Klio - die wohlfeile Muse

Von Dietrich Möller · 06.12.2008
Die Regale in den Buchläden quellen über von historischen Büchern; Zeitschriften, die Film- und Fernsehindustrie finden in der Geschichte mehr denn je ihre Stoffe oder gar ihr ganzes Programm. Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis zu erfahren, was war und wie es war, im frühen Altertum und im Mittelalter wie in der jüngsten Vergangenheit. Aber wird es nicht auch durch den Einsatz modernster Mittel der Beeinflussung verstärkt, um ein breites Publikum zu gewinnen?
Der Verdacht liegt gelegentlich nahe, wenn man Inhalt und Seriosität des Gedruckten und ins Bild Gesetzten untersucht: Fiktion und Fantasie liegen im Widerstreit mit sachlicher, doch zugleich unterhaltsam aufbereiteter Information. Klio, die Muse der Geschichte, wird gleichsam wohlfeil.
Im Mittelpunkt der Langen Nacht stehen drei historische Gestalten, die alle Voraussetzungen für eine höchst farbige und fesselnde Darstellung erfüllen: Claus von Stauffenberg, der Deutschland von Hitler befreien wollte, Katharina die Große, die deutsche Prinzessin auf dem russischen Zarenthron, und Martin Luther, der Reformator und Wegbereiter zur Aufklärung. Indessen: Wird ihnen gerecht, wie sie dargestellt werden? Oder überdeckt das in Wort und vor allem Bild geschilderte Spektakuläre in ihrem Leben und Handeln doch zu viel, als dass Persönlichkeit, Bestreben und Wirkung hinreichend deutlich würden?

Und welch andere Absichten als nur mehr oder weniger lehrreich aufbereitete Unterhaltung könnten mit einer Darstellung verbunden sein? Welche Rolle spielen Zeitgeist und Ideologien? Tatsache ist, dass Geschichte und ihre Rezeption immer wieder einem Deutungswandel unterliegt.
In der Langen Nacht über "Klio, die wohlfeile Muse" wird all dem nachgegangen, ergänzt durch kurzweilige Episoden und Anekdoten und eingerahmt von Musik.

Klio oder Kleio (gr. Κλειώ: die Rühmerin, aus κλεῖν: rühmen, preisen) ist in der griechischen Mythologie eine der neun Musen. Sie war die Muse der Heldendichtung und Geschichtsschreibung. Siehe auch:
Wikipedia: Klio und Wikipedia: Muse
Literaturempfehlungen:
1. Stunde:
Peter Hoffmann
Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
Die Biographie
München 2007
Peter Hoffmann zeichnet den Lebenweg des Claus Schenk Graf von Stauffenberg nach, der 1944 als Führer des Umsturzversuchs gegen Hitler erschossen wurde. Dem Historiker ist es nach langjährigen Forschungen gelungen, Hunderte von verschollen geglaubter Briefe und andere Dokumente aufzuspüren und für diesen Band auszuwerten.
Peter Hoffmann
Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder
Stuttgart 2004
Peter Hoffmann zeichnet den Lebenweg des Claus Schenk Graf von Stauffenberg nach, der 1944 als Führer des Umsturzversuchs gegen Hitler erschossen wurde. Dem Historiker ist es nach langjährigen Forschungen gelungen, Hunderte von verschollen geglaubter Briefe und andere Dokumente aufzuspüren und für diesen Band auszuwerten.
Konstanze von Schulthess
Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg
Zürich und München 2008
Sie ist eine der faszinierendsten Frauenfiguren im deutschen Widerstand. Und ist doch weitgehend unbekannt. Am 20. Juli 1944 verliert Nina, Frau des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg, alles, was sie liebt. Was war ihre wahre Rolle in der Geschichte? Wie hat sie damit gelebt? Was verraten ihre persönlichen Aufzeichnungen? Mit diesem Buch entwirft die jüngste Tochter ein Porträt der stillen Heldin: Persönlich, behutsam, voller bislang unbekannter Fakten. Ich habe eine schlimme Nachricht für euch, eröffnet eine Mutter ihren vier Kindern. Euer Vater ist letzte Nacht erschossen worden. Es ist der 21. Juli 1944. Die Frau, die so zu ihren Kindern spricht, heißt Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Und sie ist schwanger. Schwanger mit der jüngsten Tochter Konstanze von Schulthess, die im Gefängnis geboren wurde, wo die Mutter nach dem Attentat inhaftiert saß. Nun hat sich die Tochter erstmals behutsam an das Leben ihrer Mutter angenähert, deren Rolle in der Geschichte bislang verkannt und unterschätzt wurde. Entstanden ist die persönliche Würdigung einer Frau, die sich auszeichnete durch Bescheidenheit, Haltung und Respekt und die vor und nach dem Attentat ein ungewöhnliches Maß an innerer Stärke bewies.

Manfred Riedel
Geheimes Deutschland.
Stefan George und die Brüder Stauffenberg
Köln 2006
Der Name Stauffenberg ist untrennbar mit dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 verbunden. Das Buch von Manfred Riedel stellt die geistige Umwelt der Gebrüder Stauffenberg vor dem Hintergrund von Georges Spätwerk dar, vor allem der Gedichtsammlung "Das Neue Reich" (1928), deren Entstehen in ihre Jugendzeit fällt und die Gemeinschaft mit dem Dichter zwischen 1923 und 1933 sowie mit seinem versprengten Kreis im darauf folgenden Jahrzehnt bestimmte. Manfred Riedel zeichnet daneben die Geisteswelt des späten George im Gespräch mit Wilhelm Dilthey und Max Weber, dem modernen Soziologen und dem Analytiker westlich-kapitalistischer Moderne, nach, mit denen sich der Dichter kritisch auseinandersetzte. Auf langjährigen Studien über Nietzsche und George sowie auf archivalischen Neufunden basierend, verfolgt das Buch anhand bislang unbekannter Gestapo-Akten zum 20. Juli 1944 die Verflechtungen des George-Nachlasswerkes mit den Lebensschicksalen aller drei Stauffenbergbrüder und ihrer engsten Freunde, die der Widerstand gegen Hitler einte. Es erschließt geistige Voraussetzungen und die Verankerung ihres Handelns in der klassisch-humanistischen und christlichen Überlieferung, die Georges Vision eines "Geheimen Deutschland" zu Grunde liegt. Georges Gedichttext stellte einen europäischen Warnruf dar, der sich gegen politische Partikularitäten preußisch-deutscher Provenienz genauso richtete wie gegen den die alteuropäische Kultur ruinierenden Vormarsch der industriell-imperialen Moderne.
Thomas Karlauf
Stefan George. Die Entdeckung des Charisma
München 2007
Stefan George (1868-1933) zählte als Dichter, Prophet und Mittelpunkt eines Kreises ihm grenzenlos ergebener Jünger zu den einflussreichsten Figuren der deutschen Geistesgeschichte. Nach jahrelanger Vorarbeit hat Thomas Karlauf nun die erste George-Biographie in deutscher Sprache vorgelegt: ein faszinierendes Stück Zeit- und Sittengeschichte zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus.

2. Stunde:

Heiko Haumann
Geschichte Russlands
München/Zürich 1996
Kurze Kapitel geben einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse, die Herrschaftsverhältnisse, die soziale Gliederung, die wirtschaftlichen Bedingungen und kulturellen Formen in den jeweiligen Epochen.

Erich Donnert
Katharina II,. die Große. Kaiserin des Russischen Reiches.
Regensburg 1998
Erich Donnert
Katharina die Große und ihre Zeit. Rußland im Zeitalter der Aufklärung
Leipzig 1996
Ins Bewußtsein der Allgemeinheit gelangte die russische Zarin Katharina die Große durch ihre häufig wechselnden Liebhaber und ihre Günstlingswirtschaft. Zu häufig vergißt man, dass sie sich für die Ideen der Aufklärung einsetzte, ein modernes Bildungssystem schuf, Kunst und Wissenschaft förderte. Erich Donnert, emeritierter Professor für Osteuropäische Geschichte, entwirft ein Porträt der Zarin und schildert die tiefgreifenden sozialen und politischen Veränderungen im Rußland des 18. Jahrhunderts.
Reinhold Neumann-Hoditz
Katharina die Große
Hamburg 2004
Katharina II. Memoiren
hrsg. Von Annelies Graßhoff.
Leipzig 1986
Katharina die Große; Voltaire: Monsieur-Madame.
Der Briefwechsel zwischen der Zarin und dem Philosophen,
hrsg. von Hans Schumann.
Zürich 1991

3. Stunde:

Horst Herrmann
Martin Luther. Eine Biographie
Berlin 2006
Umfassend und kenntnisreich wird Horst Herrmann dem gesamten Leben Luthers gerecht. Er hat neue Quellen gesichtet und zeigt den großen Mann aus Wittenberg in seinen vielen Gewändern. Martin Luther war weit mehr als der Ketzer und Reformator, den viele Nachgeborenen in ihm sehen wollten. Herrmann stellt den Menschen Luther in den Mittelpunkt seiner Darstellung, und er macht deutlich, warum die Gedanken und das Wirken Luthers nichts von ihrer Faszination verloren haben.
Hans Lilje
Luther
Hamburg2006
Gerhard Brendler
Martin Luther. Theologie und Revolution
Köln 1983
Bernhard Lohse
Martin Luther, eine Einführung in sein Leben und Werk
Berlin 1997
Alexander Demandt
Sternstunden der Geschichte1
München 2004
Schillers Wallenstein musste sich von Graf Illo, dem kaiserlichen Feldmarschall, vorwerfen lassen, die"Sternenstunde"zum Handeln zu versäumen. Gemeint war damit die günstige Konstellation von Umständen, die nur eines kühnen Entschlusses bedarf, um Großes zu bewirken. In diesem Sinne hat Stefan Zweig seine"Sternstunden der Menschheit"gestaltet. Während er sich aber in seinen Erzählungen auf die Dramatik im Geschehen beschränkte, ist bei der Auswahl und Darstellung der hier behandelten Ereignisse ein geschichtsphilosophisches Konzept unterlegt. Es geht um Vorgänge, die für das Zusammenleben der Menschen bedeutsam geworden sind, um Schritte auf dem Weg zu einer humaneren Gesellschaftsordnung oder um Ausblicke auf eine solche - Taten, die Entwicklungen zum Abschluss gebracht oder in Gang gesetzt, die Tore geöffnet haben. Unter diesen Gesichtspunkten hat der Berliner Althistoriker Alexander Demandt dreizehn Höhepunkte der Menschheitsgeschichte von Alexanders Einzug in Babylon bis zum Fall der Berliner Mauer ausgewählt. Er beschreibt die historischen, politischen, religions- und geistesgeschichtlichen Hintergründe, vor denen sich jene Ereignisse zutrugen, die der Welt den Weg in eine bessere Zukunft gewiesen haben.