Klimaschutz

Fatale Rülpser

Kühe im Versuchsstall der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Kleve
Kühe im Versuchsstall der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Kleve © dpa / picture alliance / Caroline Seidel
Von Stephanie Kowalewski · 25.09.2014
Ist die Kuh ein Klimakiller? In Kleve wird in einem Versuchsstall getestet, wie viele klimarelevante Gase eine Milchkuh tatsächlich ausstößt und wie sich Methanemissionen verringern lassen.
Auf den ersten Blick wirkt der Kuhstall im Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaft Haus Riswick in Kleve wie ein ganz normaler Stall. Nur die beiden Giebel haben Wände, die langen Seiten des Gebäudes sind offen und mit Futtertrögen und Tränken bestückt. Hier futtern einige der 144 Milchkühe ruhig vor sich hin, während andere es sich zum Wiederkäuen in Liegeboxen in der Mitte des Stalls bequem gemacht haben.
"Sobald die Kuh Rauhfutter aufnimmt und zum Wiederkäuer heranwächst, entsteht bei der Pansenfermentation auch Methan."
... erklärt Sebastian Hoppe, der in Haus Riswick für die Rinderhaltung zuständig ist.
"Und das wird dann über die Kuh an die Außenluft abgegeben. Indem sie rülpst."
Millionenteure Forschung im Stall
Außerdem entsteht durch die Ausscheidungen der Kuh Ammoniak, und wird die Gülle schließlich als Dünger aufs Feld ausgebracht, kommt auch noch Lachgas hinzu. Alles Gase mit erheblichem Treibhauspotential. Deshalb geraten die Wiederkäuer bei der Diskussion um Treibhausgase − und wie man sie reduzieren kann − ins Blickfeld von Politikern und Forschern. Im knapp drei Millionen Euro teuren Versuchsstall in Kleve laufen die entsprechenden Untersuchungen dazu.
Hoppe: "Wir haben jetzt hier im Stall die Möglichkeit, dass wir die 144 Kühe unterteilen können in drei Gruppen à 48 Kühe."
Folienrollos von der Decke bis zum Boden teilen den großen Stall in drei auch lufttechnisch voneinander getrennte Abteile. So können vergleichende Messungen erfolgen. Dafür ist der Versuchsstall mit allerlei Schläuchen, Messleitungen und Sensoren versehen, sagt Sebastian Hoppe:
"Das ist so in der Form ein weltweit einmaliger Stall, dass wir wirklich auf Stallebene die Emissionen messen können und nicht auf Einzeltierbasis, wo ich für das einzelne Tier sehr genaue Werte kriege, aber halt keine reellen Werte für so einen praxisüblichen Milchviehstall."
In dem Klever Versuchsstall wird die Luft zweimal auf die klimarelevanten Gase untersucht: Einmal, bevor sie in den Stall strömt, und noch einmal, wenn sie ihn wieder verlässt, sagt Wolfgang Büscher vom Institut für Landtechnik der Universität Bonn, der das Projekt wissenschaftlich begleitet:
"Und aus der Differenz ergibt sich das, was die Tiere oder das Innenleben dazu beigetragen hat. Und das können wir dann nachher auf das Tier, pro Jahr oder auf das Kilo Milch, was an dem Tag produziert wurde umrechnen."
Stallluft und Flüssigmist
So haben die Forscher herausgefunden, dass der Methangehalt in der Stallluft zu vier Fünfteln direkt von den Tieren stammt und nur ein Fünftel − also 20 Prozent − aus dem Flüssigmist, der sich unter dem Stallboden sammelt, und den Liegeboxen der Kühe. Ein erstaunliches Ergebnis, findet Wolfgang Büscher:
"Ich hätte im Vorfeld immer gewettet, dass der Anteil, der nicht von den Tieren kommt, viel größer ist. Und das bedeutet auch, wenn man etwas machen möchte, um Methamemissionen zu minimieren, ist das Potential auf technischer Seite relativ gering."
Vielmehr müsse man bei den Kühen selbst ansetzen, sagt Sebastian Hoppe, etwa bei der Fütterung. So haben die Versuche in Haus Riswick ergeben, dass Kühe weniger Methan freisetzen, wenn ihr Futter mehr Mais als Gras enthält.
Hoppe: "Da kam unterm Strich raus, dass wir durch eine etwas maisbetontere Ration etwa zehn Prozent an Methanausstoß verringern können, pro Kuh und Tag."
Zur Zeit experimentieren die Forscher um Wolfgang Büscher auch mit Futterzusätzen, die die Verdauung im Pansen so beeinflussen, dass weniger Methan entsteht:
"Und es hat sich herausgestellt, dass Tannine da besonders effektiv sind. Wir haben aber jetzt gelernt, dass man den Anteil von Taninen im Futter nicht beliebig steigern kann. Irgendwann kneift es beim Widerkäuer, dann funktioniert die Kuh nicht mehr."
Was den Boden des Stalls angeht, konnten die Wissenschaftler hingegen keinen nennenswerten Einfluss auf die Emissionen messen. Es spielt keine Rolle, ob die Kühe auf Spaltenboden oder auf einem mit Plane bespannten Boden stehen. Hingegen hat der Umgang mit der Gülle sehr wohl Einfluss auf die Emissionen. Viele Landwirte rühren die Brühe bereits in den Gülletanks unter dem Stall kräftig durch, um sie so homogen zu machen. Mit deutlich messbaren Folgen, betont Wolfgang Büscher:
"Ganz sprunghaft gingen dann die Methanemissionen und die Ammoniakemissionen nach oben. Und deswegen macht es aus Sicht der Klimarelevanz keinen Sinn, irgendwie in der Gülle rumzuhantieren in der Zeit, wo es nicht unbedingt notwendig ist."
Mögliche Lösung Biogasanlage
Der Forscher plädiert also dafür, die Gülle erst kurz vor dem Ausbringen aufs Feld zu homogenisieren. Und er rät, möglichst viele Kuhställe mit einer Biogasanlage zu verbinden.
"Denn dann wird das Methan ja wieder energetisch verwertet, geht nicht in die Umwelt, sondern ist ein Treibstoff, den man für die Elektrizitätserzeugung verwenden kann."
Außerdem haben die Versuche in Kleve gezeigt, dass es − bezogen auf die weltweite Klimabilanz − günstiger ist, Hochleistungskühe zu züchten. Wenn, wie in Deutschland, nur eine Kuh 10.000 Liter Milch im Jahr erzeugt, ist die Freisetzung klimarelevanter Gase niedriger, als wenn die gleiche Milchleistung von zwei Kühen erbracht werden muss. Letzlich, sagt der Bonner Forscher Wolfgang Büscher, ließe sich an der Tatsache, dass Wiederkäuer eben neben Milch und Fleisch auch Methan, Ammoniak und Lachgas erzeugen, nur begrenzt etwas ändern.
"Wenn wir es schaffen, da 10, 15 oder 20 Prozent in der Gesamtbilanz eines Stalles zu optimieren, dann ist das schon ein großer Schritt in die gewüschte Richtung."
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