Kleines Haus, was nun?

Von Alexa Hennings |
Vor 75 Jahren erschien sein Roman "Kleiner Mann - was nun?", vor 60 Jahren starb der Autor Rudolf Ditzen, bekannt als Hans Fallada. Nach seinem Welterfolg mit "Kleiner Mann - was nun?" kaufte sich Fallada Anfang der 30er Jahre ein kleines, altes Bauernhaus in Carwitz, Mecklenburg, zwei Autostunden von Berlin. Aus dem sorgsam restaurierten Haus wurde eines der meistbesuchten deutschen Literaturmuseen - und auch sonst tut sich in Carwitz in Sachen Erbepflege Fallada vieles.
Carwitz, Mecklenburg, im Frühling. Mit Macht und mit einem Getöse, das man dem kleinen Bächlein gar nicht zutraut, strömt das Wasser vom Kleinen Luzin in den 20 Meter tiefer gelegenen Carwitzer See.

Unten hat sich das wilde Bächlein beruhigt. Seine ganze Aufregung geht geräuschlos unter in dem spiegelglatten See. Seelenruhig schwappt das Wasser gegen alte Bootsstege und Bootshäuschen. Der hellblaue Himmel, der dunkelblaue See, das Gold des trockenen Schilfes und das Feuerrot der jungen Weidentriebe verschmelzen zur unwirklich-schönen Postkartenidylle. Wir sind in der Murkelei. Im Reich des getreuen Igels und des treulosen Dachses Fridolin, der Ratte Erika und des Mäusekens Wackelohr.

Die Carwitzer Kinder turnen Dachs und Ratte auf dem Kopf herum. Das würde Rudolf Ditzen, der sich Hans Fallada nannte, gefallen, wenn er es sähe. Er hätte einen guten Blick auf den Spielplatz mit den großen Holzfiguren aus der Murkelei gehabt, sein Haus steht gleich nebenan.

Und ein paar Schritte weiter, die Kopfsteinpflasterstraße entlang, vorbei an einer Café-Bar namens "Dance an More" und einem Landgasthof mit dem Schild "Hier is’n Krog", beides geschlossen, ist man schon auf dem Carwitzer Friedhof.

Nur wenige Blumen liegen auf Falladas Grab - obwohl sich sein Todestag zum 60. Mal jährt. Eine gemeinsame Feier aller Fallada-Freunde gab es nicht. Denn ein nun schon mehr als zehn Jahre alter Streit trennt die Fronten: die Hans-Fallada-Gesellschaft als Nachfolgerin des Fallada-Freundeskreises aus DDR-Zeiten und das Fallada-Forum in Berlin, das der Literaturwissenschaftler und Fallada-Biograph Werner Liersch gründete, nachdem er im Streit die Fallada-Gesellschaft verlassen hatte. Sein Vorwurf: die Fallada-Gesellschaft, obgleich eine Nachwende-Gründung, stelle sich nicht ihrer Geschichte. Dieser Vorwurf, so glaubt Patricia Fritsch-Lange, die Vorsitzende der Gesellschaft, ist nun ausgeräumt. Die Gesellschaft stellte einen Forschungsantrag bei der Stasi-Unterlagenbehörde, deren Ergebnisse im Sommer veröffentlicht werden sollen.

"Das war unser Forschungsantrag, den wir gestellt haben: Gab es von Seiten der Mitglieder in Bezug auf den Hans-Fallada-Freundeskreis irgendwelche Verbindungen zur Staatssicherheit? Das war der Auftrag. Nicht, was Mitglieder des Hans-Fallada-Freundeskreises in ihrem Arbeits- oder Privatbereich oder in den 60er und 70er Jahren sonst noch gemacht haben. Das war nicht unser Auftrag und das haben wir ganz bewusst so gemacht. Wir sind eine Literaturgesellschaft und das war unser Thema. Ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber da hat sich nichts ergeben."

Andere Forschungsprojekte, so das der ehemaligen Fallada-Archivarin Sabine Lange, haben jedoch sehr wohl "etwas ergeben", denn der Fallada-Freundeskreis war und ist eng verknüpft mit dem Neubrandenburger Literaturzentrum, seit DDR-Zeiten Hüterin des Fallada-Archivs. Beide Leiter des Literaturzentrums waren als IM tätig, meint Sabine Lange in ihrem Buch "Fallada - Fall ad acta?" Ein enger Fokus verhilft noch nicht zu einem Gesamtbild, meint der Historiker Jochen Schmidt vom Büro des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes.

"Ich sehe die Gefahr, dass wir genau an dieser Stelle wieder einmal in eine Falle tappen, die da heißt: Fokussierung auf die Stasi. Wir sehen uns einen Themenbereich aus der DDR-Geschichte an, gucken nach, gibt’s da was mit Stasi und wenn nicht, haben wir überhaupt kein Problem. Die Frage müsste aber eine andere sein: Wie wurde Fallada kompatibel gemacht mit der DDR-Ideologie? Wie wurde mit dem Fallada-Nachlass, den Archivalien etc. umgegangen? Wie wurde sie der Forschung zur Verfügung gestellt? Welche ideologischen Verbiegungen gab es und und und? Das sind die Fragen, die man sich stellen muss. Und dann wird man auch erkennen, dass auch in diesem Fall die Staatssicherheit ein Instrument war, was dann der SED-Kulturpolitik vielleicht gedient hat oder auch nicht. Aber es ist völlig verkürzt, die Frage auf das Thema: Gab es hier Stasi-Verstrickungen - ja oder nein – zu reduzieren. Daneben spielen natürlich auch Eigeninteressen von Forschern eine Rolle: Fallada ist mein Vorgarten und nicht deiner! Solche Dinge spielen natürlich auch mit rein. Aber ich glaube, der Kernpunkt ist schon die Frage: Sollen wir da sozusagen auch in dieses Thema Transparenz im Sinne der Aufarbeitung hineinbringen oder nicht? Wollen wir es einfach – die DDR hat ihren Fallada auch gepflegt, und es war ja auch nicht alles schlecht – sollen wir es mit diesem Satz bewenden lassen oder wollen wir mehr wissen?"

Viele Ansätze, mehr wissen zu wollen, liefert durchaus das vereinseigene Magazin "Salatgarten". Es veröffentlicht auch kritische Texte, etwa aus der Neubrandenburger Zeitung "Nordkurier", sowie unlängst eine differenzierte Analyse der Arbeit samt Stasi-Verstrickungen des Literaturzentrums Neubrandenburg. Doch immer wieder tauchen "Stellungnahmen", "Richtigstellungen" und "Presseerklärungen" auf, die sich auf Streitigkeiten der beiden Fallada-Lager beziehen. Jahrelange Gerichtsprozesse und Vergleiche, in denen es um - für den Außenstehenden - marginale Details der Geschichte und deren Darstellung geht - zermürbten alle Beteiligten der Hans-Fallada-Gesellschaft und deren Vorsitzende.

Fritsch-Lange: "Das war natürlich eine sehr anstrengende Zeit mit diesen Auseinandersetzungen. Und ich bin froh, dass die Geschichte jetzt abgeschlossen ist durch den Vergleich, den wir gefunden haben. Und ich möchte natürlich alles dafür tun, dass es auch so bei diesem Status bleibt. Und dann - sage ich mal aus der menschlichen Erfahrung heraus – muss jetzt ein bisschen Ruhe einkehren, und dann werden wir mal sehen, wie es weiter geht. Also ich finde, man kann es sehen auch als Kompliment für den Autor, wenn es mehr Leute und vielleicht auch mehr Gesellschaften gibt, die sich dafür interessieren und darum kümmern. Es geht darum, dass der Autor bekannt ist und bekannter wird, verbreitet und gelesen wird. Das ist ja das Ziel!"

Den Autor noch bekannter zu machen, anzuregen, seine Werke zu lesen, dafür stellt die Fallada-Gesellschaft im Jahr des 60. Todestages des Schriftstellers viel auf die Beine. Eine Podiumsdiskussion speziell für die Carwitzer und Feldberger im April, die Verleihung des Preises der Hans-Fallada-Gesellschaft an einen Schüler der Feldberger Schule, die nach dem Dichter benannt wurde, Buchpräsentationen von neuen Arbeiten zu Fallada und seinem Umfeld und die Fallada-Tage im Juli, zu denen 800 Besucher erwartet werden, stehen auf dem Programm. Doch das Hauptprojekt der Fallada-Gesellschaft ist das Museum in Carwitz, wo die Familie des Schriftstellers lebte. Nach der Wende nahm sie das Museum in ihre Obhut, betreute es zunächst zehn Jahre lang ehrenamtlich. Vor zwei Jahren wurde der 31-jährige Literaturwissenschaftler Stefan Knüppel als hauptamtlicher Leiter engagiert. Im umfangreichen Buchsortiment seines Museums sind alle neuen Arbeiten zu Fallada zu finden – auch die Publikationen des Berliner Fallada-Forums.

Knüppel: "Für mich ist das kein Problem, dass es zwei Vereine gibt. Konkurrenz belebt üblicherweise das Geschäft, und ich hoffe, dass es in näherer oder fernerer Zukunft so sein wird, dass wir auch gemeinsame Projekte in Angriff nehmen. Dazu muss sich aber die Situation vielleicht ein bisschen beruhigen, aber das ist Sache meines Arbeitgebers. Ich bin ja hier sozusagen der Angestellte, der dazu nicht mehr sagen kann als dass er offen ist für Kooperationen jeglicher Art. Wenn man eine gemeinsame Leidenschaft hat, wie es ja offensichtlich ist, nämlich Hans Fallada und dessen Romane, dann bietet sich, wenn man möchte, eine ganze Vielzahl von Möglichkeiten."

Den Streit beilegen durch gemeinsame Projekte – sicher ist das noch Zukunftsmusik, doch im Sinne Falladas wäre es schon. Als er sich während der Zeit des Nationalsozialismus in die innere Emigration zurückzog und in Carwitz lebte und schrieb, sagte er, er wolle "doch nur so ein klein bisschen Anständigkeit unter uns kleinen Leuten". Für Besucher des Museums und der Veranstaltungen ist ohnehin die Person Fallada das Wichtigste, nicht ein irgendein Streit. Und diese Person Fallada nahe zu bringen, gelingt dem Haus unter Stefan Knüppels Leitung immer besser. 12.000 Besucher können nun ganzjährig das Haus besuchen und immer wieder Neues finden.

"Als ich angefangen habe, habe ich mir vorgenommen, das Museum auch um neue Medien zu erweitern und vor allem das Museum bis zum letzten Winkel zugänglich zu machen. Im letzten Jahr haben wir angefangen mit diesem Raum, der hier neben dem Schlafzimmer ist. Das war das Kinderzimmer der Mücke, von Falladas Tochter. Heute beherbergt dieser Raum, der sehr klein ist, eine Sonder- oder Dauerausstellung zum Kinderbuchautoren Hans Fallada. Passt ganz gut, weil es eben das Kinderzimmer der Mücke war. Hier haben die Kinder auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, eine Geschichte zu hören, während die Eltern dann vielleicht sich alles anschauen, Bilder auszumalen, und sich ins Kindergästebuch einzutragen. Und sie könnten sich über die Entstehungsgeschichte der Kinderbücher informieren. Und auch die Kinder finden es dann hoffentlich auch interessant bei uns."

Aus dem Kindergästebuch: "Mir gefällt dieses Zimmer sehr und es ist so gemütlich hier. Es ist erstaunlich, die ganzen alten Sachen zu sehen. Man kann sich gut vorstellen, hier zu wohnen. Ich möchte auch mal so leben. Clara, 11 Jahre."
"Hans Fallada war ein toller Mensch. Jalda, 10 Jahre"
"Die Geschichte von Hoppelpoppel gefällt mir gut. Es ist ein sehr schöner Ort, wo Hans Fallada gelebt hat. Merle, 11 Jahre"

Besonders viel von Fallada findet man im Arbeits- und Wohnzimmer der Familie Ditzen, das bis auf wenige Details originalgetreu erhalten ist – mit den vom Dichter selbst entworfenen, geradlinigen schwarz-roten Möbeln.

Knüppel: "Ja, die Bücherwand, die man dort sehen kann in der Nische des Raumes, ist original. Was leider nicht original ist, zumindest in den meisten Bänden, sind die Bücher. Das liegt daran, dass Fallada vor allem ab 1944/45 anfing, seine sehr wertvolle Erstausgabensammlung, die er hier im Hause hatte, 3500 Bände und mehr, zu verkaufen. Man kann fast sagen: zu verschleudern teilweise, vor allem, um schnell an Geld für sein Morphium und das seiner zweiten Ehefrau zu kommen. Das zeigt auch sehr deutlich, wie tief Fallada zu dieser Zeit in der Morphiumsucht steckte. Denn auf eine solche Idee, die Bücher zu verkaufen, die von all dem leblosen Besitz im Haus sicher sein ideell wertvollster Besitz waren, wäre er ohne dieses Problem sicherlich nicht gekommen. Einige der Bände sind übrigens original, das liegt daran, dass Fallada nicht nur verkauft hat, sondern auch verschenkt, vor allem an seinen ältesten Sohn Uli zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Nach dem Krieg gab es kaum was anderes zu verschenken. Und anders als sein Vater hat er die Bücher nicht verkauft, und über Uli Ditzen haben wir einige Originalbände aus der Sammlung zurück erhalten. Das ist dann wiederum sehr schön. Und der Rest der Bände ist antiquarisch nachgekauft."

Im Obergeschoß des Hauses soll noch in diesem Sommer ein Raum eingerichtet werden, wo man Filmbiographien über Fallada sehen kann. Noch lange nicht, so meint der Museumsleiter, ist so etwas wie ein "Fallada-Bild" fertig. Immer wieder gibt es neue Forschungsarbeiten, werden neue Aspekte im Leben und vor allem zunehmend im literarischen Werk beleuchtet. Stefan Knüppel selbst trägt mit seiner Dissertation ein Stück dazu bei.

"Ich schreibe gerade an meiner Doktorarbeit. Sie ist fast fertig – ich strahle, während ich das sage. Ich schreibe über die Physiognomien in den Romanen Hans Falladas. Wie beschreibt er Gesichter, Mimiken, Gesten, Konstitutionen, Körperbau – und ich untersuche, ob er sich da zeittypischen Klischees unterwirft oder ob er frei davon ist. Es gibt zu Falladas Zeiten noch bestimmte Regeln in der Kriminalistik, denen man zu folgen hatte. Dass man den typischen Verbrecher eben erkennt – an seinem Äußeren. Und Fallada widersetzt sich ganz eindeutig dieser gängigen Praxis in der Kriminalistik noch und beschreibt die meisten Verbrecher als Menschen wie dich und mich – äußerlich. Und geht damit ganz klar von der gängigen Meinung ab, dass es den ‚geborenen Verbrecher’ gäbe."

Weniger Neues zum Werk als viel mehr Neues zur Person Fallada hat Uli Ditzen, der älteste Sohn des Dichters, beizutragen. Vor drei Jahren brachte er das Buch "Mein Vater und sein Sohn" heraus – Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Vater und Sohn aus der Zeit, als Uli in einem Internat wohnte und wöchentlich Briefe geschrieben wurden. Nun, pünktlich zum Jubiläumsjahr 2007, veröffentlicht Uli Ditzen eine Auswahl der Briefe, die sich seine Eltern zwischen 1928 und 1946 schrieben.

"Es ist zum ersten Mal etwas Authentisches, was man hier lesen kann über das, was gewesen ist. Die beiden Erzählungen und Sammlungen ‚Damals bei uns daheim’ und ‚Heute bei uns zu Haus’, in denen er auch aus seiner Jugend und seiner Zeit bei den Eltern berichtet, das sind ja Geschichten, die so gewesen sein können, aber nicht sein müssen. Da schließen die Biographen je nach eigenem Belieben draus: Die Geschichte ist wahr und diese muss aber phantasiert sein! Während die Korrespondenz jetzt zeigt, was wirklich war."

Wenn die Brüder Ditzen im Carwitzer Museum stehen, dann sind sie Zuhause. Beide sind hier aufgewachsen, und viele Erinnerungen hängen an Haus, Garten und Dorf. Beide sind Mitglieder der Hans-Fallada-Gesellschaft, die das Haus gemeinsam mit der Gemeinde in Obhut hat. Mit der Entwicklung ihres Elternhauses zu einem der meistbesuchten Literaturmuseen in Deutschland sind sie sehr zufrieden.

Uli Ditzen. "Einfach sehr! Das können wir uns besser gar nicht vorstellen."
Achim Ditzen: "Das Haus ist in einem baulichen Zustand, wie wir es nie erlebt haben. Wie es nie war. Und was innen gemacht wurde, das ist mit so viel Mühe, mit so viel Gedanken und Aufwand gemacht worden, also, ich kann es nur begrüßen."

Achim und Uli Ditzen stehen im ehemaligen Kinderzimmer ihrer Schwester. In der Vitrine neben ihnen ist ein zotteliges, braunes, in die Jahre gekommenes Plüschtier ausgestellt: Es ist der alte Hoppelpoppel, den viele Kinder und natürlich auch Erwachsene aus Hans Falladas Geschichte "Hoppelpoppel, wo bist du?" kennen.

Achim Ditzen: "Den haben wir doch dem Museum geschenkt, der gehörte uns ja noch. Erst hast du ihn gehabt, dann hab ich ihn gehabt. Dann hat ihn meine Tochter gehabt und dann haben die Enkel auch noch damit gespielt. Damals hoppelte er auch noch, das geht jetzt schon alles gar nicht mehr."
Uli Ditzen: "Hoppelt der nicht mehr?"
Achim Ditzen: "Nee, da dreht sich nichts mehr, das ist alles verrostet und wahrscheinlich auch verbogen."
Uli Ditzen: "Was ich dir nicht schildern kann, das ist die Lage dieses Landhauses. Ein wenig abseits vom Dorf, zwischen Obstbäumen, von hohen Tannen beschirmt, am Ufer eines großen Sees. Mit 15 Schritten sind wir vom Hause am Wasser."

Nicht nur Hoppelpoppel, sondern auch Bücher, Bilder und zahlreiche Einrichtungsgegenstände gaben die Ditzen-Brüder dem Museum. Sie unterstützten auch die Entstehung eines Audioführers, den Uli Ditzen ohne Honorar mit Texten seines Vaters besprach. Das ist ihre Art, das Andenken ihres Vaters zu ehren, ihn einem großen Publikum zugänglich zu machen und Streit mit dem Fallada-Forum unter Werner Liersch zu vermeiden.

Achim Ditzen: "Ich glaube, wir haben uns jetzt mit dem Zustand arrangiert, dass wir beide – er arbeitet an diesem Thema und wir machen das, in unterschiedlicher Art und Weise. Dagegen ist nichts zu sagen, und da gibt es auch keinen Streit. Und den Streit hat es um ganz andere Sachen gegeben. Und wie gesagt: mit Fallada hat das nur als Transportmittel zu tun."
Uli Ditzen: "Wir legen gelegentlich Wert auf die Feststellung, dass die Stasi zu Lebzeiten meines Vaters noch nicht mal gegründet war!"

Carwitz, Mecklenburg, im Frühling. Vielleicht geht es mit dem Streit der beiden Fallada-Gesellschaften wie mit dem Wasser am Carwitzer See: Zuerst wild und schnell und aufgeregt verwandelt es sich bald in eine spiegelglatte, ruhige Oberfläche.

Dass es unter dieser Oberfläche dennoch Dinge zu betrachten gilt, jenseits von aufgeregten Stasi-Debatten, da ist sich der Historiker Jochen Schmidt im Fall Fallada sehr sicher. Und er findet, es könnte spannend werden, den Blick zu weiten.

Schmidt: "”Wenn ich das als Nicht-Literaturwissenschaftler richtig verstanden habe und ihn da richtig gelesen habe, ist ja das große Thema bei Fallada: Gibt es für einen Schriftsteller ein wahres Leben im falschen? Das heißt: Kann ich authentisch schreiben, glaubwürdig schreiben unter den Bedingungen einer Diktatur? Ja, und um Himmel willen, genau das ist das Thema, wenn wir über die DDR-Literatur reden. Also, es gäbe allen Anlass, intensiv über die Vergangenheit zu reden: Über Falladas Vergangenheit und davon abgleitet vielleicht dann auch über die DDR-Vergangenheit, über die DDR-Literatur nochmals neu zu reden. Eine Debatte, die ja Anfang der 90er mit viel Aufgeregtheiten geführt worden ist, wo heute vielleicht auch die Chance besteht, sie nüchterner zu führen, diese Debatte.""