Klimawandel

"Das ist eine große Sünde"

Peter Kranz im Gespräch mit Philipp Gessler · 23.11.2013
Taifune, Tsunamis und andere Umweltkatastrophen hätten die Christen früher als Zeichen Gottes verstanden und sofort gehandelt. Pastor Peter Kranz kritisiert die heutige Trägheit der Politik im Umgang mit dem Klimawandel. Bis zum Ende der Klimakonferenz in Warschau wird Kranz gemeinsam mit Pastor Manfred Richter fasten. Der einzelne Mensch sei nicht hilflos angesichts des Klimawandels - man darf ihn bloß nicht verdrängen, sagt Kranz.
Philipp Gessler: „Während der 19. UN-Klimagipfel noch immer Entscheidungen ausweicht, zeigt der Klimawandel allen, die es sehen wollen, die tödlichen Folgen der Verantwortungslosigkeit unseres Umgangs mit der Natur. Der Supertaifun Hayan mit tausenden von Todesopfern und das Superhochwasser vom Mai, Juni sind die Spitzen der klimabedingten Katastrophen im Jahr 2013.“ Mit diesen Worten beginnt die Erklärung der beiden evangelischen Pfarrer Peter Kranz und Manfred Richter aus Berlin zu ihrem „solidarischen Fasten, Hungern“, wie sie es nennen. Am Montag haben sie ihren Verzicht auf feste Nahrung bis zum Ende der Klimakonferenz in Warschau erklärt. „Wir führen Krieg gegen das Klima“, schreiben die beiden Pastoren. Vor der Sendung hatte ich die Möglichkeit, mit Pfarrer Peter Kranz über sein solidarisches Fasten zu sprechen. Meine erste Frage an ihn war, ob es ihm auch so gehe, ob er auch manchmal dazu neige, den Klimawandel, der immer deutlicher wird, im Alltag zu vergessen und zu verdrängen, weil man sich als einzelner Mensch so hilflos fühle angesichts dieser drohenden Weltkatastrophe.
Peter Kranz: Also ich vergesse ihn schon natürlich auch, obwohl ich seit er Natur. Der Supertaifun Hayan mit tausenden von Todesopfern und das Superhochwasser vom vielen Jahren, über zehn Jahren schon mit diesem Thema befasst bin und deswegen zu Hause auch … Wenn das Licht irgendwie an ist und keiner nutzt den Raum, dann mache ich alle Lichter aus, die nicht genutzt werden zum Beispiel. Das ist manchmal für meine Mitbewohner unangenehm.
Gessler: Das heißt, der Klimawandel ist im Grunde für Sie immer im Hinterkopf?
Kranz: Sehr stark, ja.
Gessler: Belastet Sie das im Alltag, dieses Bewusstsein?
Kranz: Eigentlich nicht, man verdrängt das, glaube ich, und ich denke, meine Generation wird die schweren Folgen des Klimawandels in Mitteleuropa – wir sind ja privilegiert, unsere geografische Lage –, werden den Klimawandel in den nächsten Jahren nicht so erleben bei uns. Aber mein Enkelkind wird darunter leiden, und das macht mir Sorgen.
Gessler: Sie haben das ja angedeutet, den direkten Zusammenhang von etwa einem Supertaifun und einem Jahrhunderthochwasser mit dem Klimawandel – ist wissenschaftlich offenbar schwer zu ziehen, der direkte Zusammenhang. Ist es nicht für viele eine willkommene Ausrede, dann gar nichts tun zu müssen?
"Ich lasse mein Auto meistens stehen"
Kranz: Ich denke, das müsste gerade umgekehrt laufen. Wir müssen erschrecken und sagen: Jetzt müssen wir was tun! Das ist ja das Besondere, früher, als … Die Christen vor einigen hundert Jahren hätten gesagt, das sind Zeichen Gottes, der Taifun auf den Philippinen und der Zyklon über Sardinien. Das müsste uns erschrecken und wir müssten sagen: Jetzt müssen wir was tun! Und das ist das, was ich eigentlich den Regierungen vorwerfe. Sie wissen das alles, Merkel weiß das alles, und sie tun nichts oder wenig.
Gessler: Weil die Legislaturperioden so kurz sind oder warum?
Kranz: Ich denke ja, das ist es, ja. Wir sind nicht so betroffen wie die Region in den Tropen etwa, insofern können wir uns noch ein bisschen zurücklehnen. Aber wir werden das erleben, und wir haben ja auch diesen Jahrhundertsommer gehabt, nur man kann es kausal nicht nachweisen. Aber die Klimawissenschaftler sagen: Die Extremereignisse nehmen zu und nehmen von Jahr zu Jahr deutlicher zu.
Gessler: Der Kampf gegen den Klimawandel erfordert ja leider von jedem einzelnen Menschen einen Wandel in seiner Lebensweise, also zum Beispiel weniger Fleischkonsum oder möglichst keine Flüge, oder vielleicht auch den Verzicht auf ein Auto. Wie versuchen Sie denn, diesen anscheinend notwendigen Beschränkungen gerecht zu werden?
Kranz: Ich versuche, möglichst zu Fuß zu gehen, mit dem Fahrrad zu fahren, meine Frau macht das auch, die muss von Charlottenburg nach Spandau immer zur Arbeit fahren, wenn es geht, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Transportmitteln. Das versuche ich schon. Ich lasse mein Auto meistens stehen, bin zum Beispiel froh, wenn ich vor meiner Wohnung direkt einen Parkplatz gefunden habe, dann darf ich da das Auto sowieso nicht mehr bewegen, weil sonst ist der Parkplatz weg, also fährt man lieber mit dem Fahrrad. Aber das versuche ich schon. Wir haben uns überlegt zum Beispiel, ob wir nach Weihnachten in den Urlaub fliegen und haben gesagt, nein, wir fahren mit der Bahn an die Ostsee.
Gessler: Das heißt, man kann auch im Alltag durch einen gewissen Verzicht tatsächlich etwas erreichen?
"Ein Unding, dass der Flugverkehr ohne Besteuerung des Flugbenzins läuft"
Kranz: Ja, schon, aber die Politik muss wirklich uns auf die Beine bringen. Also etwa ist es ein Unding, dass der Flugverkehr ohne Besteuerung des Flugbenzins läuft, während natürlich das Benzin besteuert wird, alle Erdölarten, die verarbeitet werden, werden besteuert – nur das Flugbenzin nicht. Und wenn die Flüge billiger werden, wenn man also für 29 Euro nach Rom fliegen kann – das ist ein Unding, das ist klimapolitisch furchtbar.
Gessler: Nun kennt ja das Christentum – Sie haben das ja zum Teil angedeutet – eine Ethik des Verzichts, etwa durch das Fasten. Wie aber ist dieser Verzicht denn zu leben ganz konkret, ohne dass viel Freude und auch Genuss im Leben zugleich auch flöten geht?
Kranz: Also wir müssen nicht griesgrämig sein, wenn wir ein bisschen auf etwas verzichten. Ich glaube, wir haben auch viele Vorteile davon. Wir selber sind Mitglied einer Biogenossenschaft, von der wir unsere Lebensmittel seit Jahrzehnten besorgen. Wir sind froh, das ist etwas teurer, aber wir haben eine gute Ernährung und freuen uns daran. Das ist etwas Schönes. Also ich denke, dass Verzicht nicht mit einem griesgrämigen Leben zu tun hat, sondern wir müssen bestimmte Sachen, die wir im Überfluss haben, die müssen wir zurückführen.
Gessler: Sie haben ja Ihre Enkelkinder schon genannt. Bedrückt es Sie denn manchmal, dass die Lebensweise, die Sie und ich in den vergangenen Jahrzehnten gelebt haben, gerade die Zukunft dieser Kinder belastet, also dass sie im Grunde die Erde nicht mehr so schön erleben werden wahrscheinlich wie wir, und dass sie auch in Sachen Konsum und Lebensweise vielleicht mehr Verzicht üben müssen, als wir es mussten?
Kranz: Das ist die Zukunft, die ist doch gar nicht mehr zu verändern.
Gessler: Empfinden Sie so was auch als eine gewisse Sünde?
Kranz: Ja, das ist eine große Sünde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.