Kleiner: Forschungsstandort Deutschland ist gut aufgestellt
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, sieht den Nobelpreis für Physik auch als Indikator für den guten Wissenschaftsstandort Deutschland. Allerdings müssten die Arbeitsbedingungen für die Wissenschaftler so verbessert werden, dass sie auch international attraktiver werden.
Kolkmann: Erst drei Jahre ist es her, dass ein deutscher Physiker den Nobelpreis für Physik bekam. Gestern klingelte schon wieder ein Telefon in einen deutschen Forschungszentrum und die Stockholmer riefen wieder an. Frohe Botschaft für den deutschen Forscher Peter Grünberg, den emeritierten Professor, der unermüdlich weiterforscht und deshalb auch gestern wieder in Jülich im Büro war. Er hat einen Effekt entdeckt, der es möglich macht, große Massen von Daten auf Festplatten zu speichern und diese trotzdem schneller zu machen. Der Nobelpreis für eine Technik, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, und auch der Nobelpreis für den Forschungsstandort Deutschland. Professor Matthias Kleiner ist Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, guten Morgen im DeutschlandRadio Kultur!
Martin Kleiner: Guten Morgen, Frau Kolkmann!
Kolkmann: Professor Kleiner, ist der Forschungsstandort Deutschland viel besser als sein Ruf, also als die Negativschlagzeilen der letzten Jahre glauben machen?
Kleiner: Das möchte ich auch sehr unterstreichen. Ich glaube, dass Preise, insbesondere der Nobelpreis ein Indikator dafür sind, wie gut ein Wissenschaftssystem ist. Der Umkehrschluss, dass, wenn solche Preise vielleicht eine Zeit lang ausbleiben, der Standort nun sehr schlecht geworden ist, der ist nicht zulässig. Es gibt eine ganze Reihe von hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland, die sicherlich ebenso nobelpreiswürdig sind. Wichtig ist immer, dass ein Preis die Richtigen trifft. Aber die Richtigen werden nicht immer mit dem Preis bedacht.
Kolkmann: Nur braucht auch Forschung einen ganz, ganz langen Atem. Peter Grünberg hatte eine Professur auf Lebenszeit. Doch jetzt kann er weiterforschen. Und die Entdeckung ist ja schon 20 Jahre her. Jetzt bekommt er den Nobelpreis. Was sagt das über den aktuellen Zustand der Forschungslandschaft in Deutschland? Eigentlich doch nichts, oder?
Kleiner: Es gibt ja andere Preise, die auch früher vergeben werden. Gerade wenn ich auf die Nobelpreise gucke und unseren Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis angucke, dann sehe ich doch, dass wir eine ganze Reihe von Nobelpreisträgern von [unverständlich] und andere schon vor dem Nobelpreis mit dem Leibnizpreis ausgezeichnet haben, dort einige Jahre vorher schon den richtigen Riecher gehabt haben.
Kolkmann: Wie ist es denn nun einzuschätzen, dass Deutschland auch so attraktiv ist für Studenten aus dem Ausland? Es steht nach den USA und Großbritannien direkt auf Platz 3. Ist es auch schon mit der Exzellenzinitiative zu verdanken?
Kleiner: Das spüren wir sehr, dass die Exzellenzinitiative, die erste Runde liegt ja in ihren Entscheidungen ein Jahr zurück, weltweit große Aufmerksamkeit hervorgerufen hat und das geht bis in die Universitäten hinein. Ich war jetzt erst 14 Tage in Kanada, in den USA, habe Universitäten besucht und habe das genau dort gespürt. Man guckt sehr stark mit der Exzellenzinitiative auf Deutschland, die ja nicht nur einige wenige Universitäten in dieser dritten [unverständlich] besonders auszeichnet, sondern auch exzellent in der Breite fördert. Es sind etwa 30 Universitäten involviert. Und das wird sehr stark wahrgenommen.
Kolkmann: Wird auch wahrgenommen, dass sich an deutschen Universitäten schon viel getan hat in Bezug auf den Bologna-Prozess, was die internationalen Abschlüsse Bachelor und Master angeht?
Kleiner: Das habe ich im Ausland weniger gespürt. Aber ich glaube schon, dass die Kompatibilität dieser Abschlüsse hilfreich sein wird, wenn sie denn hier mit genügend Reformwillen ausgefüllt werden. Es ist ja nicht nur eine formale Umstellung, sondern auch tatsächlich eine Reformierung, teilweise auch Entstaubung der Studiengänge. Wenn das gelingt, ist es, glaube ich, ein großer Erfolg. An manchen Stellen jammern wir natürlich noch etwas und trauern unseren klassischen Diplomabschlüssen hinterher. Das kann ich als Ingenieur-Wissenschaftler gut verstehen. Aber wenn jetzt nun diese Entscheidungen getroffen worden sind, dann sollte man doch mutig und nach vorne blickend darangehen.
Kolkmann: Welchen Stellenwert haben denn bei der Grundlagenforschung neben den Universitäten die Forschungsgemeinschaften wie die DFG, die Max-Planck- oder die Fraunhofer-Gesellschaft? Es gab ja so einige Jahre, da wurden die Universitäten so schlecht geredet und gesagt, das eigentlich wirklich Interessante findet bei diesen Forschungsgemeinschaften statt, die auch mit der Wirtschaft kooperieren.
Kleiner: Es gibt ja ein Konzert der Forschungsorganisationen und Forschungsförderer. Die DFG, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, hat ja im Kern wirklich die Förderung der Universitäten. 85 Prozent des Geldes, das die DFG vergibt, geht in die Universitäten und macht dort etwa 30 Prozent der Forschungsdrittmittel aus. Die DFG forscht ja nicht selbst, sondern fördert Grundlagenforschung in allen Bereichen. Die Universitäten sind mittlerweile aus meiner Sicht doch zunehmend besser vernetzt mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Helmholtz-Gemeinschaft, zu denen das Forschungszentrum Jülich gehört, in dem Herr Grünberg geforscht hat und forscht. Max-Planck-Institute sind eng vernetzt mit Universitäten, ebenso wie die Fraunhofer-Institute. Es gibt keinen Fraunhofer-Institutsdirektor mehr, der nicht gleichzeitig an einer Universität berufen worden ist.
Ich glaube, dass die Vernetzung wesentlich besser geworden ist. Man muss allerdings sehen, dass die Grundausstattung in den Universitäten nach wie vor, ich würde schon sagen, dramatisch schlechter ist als vergleichbare Universitäten in den USA zum Beispiel ausgestattet sind. Hier muss sich mehr tun. Ich denke, allein um die Lehre in den Universitäten zu verbessern, braucht es 20, 30 Prozent mehr Grundausstattung für die Universitäten.
Kolkmann: Aber das toll ausgestattete Labor, der schöne Campus, ersetzt nicht die besten Köpfe.
Kleiner: Nein. Aber es ist eine Voraussetzung dafür. Es ist eine Voraussetzung dafür, dass diese besten Köpfe in Deutschland bleiben, dass junge Leute sich dazu entscheiden, in die Wissenschaft zu gehen und dass wir auch zunehmend die besten Köpfe aus dem Ausland nach Deutschland holen können. Die Ausstattung, die Arbeitsbedingungen, dazu zählen auch die ganzen weichen Faktoren, die Frage, gibt es genügend Freiheit für Wissenschaft. Wie sieht es mit den engen Regeln aus? Müssen wir da nicht mehr Flexibilität haben? Und dann letztendlich auch die Frage der Bezahlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im internationalen Vergleich wirklich hinterher hängt.
Und das ist schon eine große Sorge. Zum Beispiel, dass wir mit der Exzellenzinitiative die besten Köpfe in Deutschland identifizieren, ihnen die Arbeitsbedingungen so gut ausgestalten, dass sie hier hervorragend arbeiten können. Dass wir sie aber auch für den internationalen Wissenschaftlermarkt so sichtbar machen, dass sie dann mit attraktiveren Arbeitsbedingungen und Bezahlungen sehr leicht herausgepickt werden können.
Also da müssen wir, gerade was die Bezahlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeht, doch noch einiges tun. Die DFG ist nach wie vor der Meinung, dass wir in Deutschland einen Wissenschaftstarifvertrag brauchen, der genau diesen Besonderheiten der Arbeit im Wissenschaftsbereich Rechnung trägt.
Kolkmann: Das ist ja noch einmal ein ganz neues Thema, auf das wir mit Sicherheit auch noch öfter zurückkommen werden. Vielen Dank Professor Martin Kleiner! Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Einschätzung des Forschungsstandortes Deutschland nach dem Nobelpreis, den der deutsche Forscher Peter Grünberg bekommen wird.
Martin Kleiner: Guten Morgen, Frau Kolkmann!
Kolkmann: Professor Kleiner, ist der Forschungsstandort Deutschland viel besser als sein Ruf, also als die Negativschlagzeilen der letzten Jahre glauben machen?
Kleiner: Das möchte ich auch sehr unterstreichen. Ich glaube, dass Preise, insbesondere der Nobelpreis ein Indikator dafür sind, wie gut ein Wissenschaftssystem ist. Der Umkehrschluss, dass, wenn solche Preise vielleicht eine Zeit lang ausbleiben, der Standort nun sehr schlecht geworden ist, der ist nicht zulässig. Es gibt eine ganze Reihe von hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland, die sicherlich ebenso nobelpreiswürdig sind. Wichtig ist immer, dass ein Preis die Richtigen trifft. Aber die Richtigen werden nicht immer mit dem Preis bedacht.
Kolkmann: Nur braucht auch Forschung einen ganz, ganz langen Atem. Peter Grünberg hatte eine Professur auf Lebenszeit. Doch jetzt kann er weiterforschen. Und die Entdeckung ist ja schon 20 Jahre her. Jetzt bekommt er den Nobelpreis. Was sagt das über den aktuellen Zustand der Forschungslandschaft in Deutschland? Eigentlich doch nichts, oder?
Kleiner: Es gibt ja andere Preise, die auch früher vergeben werden. Gerade wenn ich auf die Nobelpreise gucke und unseren Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis angucke, dann sehe ich doch, dass wir eine ganze Reihe von Nobelpreisträgern von [unverständlich] und andere schon vor dem Nobelpreis mit dem Leibnizpreis ausgezeichnet haben, dort einige Jahre vorher schon den richtigen Riecher gehabt haben.
Kolkmann: Wie ist es denn nun einzuschätzen, dass Deutschland auch so attraktiv ist für Studenten aus dem Ausland? Es steht nach den USA und Großbritannien direkt auf Platz 3. Ist es auch schon mit der Exzellenzinitiative zu verdanken?
Kleiner: Das spüren wir sehr, dass die Exzellenzinitiative, die erste Runde liegt ja in ihren Entscheidungen ein Jahr zurück, weltweit große Aufmerksamkeit hervorgerufen hat und das geht bis in die Universitäten hinein. Ich war jetzt erst 14 Tage in Kanada, in den USA, habe Universitäten besucht und habe das genau dort gespürt. Man guckt sehr stark mit der Exzellenzinitiative auf Deutschland, die ja nicht nur einige wenige Universitäten in dieser dritten [unverständlich] besonders auszeichnet, sondern auch exzellent in der Breite fördert. Es sind etwa 30 Universitäten involviert. Und das wird sehr stark wahrgenommen.
Kolkmann: Wird auch wahrgenommen, dass sich an deutschen Universitäten schon viel getan hat in Bezug auf den Bologna-Prozess, was die internationalen Abschlüsse Bachelor und Master angeht?
Kleiner: Das habe ich im Ausland weniger gespürt. Aber ich glaube schon, dass die Kompatibilität dieser Abschlüsse hilfreich sein wird, wenn sie denn hier mit genügend Reformwillen ausgefüllt werden. Es ist ja nicht nur eine formale Umstellung, sondern auch tatsächlich eine Reformierung, teilweise auch Entstaubung der Studiengänge. Wenn das gelingt, ist es, glaube ich, ein großer Erfolg. An manchen Stellen jammern wir natürlich noch etwas und trauern unseren klassischen Diplomabschlüssen hinterher. Das kann ich als Ingenieur-Wissenschaftler gut verstehen. Aber wenn jetzt nun diese Entscheidungen getroffen worden sind, dann sollte man doch mutig und nach vorne blickend darangehen.
Kolkmann: Welchen Stellenwert haben denn bei der Grundlagenforschung neben den Universitäten die Forschungsgemeinschaften wie die DFG, die Max-Planck- oder die Fraunhofer-Gesellschaft? Es gab ja so einige Jahre, da wurden die Universitäten so schlecht geredet und gesagt, das eigentlich wirklich Interessante findet bei diesen Forschungsgemeinschaften statt, die auch mit der Wirtschaft kooperieren.
Kleiner: Es gibt ja ein Konzert der Forschungsorganisationen und Forschungsförderer. Die DFG, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, hat ja im Kern wirklich die Förderung der Universitäten. 85 Prozent des Geldes, das die DFG vergibt, geht in die Universitäten und macht dort etwa 30 Prozent der Forschungsdrittmittel aus. Die DFG forscht ja nicht selbst, sondern fördert Grundlagenforschung in allen Bereichen. Die Universitäten sind mittlerweile aus meiner Sicht doch zunehmend besser vernetzt mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Helmholtz-Gemeinschaft, zu denen das Forschungszentrum Jülich gehört, in dem Herr Grünberg geforscht hat und forscht. Max-Planck-Institute sind eng vernetzt mit Universitäten, ebenso wie die Fraunhofer-Institute. Es gibt keinen Fraunhofer-Institutsdirektor mehr, der nicht gleichzeitig an einer Universität berufen worden ist.
Ich glaube, dass die Vernetzung wesentlich besser geworden ist. Man muss allerdings sehen, dass die Grundausstattung in den Universitäten nach wie vor, ich würde schon sagen, dramatisch schlechter ist als vergleichbare Universitäten in den USA zum Beispiel ausgestattet sind. Hier muss sich mehr tun. Ich denke, allein um die Lehre in den Universitäten zu verbessern, braucht es 20, 30 Prozent mehr Grundausstattung für die Universitäten.
Kolkmann: Aber das toll ausgestattete Labor, der schöne Campus, ersetzt nicht die besten Köpfe.
Kleiner: Nein. Aber es ist eine Voraussetzung dafür. Es ist eine Voraussetzung dafür, dass diese besten Köpfe in Deutschland bleiben, dass junge Leute sich dazu entscheiden, in die Wissenschaft zu gehen und dass wir auch zunehmend die besten Köpfe aus dem Ausland nach Deutschland holen können. Die Ausstattung, die Arbeitsbedingungen, dazu zählen auch die ganzen weichen Faktoren, die Frage, gibt es genügend Freiheit für Wissenschaft. Wie sieht es mit den engen Regeln aus? Müssen wir da nicht mehr Flexibilität haben? Und dann letztendlich auch die Frage der Bezahlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im internationalen Vergleich wirklich hinterher hängt.
Und das ist schon eine große Sorge. Zum Beispiel, dass wir mit der Exzellenzinitiative die besten Köpfe in Deutschland identifizieren, ihnen die Arbeitsbedingungen so gut ausgestalten, dass sie hier hervorragend arbeiten können. Dass wir sie aber auch für den internationalen Wissenschaftlermarkt so sichtbar machen, dass sie dann mit attraktiveren Arbeitsbedingungen und Bezahlungen sehr leicht herausgepickt werden können.
Also da müssen wir, gerade was die Bezahlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeht, doch noch einiges tun. Die DFG ist nach wie vor der Meinung, dass wir in Deutschland einen Wissenschaftstarifvertrag brauchen, der genau diesen Besonderheiten der Arbeit im Wissenschaftsbereich Rechnung trägt.
Kolkmann: Das ist ja noch einmal ein ganz neues Thema, auf das wir mit Sicherheit auch noch öfter zurückkommen werden. Vielen Dank Professor Martin Kleiner! Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Einschätzung des Forschungsstandortes Deutschland nach dem Nobelpreis, den der deutsche Forscher Peter Grünberg bekommen wird.