Kleinschmidt: ANC wird stärkste Kraft in Südafrika bleiben

Horst Kleinschmidt im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 22.04.2009
Obwohl schwere Korruptionsvorwürfe gegen ANC-Chef Jacob Zuma erhoben wurden, wird die Partei auch nach der Parlamentswahl in Südafrika an der Regierung bleiben. Davon ist das ehemalige ANC-Mitglied Horst Kleinschmidt überzeugt. Die anderen Parteien hätten zu wenig eigenständiges Profil. Zum anderen sei die arme Bevölkerung überzeugt, nur der ANC könne ihre Lage verbessern.
Birgit Kolkmann: Südafrika wählt heute ein neues Parlament, in neun Minuten werden dort die Wahllokale geöffnet. Es geht darum, ob die Macht des seit 1994 regierenden ANC gebrochen wird. So ist der Sieg des umstrittenen ANC-Chefs Jacob Zuma trotz aller Korruptionsvorwürfe gegen ihn sicher, allerdings nicht, ob er die Zweidrittelmehrheit im Parlament halten kann, die dem ANC die Möglichkeit gibt, auch die Verfassung zu ändern. Spannend also die Frage, ob und wie viele Stimmen die Opposition dem ANC abjagen kann.

Horst Kleinschmidt ist deutschstämmiger Südafrikaner und war lange Jahre Mitglied des afrikanischen Nationalkongresses. Von 2000 bis 2005 arbeitete er in hoher Position im südafrikanischen Umweltministerium. Jetzt ist er am "Ortszeit"-Telefon. Schönen guten Morgen!

Horst Kleinschmidt: Einen schönen guten Morgen!

Kolkmann: Herr Kleinschmidt, warum haben Sie dem ANC den Rücken gekehrt?

Kleinschmidt: Ich enthalte mich, für den ANC bei dieser Wahl zu wählen, und zwar glaube ich, das trotz meiner lebenslangen Unterstützung der Organisation, ursprünglich als Befreiungsbewegung und dann als Partei, denn ich glaube, wir haben in den letzten Jahren zu viel Korruption gesehen und sitzen jetzt mit einem Kandidaten, der die Partei führen wird und deshalb Präsident werden wird, der selbst zu viel am Stecken hat. Und die Tatsache, dass ihm seine Vorwürfe auch vom Gericht zurückgezogen wurden, heißt eigentlich, dass man mit einer Führung umgeht, wo ohnehin schon Korruption ein großes Problem spielt damit, dass an und für sich offiziell sanktioniert wird.

Kolkmann: Trotzdem hat ja Jacob Zuma eine doch große Zustimmung gerade in den etwas einfacheren Schichten. Er hat auch noch Nelson Mandela zur Abschlussveranstaltung des Wahlkampfs am Sonntag gebracht in einem Golfwägelchen. Das hat ihm auch noch mal, glaube ich, Zustimmung gebracht. Wie erklären Sie sich das?

Kleinschmidt: Das ist genau richtig, und zwar haben die ärmeren Bevölkerungsgruppen weiterhin Vertrauen zum ANC und glauben, dass dadurch, durch die Partei eher ihre große Armut und ihr Versuch, Zufluss zu Behausung und Erziehung und Sonstigem zu haben wird, dass das durch den ANC als Erstes erfüllt wird. Und wahrscheinlich ist das auch so, denn die anderen Parteien haben leider kein richtiges Programm bisher gezeigt, was für die ärmere Bevölkerung wirklich eine Veränderung bringen würde.

Kolkmann: Welche Rolle spielt denn die neue Opposition? Wenn sie erstarkt, bedeutet das auch, dass es in Südafrika mehr Meinungen an größerem Pluralismus in der Demokratie gibt?

Kleinschmidt: Natürlich ist das gut. Es ist wichtig, dass wir erstens die große Mehrheit des ANC verkleinern, das ist natürlich eine wichtige Sache, aber zum Zweiten ist es leider so, dass diese neue Opposition, diese COPE-Partei, kein richtiges Programm aufgestellt hat. Sie sind einfach auch Leute, die nur davon reden, wie bekommen wir einen Teil der Macht und wie bekommen wir dadurch einen Teil, Einfluss zu haben, um Jobs zu bekommen, um Geld zu bekommen. Und das ist meines Erachtens kein Programm. Wenn Sie sich zum Beispiel positioniert hätten als etwas links oder gesagt hätten, wir sind Sozialdemokraten oder wir werden genauer hinsehen, dass die Ärmeren eher Anspruch auf Häuser und Sonstiges bekommen könnten, dann würde man sagen können, das ist eine Partei. Aber im Augenblick glaube ich, werden sie nicht so viel Einfluss bei dieser Wahl bekommen.

Kolkmann: Ist das eine Umbruchsituation in Südafrika, die wirtschaftlich und auch sicherheitspolitisch für den Kontinent durchaus schwierig ist?

Kleinschmidt: Ich nehme an, dass auch ein neuer ANC, ein etwas verkleinerter ANC an der Macht wahrscheinlich sich doch so positionieren wird, dass sie weiterhin mit Großkapital und mit den internationalen Verbindungen usw. wahrscheinlich nicht sich groß verändern wird. Das ist erst mal nach den Wahlen wahrscheinlich, ein großer Kampf wird geschehen. Denn auf der einen Seite sitzt die Wirtschaftsmacht im ANC, auf der anderen eine vergrößerte und verstärkte kommunistische Partei sowie auch Gewerkschaften.

Kolkmann: Erinnern Sie uns noch einmal an Ihre eigene Geschichte: Wie kamen Sie eigentlich zum ANC?

Kleinschmidt: Ich habe schon als - ich bin jetzt beinahe 63 und habe mein Leben lang schon als junge Person mich eingesetzt für Gleichberechtigung in Südafrika, bin dadurch inhaftiert gewesen und bin dann vor dem Versuch einer zweiten Verhaftung geflüchtet und 15 Jahre im Exil gewesen. Die ganzen 15 Jahre habe ich den ANC unterstützt und auch für den ANC gearbeitet.

Kolkmann: Ist es für Sie jetzt umso schwieriger, dass Sie dem ANC quasi den Rücken kehren mussten?

Kleinschmidt: Ja. Ich glaube, wir sind eine gewachsene Gruppe, aber wie gesagt, sehr, sehr kleine Gruppe von weißen sowie auch schwarzen Unterstützern des ANC, die sich zu diesem Zeitpunkt für eine Besinnung erklären und sagen, wir müssen irgendwie zusehen, dass - ob im ANC oder auch in einer Oppositionspartei - doch ein besseres Programm durchgeführt werden kann in der Zukunft. Denn einerseits geht es um das Beharren, eine richtige Demokratie zu bauen, auf der anderen, dass man auch die Standesunterschiede im Lande verkleinern kann.
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