Klimaschutz

Auf das richtige Mindset kommt es an

07:52 Minuten
Fridays for future Demonstration gegen Klimawandel. Ein Jugendlicher hält ein Pappschild mit der Aufschrift "Climate Justice" hoch.
Die Wut der Jugendlichen sei gut, doch es müsse auch Formen des Dialogs geben, die zu gemeinsamem Handeln führen, sagt Jessica Böhme. © picture alliance / imageBroker / Sigrid Gombert
Jessica Böhme im Gespräch mit Nicole Dittmer · 02.11.2021
Audio herunterladen
Selbst Menschen, die den Klimawandel ernst nehmen, haben Probleme, vom Reden zum Handeln zu kommen. Das zeigen die großen Klimagipfel. Die Nachhaltigkeitsforscherin Jessica Böhme sagt: Unter anderem steht uns dabei ein veraltetes Weltbild im Wege.
Gletscher schmelzen, Meeresspiegel steigen, Dürren nehmen zu – all das passiert im Anthropozän, dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.
Heute kann niemand mehr so tun, als ob es den Klimawandel nicht gäbe. Fakten, Analysen und immer genauere Prognosen liegen auf dem Tisch. Trotzdem gibt es immer noch Klimawandelleugner. Und selbst diejenigen, die eigentlich verstanden haben, dass es ernst ist, bringt die Situation nicht zwangsläufig zu entschlossenem Handeln.

Zaudernde überzeugen

Wie schwierig das ist – wie hart Meinungen aufeinandertreffen, welch ein Kraftakt es ist, Zaudernde zu überzeugen – zeigen die aktuellen Diskussionen beim Klimagipfel in Glasgow. Zwar haben sich mehr als 100 Staaten darauf verständigt, die Abholzung und damit Zerstörung von Wäldern bis 2030 zu stoppen. Doch Skepsis ist durchaus angebracht, denn bereits 2014 gab es eine entsprechende Erklärung, auf die letztlich nicht viel folgte.
Für die Wirtschaftsingenieurin und Nachhaltigkeitsforscherin Jessica Böhme ist wirkungsvolle Überzeugungsarbeit letztlich eine Frage des Mindsets, der inneren Haltung der Menschen. Böhme forscht seit Mai 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt AMA (A Mindset for the Anthropocene) am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung.
Sie untersucht, "wie unser Mindset und unsere Weltanschauung dazu beigetragen haben, dass wir eine nicht-nachhaltige Welt kreiert haben". Das Weltbild, nach dem die Menschen ihr Handeln ausrichteten, sei veraltet, sagt Böhme:
"Es ist ein eher mechanistisches Weltbild. Das heißt, wir verstehen die Welt als Maschine, die wir in ihre einzelnen Teile zerlegen können, die wir vorhersagen können, die wir kontrollieren können."

Belehrung weckt den Widerspruch

Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel finde man so aber nicht, sondern nur, indem man "die Dialogkultur" ändere. Es bringe nichts, andere einseitig zu belehren – das provoziere meistens Widerstand. Sie habe das auch in der eigenen Familie zu spüren bekommen: Ihre Eltern, die sich einen Urlaubsflug pro Jahr gönnten, davon überzeugen zu wollen, nicht mehr ins Flugzeug zu steigen, während sie selbst jahrelang ausgiebig die Welt bereist habe, sei rückblickend sicherlich keine gute Idee gewesen.
Die Wut der Jugendlichen, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, sei zwar gut. Aber im Alter von 40 oder 50 Jahren brauche es eine andere Art der Kommunikation, um Menschen im Gespräch davon zu überzeugen, ihr potenziell klimaschädliches Verhalten zu ändern. Und das funktioniere eben nicht, wenn man nur seine eigene Meinung durchsetzen wolle.

Das "Gesamtsystem" ändern

Als Forscherin sehe sie, "dass die Art und Weise, wie sich Systeme verändern, vor allen Dingen davon beeinflusst ist, wie wir unsere Beziehungen leben." Das könne sowohl die Beziehung zu anderen Menschen als auch die zu Tieren oder zu der Umgebung sein, in der man lebe. "Und wenn wir diese Beziehungen – also, das dazwischen – verändern, verändern wir das Gesamtsystem."
Versuche man hingegen, nur einzelne Maßnahmen zu ändern, "verändern wir nur etwas an der Oberfläche – die darunter liegenden Mechanismen bleiben die gleichen".
Mehr zum Thema