Klick und weg

Von Marcus Richter · 23.05.2013
Viele User sind genervt von Werbung im Netz und installieren Programme, die Anzeigen und Videos verschwinden lassen. Das ist sinnvoll, denn Onlinewerbung sammelt Daten und erleichtert Cyberangriffe.
An Werbung in der Zeitung haben wir uns gewöhnt. Die Werbung gehört dazu, aber hat auch keine Möglichkeit sich in den Vordergrund zu drängen. Onlinewerbung hingegen kann Animationen enthalten, den Blick auf den eigentlichen Seiteninhalt versperren oder sogar Töne abspielen. Selbst seriöse Onlinemagazine wirken so eher marktschreierisch, laut und jahrmarkthaft. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – funktioniert die Werbung.

André Fritz: "Also ich hab die Erfahrung gemacht, dass manchmal echt gute durchdachte Werbekampagnen, ersetzt wurden, durch sehr aufmerksamkeitsstarke und vielleicht sogar etwas nervigere Banner, weil die Erfahrung einfach zeigt oder die Statistiken einfach zeigen, dass die dann doch besser geklickt werden."

André Fritz ist Werbemittelgestalter, er entwirft und designt Onlineanzeigen. Die gelten als erfolgreich, wenn sie geklickt werden und das passiert eben umso häufiger, je aufdringlicher die Anzeigen gestaltet sind.

Nervige Designs sind aber nur der offensichtliche Nachteil von Onlinewerbung. Weitgehend unbemerkt dagegen bleibt, dass nebenbei die Daten der User gesammelt werden. Die so gewonnenen Profile sind erschreckend genau, weiß André Fritz.

"Diese Datenspuren, die man da hinterlässt, die lassen sich schon statistisch auswerten und dann genau sagen zum Beispiel, wenn du bei mir eine Kampagne machst, dann liefer ich das Werbemittel im Bereich Technik nur an Leute aus, die zwischen 35 und 48 sind und in den letzten sechs Monaten Technik über 500 Euro gekauft haben und davon auch nichts storniert haben."

Vielsagende Spuren

Aber wie ist das möglich? Webseitenbetreiber schalten die Werbung nicht selbst, sondern verkaufen Platz auf ihrer Webseite. Die dort eingeblendete Werbung kommt also nicht vom Betreiber der Seite und auch nicht von der Firma, deren Produkt beworben wird – sondern von Dritten, spezialisierten Werbenetzwerken.

Der Trick ist: Jedes Mal, wenn ein Nutzer im Internet eine Webseite aufruft, werden automatisch Daten übertragen. Zum Beispiel Bildschirmgröße, Betriebssystem, Internetanbieter. Das ist notwendig, damit Webseiten fehlerfrei dargestellt werden, erlaubt aber auch eine Identifikation des Rechners, der benutzt wird.

Diese Daten, werden jetzt nicht nur an den eigentlichen Webseitenbetreiber übertragen, sondern auch an den, der die Werbeanzeigen einblendet. Ab jetzt kann der Rechner überall da im Netz erkannt werden, wo er eine neue Webseite besucht, die vom selben Werbenetzwerk betreut wird. Denn jedes Mal fallen dieselben Daten an und dadurch wird der Rechner wiedererkannt. So weiß der Werbetreibende, welche Seiten schon besucht wurden, kann daraus errechnen, wofür sich der User interessiert und durch Verknüpfung mit anderen Kanälen wie zum Beispiel sozialen Netzwerken das persönliche Profil weiter verfeinern.

"dann liefer ich das Werbemittel im Bereich Technik nur an Leute aus, die zwischen 35 und 48 sind und in den letzten sechs Monaten Technik über fünfhundert Euro gekauft haben."

Werbung hilft Kriminellen

Das bringt noch einen weiteren Nachteil mit sich: Die Adserver, also die Rechner mit Hilfe derer die Werbung ausgeliefert wird, sind lohnende Angriffsziele für Kriminelle, erklärt Thorsten Kraft, der für den Branchenverband eco als Sicherheitsberater arbeitet.

"Es ist definitiv der Fall, dass die Cyberkriminellen sehr genau wissen, wenn Sie einen Adserver angreifen, welches Zielklientel, welche Kunden diese Webseite bedient und versuchen dann natürlich den höchstmöglichen Profit rauszuholen und einen gezielten Angriff auf das Nutzerfeld zu fahren."

Die Angreifer wissen also genau, wer die Zielgruppe eines Werbe-Netzwerkes ist und können so die Werbung austauschen und dadurch gezielt Phishing-Angriffe ausführen. Vorstellbar sind in der jeweiligen Landessprache ausgelieferte Bankingtrojaner oder angeblich kostengünstige anzügliche Angebote für Single-Männer, die sich auf Datingseiten umgesehen haben. Die ausgelieferte, gefälschte Werbung wird dann mit entsprechender Schadsoftware verseucht und Nutzerrechner dadurch angegriffen – und das meist ohne, dass die Betroffenen davon etwas mitbekommen.

Auch prominente und seriöse Seiten werden in Mitleidenschaft gezogen, wenn ihr Werbeanbieter gehackt wird. Schuld seien eben diese Werbeanbieter, die ihre Software nicht richtig pflegen.

"Bei den mir bekannten Fällen war für diese Software über Monate hinweg schon Sicherheitsupdates zur Verfügung gestellt worden, die von den Betreibern der Server einfach nicht eingestellt worden sind."

Adblocker – einfach und effektiv

Zusammengefasst lässt sich sagen: Online-Werbung nervt, bringt Sicherheitsgefahren und sammelt Daten. Das erklärt den Erfolg von Zusatzprogrammen für Webbrowser, welche die Werbefähigkeiten von Webseiten einschränken.

"Ghostery" blockiert zum Beispiel in Webseiten eingebundene Datensammeldienste und bietet Informationen zu den jeweiligen Firmen an. Das sehr beliebte Programm "Adblock Plus" ist ein sogenannter Adblocker, der die Anzeige von Online-Werbung komplett unterbindet.

Beide Programme sind sehr einfach zu installieren. Welche Werbungen und Anbieter blockiert werden sollen, wird automatisch auf ständig aktualisierten Listen online abgerufen. Es ist also sehr einfach Onlinewerbung zu entkommen. Damit sind die Werbeanbieter unter Zugzwang. Die letzte Woche gestartete Kampagne sechs großer Onlinemagazine gegen Adblocker hatte zum Ziel die etwa 25 Prozent der Nutzer, die Werbung blockieren, dazu zu bewegen, die Werbung wieder zuzulassen. Der Gewinner war dann aber doch jemand anders:

"Dadurch wurde das Produkt "Adblock Plus" in den Vordergrund gebracht und dadurch haben wir in den letzten Tagen nochmal sehr viel stärkeres Nutzerwachstum gehabt, als sowieso schon."

Erklärt Till Faida, Geschäftsführer der Firma Eyeo, die hinter Adblock Plus steckt. Auch wenn er dafür sorgt, dass Werbung verhindert wird, betont er dennoch, dass Onlineanzeigen nicht grundsätzlich schlecht sind.

"Dass es insbesondere für kleine Websites, dass es auch für die ein einfaches Finanzierungsmodell im Internet gibt, deswegen denk ich, ist langfristig die Finanzierung über Werbung sehr sehr wichtig im Internet."

Auch für große Anbieter zählt Werbung zum Finanzierungsmodell – damit das auch allgemeine Akzeptanz findet, muss Werbung aber erträglicherer, sicherer und mit weniger Datensammelei stattfinden. Durch die Anti-Adblocker-Kampagne wurde zwar eine Diskussion über diese Themen angeregt. Aber wer die beteiligten Webseiten besucht, stellt schnell fest: Wirklich genießbar sind die Angebote auch weiterhin nur mit eingeschaltetem Adblocker.

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