Klug handeln, um Glück zu erzeugen
Die Menschheitsgeschichte könnte anders aussehen - weniger grausam, weniger ungerecht, weniger zerstörerisch. Das behauptet der Philosoph José Antonio Marina in seinem neuen Buch "Lob der Intelligenz oder die Überwindung der Dummheit".
Intelligenz definiert der spanische Phänomenologe nicht als bloßes geistiges Vermögen, sondern als praktisches Verhalten mit dem Ziel, Glück zu erzeugen. Die Unfähigkeit des Menschen, sich der Realität anzupassen, ist für ihn "Dummheit", diese wiederum nichts anderes als "gescheiterte Intelligenz".
In sieben Kapiteln arbeitet Marina vielfältige Gründe für das Scheitern der Intelligenz heraus. Dessen Erscheinungsformen sind für ihn unter anderem Grausamkeit, Habgier, Machthunger und Furcht. Für den idealistischen Autor keineswegs Grundbedingungen menschlichen Seins, sondern veränderbare Muster beim Gebrauch der Intelligenz.
Intelligenz sei Lösung praktischer Probleme, proklamiert Marina. Nicht der theoretische Diskurs interessiert ihn, sondern die Lebenspraxis. Er will pädagogisch wirken, sein Buch verstanden wissen als Vademecum fürs private und politische Glück.
Aus vielen wissenschaftlichen Disziplinen sind Anregungen in das knapp 160 Seiten umfassende Werk eingeflossen. Es ist unterhaltsam, ausgiebig gewürzt mit Zitaten von Historikern, Mathematikern, Poeten, Philosophen und Neurologen. Marina, auch Gründer von Zeitungen und Theatergruppen, ist Eklektiker und Essayist. Stilistisch folgt er seinem Ideal, zu "denken wie ein Wissenschaftler, zu schreiben wie ein Dichter, der gleichzeitig auch Krimiautor ist".
Insbesondere interessiert ihn "der Wesenskern des Scheiterns, die Paradoxie der Intelligenz" - der Umstand, dass selbst eine hochintelligente Person in bestimmten Situationen äußerst unklug handeln kann.
Marina führt den Fall von Sol Wachter an, dem überaus respektierten Obersten Richter des Staates New York, der Gutachten und Urteile zu freier Meinungsäußerung, Bürgerrechten und Euthanasie verfasste. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er monatelang eine ehemalige Geliebte mit obszönen Briefen und Anrufen belästigt hatte.
Marina führt das zurück auf ein Ungleichgewicht zwischen struktureller und angewandter Intelligenz. Die erste laufe unterbewusst ab, sei ein Programm, dem eines Computers vergleichbar. Die ausführende Intelligenz steuere die Computer-Intelligenz. Sie scheitere dann, wenn bei diesem Prozess ein Modul der Computer-Intelligenz eine Vorrangstellung einnähme. Im Fall von Sol Wachter blockierten unterbewusste Emotionen, Eifersucht oder verletzte Eitelkeit, ein angemessenes Verhalten. Seine Dummheit resultiert aus emotionalem Scheitern. Dieses führt Marina zurück auf die Verwechslung von Gefühlen, so, wie man etwa Eitelkeit und Begierde für Liebe hält, oder die Welt durch die Brille von Hass, Scham, Depression oder Neid nur noch eingeschränkt wahrnimmt.
Marina gibt daneben auch andere Beispiele für das Scheitern unserer Erkenntnisvermögen. Aberglaube, Vorurteile, Fanatismus, allesamt "toxische" Überzeugungen, führt er als Formen kognitiven Scheiterns an. Im Resultat gleichen sie dem emotionalen Scheitern: erhebliche Wahrnehmungsverzerrungen. Dementsprechend geraten die logischen Zusammenhänge durcheinander und die Intelligenz kann nicht wirken.
Einzelne Sätze, auch Absätze des Buches bestechen durch Klarheit und prägnante Zitate. Nietzsche, Sartre, Plinius und viele andere erlauchte Geister versammelt Marina als Zeugen seiner Überlegungen. Doch gleicht die Lektüre seines Buches dann doch dem Genuss von spanischen Tapas. Viele leckere Einzelportionen, die es mit einem klassischen Fünf-Gänge Menü nicht aufnehmen können. Was, jeweils abhängig von persönlichen Ess- und Lesegewohnheiten, ja keineswegs ein Nachteil sein muss. So bietet das "Lob der Intelligenz" eine bunte Mischung von Themen und Begriffen. Anregend und doch einseitig. Ein Buch für den kurzweiligen, schnellen Genuss.
Rezensiert von Carsten Hueck
José Antonio Marina: Lob der Intelligenz oder die Überwindung der Dummheit
Aus dem Spanischen übersetzt von Rosemarie Jacob
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006
157 Seiten, 24,90 Euro
In sieben Kapiteln arbeitet Marina vielfältige Gründe für das Scheitern der Intelligenz heraus. Dessen Erscheinungsformen sind für ihn unter anderem Grausamkeit, Habgier, Machthunger und Furcht. Für den idealistischen Autor keineswegs Grundbedingungen menschlichen Seins, sondern veränderbare Muster beim Gebrauch der Intelligenz.
Intelligenz sei Lösung praktischer Probleme, proklamiert Marina. Nicht der theoretische Diskurs interessiert ihn, sondern die Lebenspraxis. Er will pädagogisch wirken, sein Buch verstanden wissen als Vademecum fürs private und politische Glück.
Aus vielen wissenschaftlichen Disziplinen sind Anregungen in das knapp 160 Seiten umfassende Werk eingeflossen. Es ist unterhaltsam, ausgiebig gewürzt mit Zitaten von Historikern, Mathematikern, Poeten, Philosophen und Neurologen. Marina, auch Gründer von Zeitungen und Theatergruppen, ist Eklektiker und Essayist. Stilistisch folgt er seinem Ideal, zu "denken wie ein Wissenschaftler, zu schreiben wie ein Dichter, der gleichzeitig auch Krimiautor ist".
Insbesondere interessiert ihn "der Wesenskern des Scheiterns, die Paradoxie der Intelligenz" - der Umstand, dass selbst eine hochintelligente Person in bestimmten Situationen äußerst unklug handeln kann.
Marina führt den Fall von Sol Wachter an, dem überaus respektierten Obersten Richter des Staates New York, der Gutachten und Urteile zu freier Meinungsäußerung, Bürgerrechten und Euthanasie verfasste. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er monatelang eine ehemalige Geliebte mit obszönen Briefen und Anrufen belästigt hatte.
Marina führt das zurück auf ein Ungleichgewicht zwischen struktureller und angewandter Intelligenz. Die erste laufe unterbewusst ab, sei ein Programm, dem eines Computers vergleichbar. Die ausführende Intelligenz steuere die Computer-Intelligenz. Sie scheitere dann, wenn bei diesem Prozess ein Modul der Computer-Intelligenz eine Vorrangstellung einnähme. Im Fall von Sol Wachter blockierten unterbewusste Emotionen, Eifersucht oder verletzte Eitelkeit, ein angemessenes Verhalten. Seine Dummheit resultiert aus emotionalem Scheitern. Dieses führt Marina zurück auf die Verwechslung von Gefühlen, so, wie man etwa Eitelkeit und Begierde für Liebe hält, oder die Welt durch die Brille von Hass, Scham, Depression oder Neid nur noch eingeschränkt wahrnimmt.
Marina gibt daneben auch andere Beispiele für das Scheitern unserer Erkenntnisvermögen. Aberglaube, Vorurteile, Fanatismus, allesamt "toxische" Überzeugungen, führt er als Formen kognitiven Scheiterns an. Im Resultat gleichen sie dem emotionalen Scheitern: erhebliche Wahrnehmungsverzerrungen. Dementsprechend geraten die logischen Zusammenhänge durcheinander und die Intelligenz kann nicht wirken.
Einzelne Sätze, auch Absätze des Buches bestechen durch Klarheit und prägnante Zitate. Nietzsche, Sartre, Plinius und viele andere erlauchte Geister versammelt Marina als Zeugen seiner Überlegungen. Doch gleicht die Lektüre seines Buches dann doch dem Genuss von spanischen Tapas. Viele leckere Einzelportionen, die es mit einem klassischen Fünf-Gänge Menü nicht aufnehmen können. Was, jeweils abhängig von persönlichen Ess- und Lesegewohnheiten, ja keineswegs ein Nachteil sein muss. So bietet das "Lob der Intelligenz" eine bunte Mischung von Themen und Begriffen. Anregend und doch einseitig. Ein Buch für den kurzweiligen, schnellen Genuss.
Rezensiert von Carsten Hueck
José Antonio Marina: Lob der Intelligenz oder die Überwindung der Dummheit
Aus dem Spanischen übersetzt von Rosemarie Jacob
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006
157 Seiten, 24,90 Euro