die Dartscheibe wirft, würde demnach in einem professionellen Wettkampf nicht anders spielen, wenn er gewinnen will.

Die Erkenntnis daraus lautet: Nicht alle Kneipensportarten sind in dieser Beziehung gleich.

Eine gute Nachricht aber gibt es in jedem Fall: Ganz gleich ob Darts, Kicker oder Flipper: Spaß lässt sich allen Disziplinen haben.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema