Klimaschutz in Mosambik

Mit Müllsammlern gegen verdrecktes Wasser und versandete Flüsse

Von Ulrich Leidholdt · 02.11.2015
Mosambik an der Ostküste Afrikas gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Erde. Für den Küstenschutz hat es kein Geld. Das wiederum hat Folgen vor allem für die ärmsten Einwohner. In der Großstadt Beira setzt die Regierung auf Umweltschutz - und muss auch die Mitbürger überzeugen.
Sanft plätschert der Indische Ozean grünlich-blau in der Bucht von Beira. Ein Blick über die Küste der zweitgrößten Stadt im ostafrikanischen Mosambik verrät jedoch: die Idylle ist trügerisch. Haufen von Hohlblocksteinen, herumliegende Sandsäcke, hölzerne Pfähle und wahllos hin geklatschter Beton sollen die locker zusammengezimmerten und -gemauerten Häuschen und Hütten vor der Naturgewalt schützen. Dass das so unmöglich ist, davon zeugen Gebäude am Rande der Bucht. Hier hat sich das Meer zurückgeholt, was ein paar Familien bis vor kurzem noch ihr Zuhause nannten. Man schaut in leere frühere Wohn- und Schlafräume, das Fundament der Gebäude ist unterspült.
In der Halbmillionen-Stadt Beira konzentriert sich das Klima-Dilemma Mosambiks. Seine fast 3000 Kilometer Küsten sind nur unzureichend gegen Naturkatastrohen geschützt. In der Regenzeit zwischen November und April treffen extreme Wetterverhältnisse aufeinander: Sinnflutartiger Regen lässt die Flüsse zu reißenden Fluten anschwellen, vom Meer her drohen Hochwasser und Zyklone. Daviz Simango, ein bulliger 50-Jähriger, seit zwölf Jahren äußerst populärer Bürgermeister von Beira, kennt die Folgen für seine sehr arme Bevölkerung:
"Jedes Jahr sterben hier durch die Wasserfluten 1000 Leute an Cholera. Während der Regenzeit müssen viele ihre Häuser verlassen, weil sie überschwemmt sind. Das wollen wir technisch verhindern durch ein Gezeitenbauwerk. So kann das Meer geregelt in den Fluss rein- und das Regenwasser ebenfalls geregelt über den Fluss raus ins Meer abfließen."
Die Menschen protestierten erst, dass der Müll doch ihnen gehöre
Der Fluss, das ist der Rio Chiveve. In den letzten drei Jahrzehnten war er allerdings kein richtiger Fluss mehr. Er versandete. Zusätzlich drängt das Meer mit seinen Gezeiten und einer Rekord-Differenz zwischen Ebbe und Flut von über sieben Metern auf die Küste, zerstört den raren Schutz und forciert die Erosion. Die Folgen lassen sich in wilden Siedlungen wie Goto besichtigen, ein paar hundert Meter von der Küste entfernt.
Die Stimmung wirkt hier besser als die Lage. Tatsächlich drängen sich in Goto über 10.000 Menschen auf engstem Raum unter primitiven Bedingungen. Mini-Hütten aus rohem Stein, vom Nachbarn abgegrenzt mit Bambuszweigen, Sackleinen oder Blechstücken, davor schlammige Wege, über die sich Rinnsale undefinierbaren Inhalts schlängeln:
"Das Wasser steht lange und ist schmutzig. Jeder hat Kopfschmerzen, Magenprobleme, auch Malaria. Die Kinder übergeben sich und haben Durchfall."
Bis vor kurzem kannte Goto keine Müllabfuhr, Regenwasser fließt über ein paar dünne Kanäle ab. Deutsche Entwicklungs-Experten und die Stadt Beira wollen die Missstände angehen. Nuria Botella von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit begleitet die Menschen ins neue Müll-Zeitalter.
"Wir wollen, dass der Müll nicht überall liegt. Nicht in den Abwasserkanälen und auf der Straße. Dass die Kinder nicht krank werden mit Cholera oder Malaria. Vor allem, wenn es regnet, dass das Wasser weglaufen kann."
Per Trillerpfeife machen Müllsammler in orangefarbenen Westen und mit Mundschutz auf den neuen Abfalldienst aufmerksam. Über schmale, holprige und schlammige Pfade wuchten sie ihre Karren durch Goto. Alle Müllwerker leben hier. So sollen die Bewohner der Siedlung für das Projekt gewonnen werden.
Natürlich herrscht Skepsis unter Leuten, die ihren Staat selten bis nie fürsorglich erlebt haben. "Klimaschutz beginnt vor der eigenen Tür" könnte der Titel des populären Laien-Theaters der Siedlung lauten.
Überzeugungsarbeit ist bald ebenso schwer wie das Leben in Siedlungen wie Goto weiß Helferin Nuria Botella:
"Am Anfang der Aufräum-Kampagne haben einige Leute gesagt, der Müll gehört mir! Aber dann haben die Leute von der Stadt Beira mit ihnen gesprochen und langsam haben sie es verstanden."
Beira will Vorbild für den Klimaschutz an der ostafrikanischen Küste werden
Beiras Bürgermeister Daviz Simango glaubt daran, dass seine Bevölkerung die Maßnahmen als wichtigen Beitrag zum Schutz gegen extreme, stets wiederkehrende Wetterlagen und Krankheiten begreift.
"Es dient auch unserem Fischereihafen, der wegen der Versandung des Rio Chiveve bei Ebbe trockenliegt. Die Fischer werden den Nutzen für sich ganz persönlich spüren."
Bürgermeister Simango bleibt trotz Unwägbarkeiten und langwierigen Verhandlungen mit Geldgebern, Experten und seiner Bevölkerung überzeugt: Beiras Kampf für den Klimaschutz mit ganz praktischen Maßnahmen kann ein leuchtendes Vorbild an der langen und katastrophenanfälligen Küste Ostafrikas werden.
"Ich bleibe optimistisch, weil ich das Vorhaben kenne und weiß wie es umgesetzt wird. Wir haben das Potenzial, ein Venedig Mosambiks zu werden."
Mehr zum Thema