Kleiner Held im großen Spiel
Peter Thorau porträtiert den historischen Lawrence von Arabien, der im Ersten Weltkrieg als Verbindungsoffizier zwischen britischer Armee und arabischen Aufständischen diente. Spannend berichtet er dabei vom Zerfall des Osmanischen Reiches und der Entstehung des Nahen Ostens.
"Lawrence von Arabien" (1888–1935) ist nicht erst seit dem gleichnamigen Hollywoodfilm aus dem Jahr 1962 eine Berühmtheit. Im Ersten Weltkrieg hatte er als Verbindungsoffizier zwischen der in Ägypten stationierten britischen Armee und den arabischen Aufständischen gedient, die von Mekka aus gegen die osmanisch-türkische Herrschaft aufbegehrten. Für die Briten ging es dabei vor allem darum, die Türken von einem Angriff auf den Suez-Kanal abzuhalten.
Während sie den Aufständischen die Unabhängigkeit versprachen, verfolgten sie in Wahrheit ihre eigenen kolonialen Ambitionen. Lawrence, der mit den Arabern sympathisierte, versuchte vergeblich, zwischen den beiden konträren Loyalitäten zu vermitteln. Obwohl er politisch scheiterte, wurde er bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg – größtenteils unfreiwillig – zu einem medialen Star. Ein Engländer, der sich in einen Araber verwandelte und biblische Orte wie Jerusalem und Damaskus mit einer arabischen Armee befreite, war nach dem Geschmack des britischen Publikums.
Aber Lawrence selbst haderte mit seinem Ruhm. Diese Janusköpfigkeit von öffentlicher und privater Figur prägt die Auseinandersetzung mit ihm bis in die Gegenwart. Peter Thorau, Historiker an der Universität Saarbrücken, zeigt nun in einer neuen Biographie, dass "Lawrence von Arabien" ein mehr oder weniger bewusstes Produkt von Thomas Edward Lawrence selbst ist.
Über diese Ausgangsthese lässt sich allerdings streiten. In kaum einem Moment seiner späteren Laufbahn fühlte sich Lawrence mit der öffentlichen Darstellung seiner Person identisch. Die notorische Widerspenstigkeit von Lawrence gegen mediale Vereinnahmung lässt sich schwer mit der Vorstellung vereinbaren, dass Lawrence vor allem ein Hochstapler war, der an den eigenen Legenden kräftig mitgestrickt hat, ohne realhistorisch irgendwie bedeutend gewesen zu sein.
Letzteres ist freilich nicht falsch: Von dem, was Lawrence im Ersten Weltkrieg militärisch und politisch im Nahen Osten bewirkt hat, ist kaum noch etwas übrig. Wer daher Lawrence immer noch als den Befreier der Araber vom "türkischen Joch" sieht, wie es die populäre Darstellung seit jeher will, überschätzt seine historische Bedeutung maßlos, wie Thorau richtig feststellt. Doch bereits im Film von David Lean, der die heroischen Aspekte kräftig ausmalt, erscheint Lawrence als von Zweifeln geprägte Figur – ganz so, wie er sich selbst ungeachtet mancher Übertreibungen in seinem großen Kriegsmemoirenwerk "Die Sieben Säulen der Weisheit" selbst darstellt.
Trägt Thoraus Buch mit Recht den Untertitel "Ein Mann und seine Zeit", so liegen seine Stärken eindeutig auf der Darstellung der historischen Hintergründe. Spannend und nachvollziehbar berichtet Thorau vom Zerfall des Osmanischen Reiches und der Entstehung des Nahen Ostens, wie wir ihn heute kennen. Er stellt dabei zurecht klar, dass Lawrence nur einer von vielen Akteuren in einem "Great Game" war, in dem Deutschland als militärischer Bündnispartner der Osmanen eine entscheidende, heute zu Unrecht vergessene Rolle gespielt hat. Das Leben von Lawrence von Arabien ist überdies ein aktuelles Lehrstück über die Problematik imperialistischer Bestrebungen jeder Art, und seien sie noch so gut gemeint.
Besprochen von Stefan Weidner
Peter Thorau: Lawrence von Arabien. Ein Mann und seine Zeit
C.H. Beck Verlag, München 2010.
224 Seiten, 19,95 Euro
Während sie den Aufständischen die Unabhängigkeit versprachen, verfolgten sie in Wahrheit ihre eigenen kolonialen Ambitionen. Lawrence, der mit den Arabern sympathisierte, versuchte vergeblich, zwischen den beiden konträren Loyalitäten zu vermitteln. Obwohl er politisch scheiterte, wurde er bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg – größtenteils unfreiwillig – zu einem medialen Star. Ein Engländer, der sich in einen Araber verwandelte und biblische Orte wie Jerusalem und Damaskus mit einer arabischen Armee befreite, war nach dem Geschmack des britischen Publikums.
Aber Lawrence selbst haderte mit seinem Ruhm. Diese Janusköpfigkeit von öffentlicher und privater Figur prägt die Auseinandersetzung mit ihm bis in die Gegenwart. Peter Thorau, Historiker an der Universität Saarbrücken, zeigt nun in einer neuen Biographie, dass "Lawrence von Arabien" ein mehr oder weniger bewusstes Produkt von Thomas Edward Lawrence selbst ist.
Über diese Ausgangsthese lässt sich allerdings streiten. In kaum einem Moment seiner späteren Laufbahn fühlte sich Lawrence mit der öffentlichen Darstellung seiner Person identisch. Die notorische Widerspenstigkeit von Lawrence gegen mediale Vereinnahmung lässt sich schwer mit der Vorstellung vereinbaren, dass Lawrence vor allem ein Hochstapler war, der an den eigenen Legenden kräftig mitgestrickt hat, ohne realhistorisch irgendwie bedeutend gewesen zu sein.
Letzteres ist freilich nicht falsch: Von dem, was Lawrence im Ersten Weltkrieg militärisch und politisch im Nahen Osten bewirkt hat, ist kaum noch etwas übrig. Wer daher Lawrence immer noch als den Befreier der Araber vom "türkischen Joch" sieht, wie es die populäre Darstellung seit jeher will, überschätzt seine historische Bedeutung maßlos, wie Thorau richtig feststellt. Doch bereits im Film von David Lean, der die heroischen Aspekte kräftig ausmalt, erscheint Lawrence als von Zweifeln geprägte Figur – ganz so, wie er sich selbst ungeachtet mancher Übertreibungen in seinem großen Kriegsmemoirenwerk "Die Sieben Säulen der Weisheit" selbst darstellt.
Trägt Thoraus Buch mit Recht den Untertitel "Ein Mann und seine Zeit", so liegen seine Stärken eindeutig auf der Darstellung der historischen Hintergründe. Spannend und nachvollziehbar berichtet Thorau vom Zerfall des Osmanischen Reiches und der Entstehung des Nahen Ostens, wie wir ihn heute kennen. Er stellt dabei zurecht klar, dass Lawrence nur einer von vielen Akteuren in einem "Great Game" war, in dem Deutschland als militärischer Bündnispartner der Osmanen eine entscheidende, heute zu Unrecht vergessene Rolle gespielt hat. Das Leben von Lawrence von Arabien ist überdies ein aktuelles Lehrstück über die Problematik imperialistischer Bestrebungen jeder Art, und seien sie noch so gut gemeint.
Besprochen von Stefan Weidner
Peter Thorau: Lawrence von Arabien. Ein Mann und seine Zeit
C.H. Beck Verlag, München 2010.
224 Seiten, 19,95 Euro