Kommentar zum Klimagipfel in Nairobi

Es müssen Reparationen nach Afrika fließen

04:56 Minuten
Ein vertrockneter Baum steht in einer Wüste.
Afrika produziert nur knapp vier Prozent der globalen CO2-Emissionen, leidet aber am stärksten unter den Auswirkungen von Naturkatastrophen wie zum Beispiel Dürren. © picture alliance / Zoonar / Konstantin Kalishko
Ein Kommentar von Daniel Loick · 10.09.2023
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Einige Länder Afrikas geben bereits die Hälfte ihres Bruttoinlandsprodukts zur Bewältigung von Umweltkatastrophen aus. Die Erderwärmung geht aber maßgeblich auf den globalen Norden zurück. Deshalb sollten Reparationen fließen, meint Daniel Loick.
Der erste afrikanische Klimagipfel ist bemerkenswert, und das gleich aus mehreren Gründen. Bei dem Treffen stand zum ersten Mal Afrika im Mittelpunkt – genauer gesagt die Verheerungen, die die Klimazerstörung auf dem afrikanischen Kontinent bereits seit langer Zeit anrichtet. Auch gelang es afrikanischen Staaten, sich als Pioniere grüner Energie zu präsentieren: Schon jetzt gewinnt etwa das Gastgeberland Kenia 90 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen.

Forderung nach einer globalen CO2-Steuer

Daher ging es den afrikanischen Staatschefs auch nicht darum, um mehr Entwicklungshilfe zu bitten, sondern um Investitionen zu werben: Afrikanische Länder sind Vorreiter in der Anwendung zentraler Zukunftstechnologien mit großem Investitionspotenzial. Damit dieses Potenzial erschlossen werden kann, müssen die unfairen Kreditvergaberegeln geändert und eine neue globale CO2-Steuer eingeführt werden, so die Abschlussdeklaration.
In den Hintergrund gerückt ist dabei leider ein Begriff, der seit einiger Zeit im Mittelpunkt der Forderungen vieler zivilgesellschaftlicher Bewegungen für Klimagerechtigkeit aus dem globalen Süden steht: der Begriff der Klima-Reparationen. Statt zukünftige Gewinne in Aussicht zu stellen, erinnert dieser Begriff an die historische Verantwortung der kolonialen Industrienationen.

Klima-Reparationen als Schadensersatz

Reparationen sind zunächst einfach eine Form von Schadensersatz: Wenn ich das Eigentum einer anderen Person beschädige, muss ich es ersetzen oder bezahlen. Moralisch gesehen ist die Lage in Sachen Klimazerstörung klar: Afrika produziert nur knapp vier Prozent der globalen CO2-Emissionen, leidet aber am stärksten unter den Auswirkungen von sogenannten Naturkatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen. Für diese Schäden sollten diejenigen bezahlen, die sie verursachen: Nur 100 Konzerne sind für 71 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Sie haben mit Öl und anderen fossilen Energien gigantische Gewinne eingefahren: Diese schulden sie den Bewohnerinnen und Bewohnern des afrikanischen Kontinents und anderen Menschen, deren Lebensgrundlagen durch den Klimawandel vernichtet wurden.

Ein Eingriff in globale Machtstrukturen

Es wäre aber verkürzt, Reparationen nur als Formalität, als eine zivilrechtliche Transaktion zu sehen. Wichtiger als ihre restaurative Funktion – vergangenes Unrecht auszugleichen – ist ihre konstruktive Funktion, auch neues Unrecht in Zukunft zu verhindern. Reparationen bedeuten darum einen grundlegenden Eingriff in die globalen Machtstrukturen, die einzelne Nationen und Konzerne überhaupt erst in die Lage versetzen, die planetarischen Lebensgrundlagen für alle zu vernichten.
Der Philosoph Olúfémi O. Táíwò hat diesen „konstruktiven“ Ansatz der Klima-Reparationen ausformuliert. Reparationen, so Táíwò, zielen darauf ab, die Welt neu zu erfinden. Neben Geldtransfers umfassen Reparationen auch die Einrichtung sozialer Infrastrukturen, die Förderung von ökologischen Projekten, Schuldenerlass und vor allem die radikale Demokratisierung der globalen Ökonomie und die Einrichtung effektiver Kontroll- und Steuerungsmechanismen.

Menschen, die ihre Rechte geltend machen

In der Vergangenheit wurden afrikanische Staaten oft als Empfänger westlicher Wohltätigkeit angesehen. Mit dem Klimagipfel treten sie jetzt vor allem als vielversprechende Geschäftspartner auf. Worum es bei der Klimagerechtigkeit im Kern aber geht, lässt sich weder in einem humanitären, noch in einem wirtschaftlichen Register ausreichend formulieren.
Die Forderung nach Reparationen gibt der Debatte darum einen genuin politischen Charakter: Die afrikanischen Bevölkerungen sind weder (nur) hilfsbedürftige Opfer, noch (nur) lukrative Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner, sondern politische Subjekte, die ihre fundamentalen Rechte geltend machen. Es ist zu hoffen, dass bei den nächsten internationalen Klimagipfeln diese Reparationsforderungen wieder lauter zu hören sein werden – und es ist die Verantwortung der reichen Staaten, ihnen nachzukommen.
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