Klimagipfel in New York

Moralisierende Deutschmeisterei

06:50 Minuten
Das Foto zeigt Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Ankunft in New York - sie will eine Rede auf dem UN-Klimagipfel halten.
Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Ankunft in New York - sie will eine Rede auf dem UN-Klimagipfel halten. © dpa / picture alliance / Kay Nietfeld
Thierry Chervel im Gespräch mit Axel Rahmlow · 23.09.2019
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Wie das Klima retten? Die Diskussion darüber in Deutschland ist dem Kulturjournalisten Thierry Chervel zu moralisch. Zudem neige die Bundesrepublik dazu, anderen Ländern Lektionen erteilen zu wollen - ohne dabei selbst Vorreiter zu sein.
Auf zum nächsten Klimagipfel: In New York treffen sich Staatschefs aus aller Welt, um Reden zu halten und sich auszutauschen. Bundeskanzlerin Merkel will die neue Strategie der Bundesregierung zur CO2-Reduzierung vorstellen. Wenn es nach dem Kulturjournalisten Thierry Chervel geht, darf sie sich dabei allerdings nicht als Klimaretterin fühlen.

Bisher alle Klimaziele gerissen

"Als Vorreiter können die Deutschen nicht auftreten", sagt Chervel. Zum einen produzierten sie rund doppelt so viel CO2 wie beispielsweise Franzosen oder Engländer. Zum anderen hätten die Deutschen bisher alle ihre Klimaziele verfehlt.
Zusätzlich stellt Chervel auch noch eine "Deutschmeisterei im Reden über den Klimawandel" fest. Dabei hätten Politik, Wirtschaft und die deutsche Gesellschaft längst nicht das geleistet, was gern behauptet werde, kritisiert er.
"Es gibt eine ganz starke Tendenz, Lektionen zu erteilen - und Bescheid zu wissen, über das, was man tun muss, um das Klima zu schützen", so Chervel. Zugleich gebe es große Inkonsistenzen im eigenen Handeln. Die erste Inkonsistenz sei bereits der Atomausstieg gewesen. Gleichzeitig aus Atom und Kohle auszusteigen sei eine "übermenschliche Aufgabe".

"Moralische Machtübernahme"

In der deutschen Debatte über den Klimaschutz ist Chervel zufolge zu viel Moral im Spiel. Er spricht sogar von einer "moralischen Machtübernahme". Es gebe eine Debatten-Fraktion, die einem permanent ein schlechtes Gewissen bereiten wolle - ob man nun nach Mallorca fliege oder ein Steak esse.
"Mir ist der Druck einfach zu groß", betont er - es werde einem inzwischen vorgeschrieben, wie man leben soll. "Ich glaube, das erzeugt eher Gegenreaktionen der Genervtheit."
Klimaschutz sei kein moralisches, sondern ein politisches Problem, betont der Journalist. Das Thema zeige im Übrigen, wie wichtig die Europäische Union sei. Denn nur die EU als Ganzes habe ein Gewicht, das groß genug sei, um Länder wie China oder Indien vom Klimaschutz zu überzeugen.
(ahe)
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