Klischees von Männern im Fokus

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
Die Komödie "Walk Hard" erzählt die Lebensgeschichte des fiktiven Musikers Dewey Cox und nimmt das Image des Rock 'n' Rollers aufs Korn. Cox näselt wie Bob Dylan, schläft mit über 400 Frauen und landet in der Hall of Fame. Der Mann in "Lars und die Frauen" lebt dagegen in einer Garage und hat in einer lebensgroßen Silikonpuppe seine Traumfrau gefunden.
"Walk Hard: Die Dewey Cox Story"
USA 2007, Regie: Jake Kasdan, Hauptdarsteller: John C. Reilly, Jenna Fischer, ab 12 Jahre

Jake Kasdan ist der 33-jährige Sohn des Regisseurs Lawrence Kasdan ("Silverado", "Grand Canyon", "Goldener Berlinale-Bär" 1992, "Wyatt Earp", 1994). Sein Debütfilm war 1998 "Zero Effect" (mit Ben Stiller und Bill Pullman), danach 2002 "Nichts wie raus aus Orange County" mit u.a. Jack Black. Wichtig aber auch: Sein Co-Drehbuchautor und Mit-Produzent ist hier Judd Apatow, der derzeit - sowohl als Regisseur wie auch als Produzent und auch als Drehbuch-Autor in Hollywood als d a s Comedy-Ass der Branche (zuletzt "Beim ersten Mal", 219 Mio. Dollar Einnahmen, "Jungfrau (40) männlich sucht", 2005, 177 Mio. Dollar oder der Anarcho-Spaß "Ricky Bobby - König der Rennfahrer" mit Will Ferrell).

Mit "Walk Hard" begeben sich Kasdan und Apatow in Richtung Musiker-Biopics à la "Ray" (Ray Charles) und "Walk The Line" (Johnny Cash) und entdecken dabei eine bislang unbekannte, aber nicht minder ruhmreiche Musikerlegende mit Namen Dewey Cox. Der wird in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts im Süden der USA (natürlich, wo auch sonst) geboren, in der kleinen Gemeinde Springberry in Alabama. Wo man hinblickt: Armut, Entbehrungen, triste Atmosphäre, arme Leute. Die Eltern, zwei Söhne. Der ältere heißt Nat, ist hochbegabt und wird beim kindlichen Scheunenspiel mit einer messerscharfen Machete vom jüngeren Dewey sozusagen "geteilt".

Dewey ist verzweifelt, depressiv, traumatisiert, verliert sogar seinen Geruchssinn. Der (fortan) ständige wie "aufbauende" Daddy-Kommentar dazu: Das falsche Kind wurde getötet! Einzig die Liebe zum Blues, zum Gitarrespielen hilft, die bösen Gedanken zu verscheuchen. Mit 14 (= allerdings sieht er da bereits aus wie 39, John C. Reilly ab hier) nimmt er an einem Talent-Wettbewerb teil und gewinnt diesen dank explosiver Reaktionen (besonders) beim (weiblichen) Publikum.

Dewey verlässt die Stadt mit neuer Freundin, der väterlichen Dauer-Verachtung "im Ohr" und dem Glauben an eine tolle Karriere. Er heiratet, kriegt viele Kinder. Sie müht sich zu Hause zickend ´rum. Er erobert die bunte Welt des Show-Business. Motto, ganz klar: Sex & Drugs & Rock 'n' Roll. Dewey, ein Chamäleon-Musikus: Passt sich jeweils problemlos Zeit, Stil und Mode(n) an, trifft den Rock ´n´ Roll wie Elvis, näselt wie Bob Dylan mit seinen Protestsongs herum, geht auf LSD-Trips in den 60ern mit den dazugehörigen musikalischen Experimenten, dann meint man auch schon mal Roy Orbison schnulzen zu hören. Er ist in den 70ern der Überwahn-Künstler und Egomane, mit Saturday-Night-Fever-Drive und eigener TV-Show, kommt auf die zufällige Vorwegnahme des Punk, findet die finale Aufnahme - mit "The Who"-Atmo - in die Hall of Fame.

Er schläft mit 411 Frauen, heiratet drei Mal, hat 22 Kinder, 14 Stiefkinder. Ist mit den Beatles (Jack Black als Paul, Jason Schwartzman als Ringo) beim Guru in Indien, nennt einen ständigen Schimpansen-Begleiter seinen besten Freund, begegnet den "Temptations", wird zum nationalen Idol. Eine amerikanische Rockerkarriere nach dem Motto: Aber hallo wie pur. Jede nur erreichbare Droge wird (aus-)probiert, um sie danach möglichst schnell wieder loszuwerden. Vom Strahlemann zum Wrack. Und umgekehrt. "Dazwischen" is´ nix. Das Entweder-oder-Leben. Auf der Überholspur. Kompromisslos, hart, die Show als Leben. Oder umgekehrt: Das Klischee gilt. 2002 stirbt Dewey Cox. Mit großem Tamtam.

Was immer die Filme über Jerry Lee Lewis, Ray Charles, die Beatles ("Yellow Submarine"), Johnny Cash, Elvis Presley oder Bobby Darin für Mythen erzählen, Dewey besitzt sie alle und übertrifft sie bei weitem. Denn dieser Film ist der definitive Rock-Soul-Berserker. Er zeigt die wahre Seele des Rock 'n' Roll. Er ist irre, toll, (sau-)komisch, schräg, deftig, bietet also die totale Klasse-Unterhaltung!

Prusten, glucksen, gackern, sich permanent amüsieren mit Dauerlachen: D E R Gute-Laune-Film überhaupt. Jede Szene, jedes Motiv, jeder Dialog ist zweideutig, überhöht, mit köstlichen Bonmots, Spinnereien, Quickie-Gags sowie vielen Anspielungen, Zitaten, Frechheiten, Querverweisen versehen, alles ist Ironie, Stimmung, Sonnenuntergang, Pointe, wunderbar durchgeknalltes, absurd-überzogenes Power-Entertainment.

"Walk Hard: Die Dewey-Cox-Story" ist einer der herrlich-verrücktesten Kinofilme überhaupt. Weil er "funktioniert", weil er prima-präsent ist, der 41-jährige charismatische Stimmungskobold John C. Reilly. Der in der zweiten Hollywood-Reihe bekannt gewordene herbe Anti-Charme-Bolzen ("Ricky Bobby", "Robert Altman´s Last Radio Show", "Chicago" = "Oscar"-Nominierung als "Bester Nebendarsteller", "Gangs Of New York") hat hier seinen Glanzauftritt. Wie er sich in diese legendäre Fuck-nochmal-Figur hineinfindet, sich geradezu in sie reinsaugt, mit jeder Pore Rock-around-the-Clock ist, dazu mit einer geradezu unerhörten Bühnenpräsenz und Musikalität ausgestattet, das trifft es, das ist auf den Pointen- wie Kostüm-Punkt-genau genial. Bei King John C. Reilly stimmen Ton, Laune, Seele, Körpersprache, überhaupt Bewegung zu 100 Prozent. Ein irrer Typ, in einem richtig schön-irren Film. Let´s The Good Times Roll-Best-Off-Movie...

<im_43387>"Lars und die Frauen" (NUR IM ZUSAMMENHANG MITT FILMSTART)</im_43387>"Lars und die Frauen"
USA 2007, Regie: Craig Gillespie, Hauptdarsteller: Ryan Gosling, Emily Mortimer, ohne Altersbeschränkung

Über Regisseur Craig Gillespie heißt es im Presseheft, er sei "einer der meistprämierten Werbefilmregisseure unserer Zeit". Mit dem bei uns (noch) unbekannten Streifen "Woodcock" (mit Billy Bob Thornton, Seann William Scott und Susan Sarandon) debütierte er im Vorjahr (in den Staaten) als Spielfilm-Regisseur. Der aus Australien stammende Filmemacher schuf hier eines jener kleinen, feinen Independent-Movies, um die wir hier die Amis beneiden (weil wir so etwas kaum zustande bringen).

Der mit einem Budget von 12 Millionen Dollar in Toronto und Ontario gedrehte Film erzählt von einer ganz "merkwürdigen" Typ-Geschichte. Er heißt Lars, ist mit sich und der Welt eigentlich zufrieden, haust in einer amerikanischen Kleinstadt in der Garage seines Bruders Gus, der mit seiner Ehefrau Karin gerade das erste Kind erwartet. Lars ist zwar beliebt in der Gegend, lebt aber sehr zurückgezogen und vermeidet - nach Möglichkeit - den Kontakt mit anderen Menschen. Sozusagen: Ein sympathischer, nett-verschrobener Einzelgänger, Lebens-Solist, der dann aber für Aufsehen sorgt.

Denn im Internet hat er endlich seine Partnerin gefunden: Eine lebensgroße Silikon-Puppe, das Modell Bianca. Die ist, so Lars, halb Dänin, halb Brasilianerin. Zudem: Sie ist Missionarin und sitzt auch noch im Rollstuhl. Den schiebt Lars fortan mit Hingabe durch die Gegend, denn er ist schwer verliebt und sehr stolz auf die attraktive Kunstfrau.

Und die Umgebung und die Leute in der Gemeinde?: Die lachen nicht Hohn oder aus, sondern sind erst ein wenig irritiert und machen dann mit. Denn die Ärztin weiß gut wie besonnen Rat: Unter dem Vorwand, Bianca leide an einer Krankheit, die regelmäßige Behandlung erfordert, führt sie lange Gespräche mit Lars. Bemüht sich, ihm seine Angst vor sozialen Kontakten zu nehmen. Demzufolge "helfen" alle Lars, behandeln Bianca wie ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft. Sie ist fortan, selbstverständlich, wie Lars, auf Feten mit dabei, hilft im örtlichen Krankenhaus, liest im Kindergarten aus einem Buch vor (mit Kassettenrekorder hinter ihrem Rücken), nimmt an Gemeindeversammlungen "teil". Prompt steigert sich ihr Beliebtheitsgrad, so dass Lars eifersüchtig reagiert.

Das hört sich bekloppt, eher peinlich, grotesk und bestimmt blöd-albern an. Hätte es sicherlich auch werden können. Doch Autorin Nancy Oliver ("Oscar"-Nominierung in diesem Jahr hierfür) und Regisseur Craig Gillespie schaffen die augenzwinkernde Amüsement-Balance zwischen Herzenswärme, leisen Humor und Charme-Berührung.

Mit dem 27-jährigen kanadischen Schauspieler Ryan Gosling ("Mord nach Plan" (2002) mit Sandra Bullock, "State of Mind" (2003) mit Kevin Spacey, "Das perfekte Verbrechen" (2006) mit Anthony Hopkins) als naiv-sympathisches Sensibelchen, das erst "in die - zwischenmenschlichen - Spur(en" gebracht werden muss. Für seinen leisen, kompliziert-feinen, doppelbödigen Part erhielt er in diesem Jahr eine "Golden Globe"-Nominierung. Drumherum sind Akteure wie Patricia Clarkson ("Dem Himmel so fern"), Paul Schneider ("Die Ermordung des Jesse James...") sowie Emily Mortimer ("Match Point") angenehm-unaufgeregte Stichwortgeber. Ein schönes, rundum gut tuendes Wohlfühl-Filmwerk.