Kleine Siege für die Nachhaltigkeit
Prunus africana – Afrikanisches Stinkholz - heißt ein zu pharmazeutischen Zwecken genutzter Baum in Kamerun. Jahrelang sicherte er denjenigen, die seine Rinde ernteten, Einkommen und einen gewissen Wohlstand. Weil aber der Baum durch Übernutzung vom Aussterben bedroht war, wurde der Export eingestellt – für die Rindenschäler ein herber Schlag. Die meisten befürworten dennoch die Maßnahme, weil sie auf langfristige Erträge setzen.
Das Holzhaus ist geräumig und fast leer. Das lässt sich trotz der Dunkelheit im Inneren erkennen. Der Mann, der an der Tür zur Hütte steht, heißt Joseph Ekati. Als er die Fensterläden öffnet. fällt Licht auf die große Maschine in der Mitte des Raumes.
Es ist eine Häckselmaschine, mit der Baumrinde zerkleinert werden kann. Bezahlt aus Mitteln des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen. Das Holzhaus, in dem der Häcksler steht, haben die Menschen aus den Dörfern der Region gebaut. In einem Nebenraum liegen Macheten, Sicherheitshelme, Seile, Schubkarren.
Joseph Ekati ist Sprecher einer Genossenschaft, zu der sich 14 Dörfer am Fuß des Berges Mount Cameroon zusammengeschlossen haben. Gemeinsam ernten und verkaufen sie die Rinde des Baumes Prunus africana, die in der Region schon immer für ihre Heilkräfte bekannt war. Zum Treffen ist auch sein Kollege Luma Francis Ewome gekommen. Er hat einen Sicherheitshelm und Seile genommen und bahnt sich nun draußen mit der Machete seinen Weg durch dichtes Gestrüpp.
Prunus africana, deutsch: Afrikanisches Stinkholz, heißt der Baum, vor dem die beiden Männer stehen geblieben sind. Bis zu 36 Meter hoch mit dunkler, stark zerfurchter Rinde mit helleren Flecken. Die länglichen Blätter sind dick und lederartig. Die Art gedeiht nur in tropischen Bergregenwäldern, oberhalb einer Höhe von 1500 Metern. Die Flanken des Mount Cameroon sind für den Prunus africana ideal. Der Berg ist 4095 Meter hoch und damit der höchste in Westafrika. Und er liegt in der Nähe des Äquators, es regnet also viel.
Joseph Ekati: "Die Leute hier benutzen seine Rinde für die Behandlung von Malaria und gegen Schmerzen in der Brust. Aber sie hilft auch bei Kopf- oder Magenschmerzen. Die Rinde wird auch noch auf andere Weise genutzt - aber das sind die Anwendungen, die ich kenne. Wenn ich in den Wald gehe und Magenschmerzen kriege, mache ich ein Stück der Rinde ab und kaue sie. Sobald ich den Saft schlucke, geht es mir besser. Wenn ich Fieber habe, koche ich etwas Rinde auf und trinke den Sud. Davon fange ich an zu schwitzen, wenn ich das zwei oder drei Tage lang mache, geht es mir wieder gut."
Während dessen macht sich Luma Francis Ewome daran, den Baum zu erklimmen. Dazu hat er erst einmal das Seil über den untersten Ast geworfen, an dem er sich sichern kann. Dann baut er aus Ästen und Seil eine Leiter, schlägt schließlich die Machete in den Stamm und zieht sich daran Stück für Stück nach oben. Damit will er vorführen, wie Rinde geerntet wird, ohne den Baum zu zerstören. Wegen ihrer medizinischen Wirkung ist sie nicht nur in den Dörfern am Mount Cameroon bekannt und begehrt, sondern auch bei Unternehmen der Pharmaindustrie in Europa. Dort verarbeiten italienische, spanische und französische Firmen Extrakte aus der Rinde in Medikamenten gegen Prostata-Leiden.
Doch seit 2007 wird das große Geschäft mit dem afrikanischen Stinkholz ohne Kamerun gemacht: Denn in diesem Jahr verhängte die Europäische Union ein Importverbot für die Rinde des Prunus africana. Der Grund: Durch die große Nachfrage aus Europa war das Überleben der Art gefährdet. Bis dahin hatte Rindenschäler Luma Francis Ewome einige Jahre lang gut von der Ernte des Baumes gelebt. 2007 war dann Schluss. Dennoch beklagt er sich über das Verbot nicht:
"Ich finde das Importverbot gut. Natürlich leiden wir darunter, weil wir jetzt nichts mehr am Baum verdienen. Aber um das langfristige Überleben der Art zu sichern, gab es keinen anderen Weg. Unsere Regierung muss künftig besser prüfen, wem sie eine Lizenz gibt. Und sie muss besser kontrollieren, ob die Lizenznehmer die Rinde wirklich so ernten, dass der Baum dabei nicht zerstört wird. Aber ich finde, das Verbot könnte jetzt wieder aufgehoben werden. Wir alle haben unsere Lektion daraus gelernt."
Joseph Ekati stimmt zu, verweist aber auch auf die positive Entwicklung, die Bergdörfer durch den Verkauf der Rinde genommen hatten. Denn einen Teil der Erlöse investierte die Genossenschaft in die Infrastruktur. Hier wurden Trinkwasserleitungen gebaut, dort eine Markthalle errichtet, oder das Gemeindehaus renoviert.
Joseph Ekati: "Wenn Sie in die Dörfer gehen, treffen sie viele Eltern, die ihre Kinder früher in die Schule geschickt haben und sie jetzt zu Hause behalten: Sie können Schulbücher und Kleidung nicht mehr bezahlen. Sie haben ordentliche Häuser und einen Fernseher und sie sagen: 'Das alles konnte ich mir nur dank Prunus africana leisten.' Aber nach dem Verbot verschwand das Geld aus den Dörfern."
Obwohl viele Kinder jetzt keine ausreichende Schulbildung erhalten, für manche die Zukunft auf dem Spiel steht, befürwortet Genossenschaftssprecher Joseph Ekati das Importverbot:
"Wir von unserer Genossenschaft wussten immer, dass wir die Bäume nachhaltig nutzen müssen, wenn wir auch in Zukunft vom Verkauf der Rinde leben wollen. Aber dann kamen Leute von auswärts, die einfach nur schnelles Geld machen wollten. Ihnen war unser Wald völlig egal. Wir denken anders. Wir wollen, dass auch künftige Generationen von diesem Rohstoff profitieren."
Damit die Europäische Union das Importverbot aufhebt, muss Kamerun eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die Regierung muss wissenschaftlich gesicherte Daten des verbliebenen Bestands vorlegen, außerdem ein Konzept für die künftige Nutzung. Zudem muss sie nachweisen, dass diese Nutzung den Bestand nicht gefährden wird. Seit 2007 arbeitet die Regierung daran, die Auflagen zu erfüllen. In diesem Jahr soll es soweit sein. Bis dahin müssen die Menschen in den Dörfern auf andere Weise das Geld verdienen, das sie zum Leben brauchen.
Ein Abend am Mount Cameroon. Ein paar Männer sitzen in einer kleinen Hütte am Feuer, kochen Reis mit Soße und wärmen sich die klammen Finger. Die Hütte liegt auf gut 2000 Metern Höhe, da sind die Nächte auch in Kamerun kalt. Die Männer sind mit einer Gruppe von Touristen aufgestiegen, die sich jetzt draußen miteinander unterhalten oder schon im Schlafsack liegen. Sie sitzen auf dem Boden rund um das offene Feuer, das den Herd ersetzt. Weil es in den letzten Tagen viel geregnet hat, ist das Holz durch und durch nass. Die Hütte ist deshalb von beißendem Qualm erfüllt. Aber der ist besser als die Kälte draußen, nur wenige Grad über Null. Luma Francis Ewome wärmt sich auch. Seit er keine Rinde mehr ernten kann, arbeitet er, so oft es geht, als Träger für einen Verein, der am Mount Cameroon Ökotourismus betreibt.
Luma Francis Ewome: "Wir haben nicht viele Touristen, dabei ist die Gegend so schön. Mein Job ist anstrengend, keine Frage. Aber hier, wo wir leben, brauchst du eigentlich für alle Jobs eine Menge Kraft."
Trotzdem ist der Job für ihn nicht nur Broterwerb:
"Ich liebe den Berg. Ich bin am Fuß des Mount Cameroon geboren und aufgewachsen, ich habe immer hier gelebt. Der Gipfel ist oft von Wolken verhangen und erst zu sehen, wenn man fast oben ist. Manchmal reißt die Wolkendecke auf. Dann bleibe ich bis heute stehen und staune über die Schönheit des Berges. Ich stehe einfach da und bewundere ihn. Ich lebe gerne hier. Das ist der Ort, an dem ich sein möchte."
Wenn Francis Luma Ewome als Träger arbeitet, bekommt er am Tag 6000 einheimische Francs, umgerechnet gut neun Euro. Das ist kein schlechter Tagessatz. Aber die Touristensaison dauert wenige Monate im Jahr und selbst in der Hochsaison kommen nur ein paar Reisegruppen im Monat. Zum Leben reicht das Geld, das Ewome und die anderen Träger mit dem Tourismus verdienen, deshalb nicht.
Als Kamerun die Rinde von Prunus africana noch exportieren durfte, verdiente Luma Francis Ewome um die 110 Euro im Monat, abhängig von der Menge, die er lieferte:
"Damals konnten wir uns besseres Essen leisten als jetzt. Ich konnte Geld zurücklegen, sodass ich auch im Notfall immer etwas hatte. Es gab mehr für meine Familie, mehr für meine kleine Tochter. Wenn sie bettelte: 'Papa, ich möchte dies oder jenes', konnte ich ihr das kaufen. Das war einer der Vorteile des guten Lebens, das wir damals hatten."
Jetzt versucht Luma Francis Ewome alles Mögliche, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Er beackert ein kleines Stück Land, arbeitet als Träger für Touristen oder bekommt mit etwas Glück den einen oder anderen Gelegenheitsjob. Dann gräbt der 30-Jährige eine Latrine, hilft beim Hausbau, trägt Lasten - er leistet alle Dienste, die körperliche Kraft erfordern.
Es ist längst dunkel, die Wolkendecke aber aufgerissen. Tief unten im Tal sind die Lichter der Stadt Buea zu erkennen. Die Touristen vor der Hütte stehen in grellbunter Expeditionskleidung zusammen und wärmen ihre Finger an Bechern mit Tee. Ihr Übernachtungsplatz ist denkbar einfach: ein Holzhaus mit einer halben zweiten Ebene als Schlaffläche für alle. Toiletten sind in einem Häuschen ein paar Meter weiter, Waschgelegenheiten gibt es nicht. Aber in der Kälte hier oben denkt sowieso niemand daran, sich zum Waschen auszuziehen.
Zur Gruppe gehören eine Familie aus Alaska, Gäste aus den USA und aus Indien. Immerhin die Familie aus Alaska genießt die Kälte, die sie an zu Hause erinnert. Derzeit quält alle etwas Langeweile: Wege starken Regens sitzen sie seit drei Tagen in der fest.
Ein junges Pärchen erzählt, dass es heute vergeblich versucht hat, auf den Gipfel zu kommen. Wegen Nässe, Kälte und Nebel sind sie kurz vorher umgekehrt. Die Familie aus Alaska will es morgen trotzdem versuchen.
Zurück in der Stadt. Die Häuser von Buea liegen entlang der Hauptverkehrsstraße, flache, einfache Betongebäude, denen das Klima der Tropen zusetzt. Schimmel überzieht die Mauern, in Buea ist es fast immer feucht. Dafür ist die Erde fruchtbar, das Klima für die Landwirtschaft günstig.
Entlang der Straße verkaufen junge Männer Musikkassetten, Frauen alle erdenklichen Arten von Obst und Gemüse: Tomaten, Gurken, Ananas, Bananen und vieles mehr. An dieser Straße hat der Verein für Ökotourismus sein Büro, für den auch Ewome arbeitet - der Träger, der auf die kommende Prunus-Ernte hofft. Mosisa David Ndumbe ist Direktor des Vereins für Ökotourismus. Er sei vom Saulus zum Paulus bekehrt, sagt er zu Beginn des Gesprächs und zitiert damit indirekt aus der Bibel.
David Ndumbe: "Nachdem ich die weiterführende Schule abgeschlossen hatte, fand ich keinen Job. Deshalb schloss ich mich einem Elefantenjäger an, Herrn Wotani. Ich sah keine andere Möglichkeit, als beim Töten der Elefanten mitzumachen."
Das Elfenbein verkaufte er, vom Fleisch eines erlegten Elefanten lebte die Bevölkerung seines Dorfes Tage lang. Außer Elefanten jagten die Wilderer Antilopen, die sie mit Drahtfallen fingen. Wenn sie ihre Beute fanden, trugen sie die Kadaver ins Dorf, trockneten das Fleisch und verkauften es auf dem Markt:
"Dann hatte ich Geld in der Tasche, habe gefeiert und keine Lust mehr, in den Wald zu gehen und nach den anderen Fallen zu sehen. Ich bin vielleicht eine Woche im Dorf geblieben, und wenn ich dann zu den Fallen ging, waren viele der gefangenen Antilopen verfault. Ich habe damals großen Schaden angerichtet und hatte nicht einmal selbst etwas davon. Viel verdient habe ich nicht. Denn es gab Wochen, in denen wir gar nichts fingen."
Deshalb ließ sich Mosisa David Ndumbe gerne zum Ökotourismus bekehren:
"Wenn Du einen Elefanten tötest, verdienst Du einmal am Elfenbein, danach ist Schluss. Aber wenn Du einem Touristen einen lebenden Elefanten zeigen kannst, dann wird der zu Hause davon erzählen. Das zieht weitere Touristen an. Auf diese Weise kann man dann vielleicht dreißig Jahre lang durch einen einzigen Elefanten Geld verdienen. Unsere Tiere hier den Touristen zu zeigen, ist also viel lukrativer, als sie zu töten und die Natur zu zerstören."
Auch Ndumbe macht vieles parallel, um ausreichend Geld zu verdienen: Als Vorsitzender des Ökovereins bekommt er ein kleines Gehalt. Außerdem bestellt er sein Feld am Fuß des Mount Cameroon. Wenn der Handel mit Prunus africana wieder aufgenommen wird, will auch er dort bei der Ernte arbeiten.
Ekati und Ewome schauen bei ihrer Häckselmaschine nach dem Rechten und werfen sie an, damit der Motor nicht einrostet. Am Fuß des Mount Cameroon warten jetzt alle darauf, dass der Handel mit Prunus africana weitergehen kann. Das soll noch in diesem Jahr sein. Die Regierung Kameruns will der EU die nötigen Unterlagen vorlegen, damit die EU das Importverbot aufhebt. Die erlaubte Quote wird allerdings deutlich niedriger sein als vor dem Verbot: voraussichtlich 700 bis 800 Tonnen im Jahr statt 2000 Tonnen wie früher.
Schon jetzt kann Kamerun einige Tonnen des Rohstoffs liefern. Für eine Region im Nordwesten des Landes konnte die Regierung nachweisen, dass der Wald durch die Ernte nicht zerstört wird. Am Mount Cameroon müssen die Menschen noch etwas länger warten, weil die Untersuchungen über die Bestände etwas später aufgenommen wurden. Aber die Geduld dafür haben sie jetzt auch, meinen Ekati und Ewome.
Es ist eine Häckselmaschine, mit der Baumrinde zerkleinert werden kann. Bezahlt aus Mitteln des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen. Das Holzhaus, in dem der Häcksler steht, haben die Menschen aus den Dörfern der Region gebaut. In einem Nebenraum liegen Macheten, Sicherheitshelme, Seile, Schubkarren.
Joseph Ekati ist Sprecher einer Genossenschaft, zu der sich 14 Dörfer am Fuß des Berges Mount Cameroon zusammengeschlossen haben. Gemeinsam ernten und verkaufen sie die Rinde des Baumes Prunus africana, die in der Region schon immer für ihre Heilkräfte bekannt war. Zum Treffen ist auch sein Kollege Luma Francis Ewome gekommen. Er hat einen Sicherheitshelm und Seile genommen und bahnt sich nun draußen mit der Machete seinen Weg durch dichtes Gestrüpp.
Prunus africana, deutsch: Afrikanisches Stinkholz, heißt der Baum, vor dem die beiden Männer stehen geblieben sind. Bis zu 36 Meter hoch mit dunkler, stark zerfurchter Rinde mit helleren Flecken. Die länglichen Blätter sind dick und lederartig. Die Art gedeiht nur in tropischen Bergregenwäldern, oberhalb einer Höhe von 1500 Metern. Die Flanken des Mount Cameroon sind für den Prunus africana ideal. Der Berg ist 4095 Meter hoch und damit der höchste in Westafrika. Und er liegt in der Nähe des Äquators, es regnet also viel.
Joseph Ekati: "Die Leute hier benutzen seine Rinde für die Behandlung von Malaria und gegen Schmerzen in der Brust. Aber sie hilft auch bei Kopf- oder Magenschmerzen. Die Rinde wird auch noch auf andere Weise genutzt - aber das sind die Anwendungen, die ich kenne. Wenn ich in den Wald gehe und Magenschmerzen kriege, mache ich ein Stück der Rinde ab und kaue sie. Sobald ich den Saft schlucke, geht es mir besser. Wenn ich Fieber habe, koche ich etwas Rinde auf und trinke den Sud. Davon fange ich an zu schwitzen, wenn ich das zwei oder drei Tage lang mache, geht es mir wieder gut."
Während dessen macht sich Luma Francis Ewome daran, den Baum zu erklimmen. Dazu hat er erst einmal das Seil über den untersten Ast geworfen, an dem er sich sichern kann. Dann baut er aus Ästen und Seil eine Leiter, schlägt schließlich die Machete in den Stamm und zieht sich daran Stück für Stück nach oben. Damit will er vorführen, wie Rinde geerntet wird, ohne den Baum zu zerstören. Wegen ihrer medizinischen Wirkung ist sie nicht nur in den Dörfern am Mount Cameroon bekannt und begehrt, sondern auch bei Unternehmen der Pharmaindustrie in Europa. Dort verarbeiten italienische, spanische und französische Firmen Extrakte aus der Rinde in Medikamenten gegen Prostata-Leiden.
Doch seit 2007 wird das große Geschäft mit dem afrikanischen Stinkholz ohne Kamerun gemacht: Denn in diesem Jahr verhängte die Europäische Union ein Importverbot für die Rinde des Prunus africana. Der Grund: Durch die große Nachfrage aus Europa war das Überleben der Art gefährdet. Bis dahin hatte Rindenschäler Luma Francis Ewome einige Jahre lang gut von der Ernte des Baumes gelebt. 2007 war dann Schluss. Dennoch beklagt er sich über das Verbot nicht:
"Ich finde das Importverbot gut. Natürlich leiden wir darunter, weil wir jetzt nichts mehr am Baum verdienen. Aber um das langfristige Überleben der Art zu sichern, gab es keinen anderen Weg. Unsere Regierung muss künftig besser prüfen, wem sie eine Lizenz gibt. Und sie muss besser kontrollieren, ob die Lizenznehmer die Rinde wirklich so ernten, dass der Baum dabei nicht zerstört wird. Aber ich finde, das Verbot könnte jetzt wieder aufgehoben werden. Wir alle haben unsere Lektion daraus gelernt."
Joseph Ekati stimmt zu, verweist aber auch auf die positive Entwicklung, die Bergdörfer durch den Verkauf der Rinde genommen hatten. Denn einen Teil der Erlöse investierte die Genossenschaft in die Infrastruktur. Hier wurden Trinkwasserleitungen gebaut, dort eine Markthalle errichtet, oder das Gemeindehaus renoviert.
Joseph Ekati: "Wenn Sie in die Dörfer gehen, treffen sie viele Eltern, die ihre Kinder früher in die Schule geschickt haben und sie jetzt zu Hause behalten: Sie können Schulbücher und Kleidung nicht mehr bezahlen. Sie haben ordentliche Häuser und einen Fernseher und sie sagen: 'Das alles konnte ich mir nur dank Prunus africana leisten.' Aber nach dem Verbot verschwand das Geld aus den Dörfern."
Obwohl viele Kinder jetzt keine ausreichende Schulbildung erhalten, für manche die Zukunft auf dem Spiel steht, befürwortet Genossenschaftssprecher Joseph Ekati das Importverbot:
"Wir von unserer Genossenschaft wussten immer, dass wir die Bäume nachhaltig nutzen müssen, wenn wir auch in Zukunft vom Verkauf der Rinde leben wollen. Aber dann kamen Leute von auswärts, die einfach nur schnelles Geld machen wollten. Ihnen war unser Wald völlig egal. Wir denken anders. Wir wollen, dass auch künftige Generationen von diesem Rohstoff profitieren."
Damit die Europäische Union das Importverbot aufhebt, muss Kamerun eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die Regierung muss wissenschaftlich gesicherte Daten des verbliebenen Bestands vorlegen, außerdem ein Konzept für die künftige Nutzung. Zudem muss sie nachweisen, dass diese Nutzung den Bestand nicht gefährden wird. Seit 2007 arbeitet die Regierung daran, die Auflagen zu erfüllen. In diesem Jahr soll es soweit sein. Bis dahin müssen die Menschen in den Dörfern auf andere Weise das Geld verdienen, das sie zum Leben brauchen.
Ein Abend am Mount Cameroon. Ein paar Männer sitzen in einer kleinen Hütte am Feuer, kochen Reis mit Soße und wärmen sich die klammen Finger. Die Hütte liegt auf gut 2000 Metern Höhe, da sind die Nächte auch in Kamerun kalt. Die Männer sind mit einer Gruppe von Touristen aufgestiegen, die sich jetzt draußen miteinander unterhalten oder schon im Schlafsack liegen. Sie sitzen auf dem Boden rund um das offene Feuer, das den Herd ersetzt. Weil es in den letzten Tagen viel geregnet hat, ist das Holz durch und durch nass. Die Hütte ist deshalb von beißendem Qualm erfüllt. Aber der ist besser als die Kälte draußen, nur wenige Grad über Null. Luma Francis Ewome wärmt sich auch. Seit er keine Rinde mehr ernten kann, arbeitet er, so oft es geht, als Träger für einen Verein, der am Mount Cameroon Ökotourismus betreibt.
Luma Francis Ewome: "Wir haben nicht viele Touristen, dabei ist die Gegend so schön. Mein Job ist anstrengend, keine Frage. Aber hier, wo wir leben, brauchst du eigentlich für alle Jobs eine Menge Kraft."
Trotzdem ist der Job für ihn nicht nur Broterwerb:
"Ich liebe den Berg. Ich bin am Fuß des Mount Cameroon geboren und aufgewachsen, ich habe immer hier gelebt. Der Gipfel ist oft von Wolken verhangen und erst zu sehen, wenn man fast oben ist. Manchmal reißt die Wolkendecke auf. Dann bleibe ich bis heute stehen und staune über die Schönheit des Berges. Ich stehe einfach da und bewundere ihn. Ich lebe gerne hier. Das ist der Ort, an dem ich sein möchte."
Wenn Francis Luma Ewome als Träger arbeitet, bekommt er am Tag 6000 einheimische Francs, umgerechnet gut neun Euro. Das ist kein schlechter Tagessatz. Aber die Touristensaison dauert wenige Monate im Jahr und selbst in der Hochsaison kommen nur ein paar Reisegruppen im Monat. Zum Leben reicht das Geld, das Ewome und die anderen Träger mit dem Tourismus verdienen, deshalb nicht.
Als Kamerun die Rinde von Prunus africana noch exportieren durfte, verdiente Luma Francis Ewome um die 110 Euro im Monat, abhängig von der Menge, die er lieferte:
"Damals konnten wir uns besseres Essen leisten als jetzt. Ich konnte Geld zurücklegen, sodass ich auch im Notfall immer etwas hatte. Es gab mehr für meine Familie, mehr für meine kleine Tochter. Wenn sie bettelte: 'Papa, ich möchte dies oder jenes', konnte ich ihr das kaufen. Das war einer der Vorteile des guten Lebens, das wir damals hatten."
Jetzt versucht Luma Francis Ewome alles Mögliche, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Er beackert ein kleines Stück Land, arbeitet als Träger für Touristen oder bekommt mit etwas Glück den einen oder anderen Gelegenheitsjob. Dann gräbt der 30-Jährige eine Latrine, hilft beim Hausbau, trägt Lasten - er leistet alle Dienste, die körperliche Kraft erfordern.
Es ist längst dunkel, die Wolkendecke aber aufgerissen. Tief unten im Tal sind die Lichter der Stadt Buea zu erkennen. Die Touristen vor der Hütte stehen in grellbunter Expeditionskleidung zusammen und wärmen ihre Finger an Bechern mit Tee. Ihr Übernachtungsplatz ist denkbar einfach: ein Holzhaus mit einer halben zweiten Ebene als Schlaffläche für alle. Toiletten sind in einem Häuschen ein paar Meter weiter, Waschgelegenheiten gibt es nicht. Aber in der Kälte hier oben denkt sowieso niemand daran, sich zum Waschen auszuziehen.
Zur Gruppe gehören eine Familie aus Alaska, Gäste aus den USA und aus Indien. Immerhin die Familie aus Alaska genießt die Kälte, die sie an zu Hause erinnert. Derzeit quält alle etwas Langeweile: Wege starken Regens sitzen sie seit drei Tagen in der fest.
Ein junges Pärchen erzählt, dass es heute vergeblich versucht hat, auf den Gipfel zu kommen. Wegen Nässe, Kälte und Nebel sind sie kurz vorher umgekehrt. Die Familie aus Alaska will es morgen trotzdem versuchen.
Zurück in der Stadt. Die Häuser von Buea liegen entlang der Hauptverkehrsstraße, flache, einfache Betongebäude, denen das Klima der Tropen zusetzt. Schimmel überzieht die Mauern, in Buea ist es fast immer feucht. Dafür ist die Erde fruchtbar, das Klima für die Landwirtschaft günstig.
Entlang der Straße verkaufen junge Männer Musikkassetten, Frauen alle erdenklichen Arten von Obst und Gemüse: Tomaten, Gurken, Ananas, Bananen und vieles mehr. An dieser Straße hat der Verein für Ökotourismus sein Büro, für den auch Ewome arbeitet - der Träger, der auf die kommende Prunus-Ernte hofft. Mosisa David Ndumbe ist Direktor des Vereins für Ökotourismus. Er sei vom Saulus zum Paulus bekehrt, sagt er zu Beginn des Gesprächs und zitiert damit indirekt aus der Bibel.
David Ndumbe: "Nachdem ich die weiterführende Schule abgeschlossen hatte, fand ich keinen Job. Deshalb schloss ich mich einem Elefantenjäger an, Herrn Wotani. Ich sah keine andere Möglichkeit, als beim Töten der Elefanten mitzumachen."
Das Elfenbein verkaufte er, vom Fleisch eines erlegten Elefanten lebte die Bevölkerung seines Dorfes Tage lang. Außer Elefanten jagten die Wilderer Antilopen, die sie mit Drahtfallen fingen. Wenn sie ihre Beute fanden, trugen sie die Kadaver ins Dorf, trockneten das Fleisch und verkauften es auf dem Markt:
"Dann hatte ich Geld in der Tasche, habe gefeiert und keine Lust mehr, in den Wald zu gehen und nach den anderen Fallen zu sehen. Ich bin vielleicht eine Woche im Dorf geblieben, und wenn ich dann zu den Fallen ging, waren viele der gefangenen Antilopen verfault. Ich habe damals großen Schaden angerichtet und hatte nicht einmal selbst etwas davon. Viel verdient habe ich nicht. Denn es gab Wochen, in denen wir gar nichts fingen."
Deshalb ließ sich Mosisa David Ndumbe gerne zum Ökotourismus bekehren:
"Wenn Du einen Elefanten tötest, verdienst Du einmal am Elfenbein, danach ist Schluss. Aber wenn Du einem Touristen einen lebenden Elefanten zeigen kannst, dann wird der zu Hause davon erzählen. Das zieht weitere Touristen an. Auf diese Weise kann man dann vielleicht dreißig Jahre lang durch einen einzigen Elefanten Geld verdienen. Unsere Tiere hier den Touristen zu zeigen, ist also viel lukrativer, als sie zu töten und die Natur zu zerstören."
Auch Ndumbe macht vieles parallel, um ausreichend Geld zu verdienen: Als Vorsitzender des Ökovereins bekommt er ein kleines Gehalt. Außerdem bestellt er sein Feld am Fuß des Mount Cameroon. Wenn der Handel mit Prunus africana wieder aufgenommen wird, will auch er dort bei der Ernte arbeiten.
Ekati und Ewome schauen bei ihrer Häckselmaschine nach dem Rechten und werfen sie an, damit der Motor nicht einrostet. Am Fuß des Mount Cameroon warten jetzt alle darauf, dass der Handel mit Prunus africana weitergehen kann. Das soll noch in diesem Jahr sein. Die Regierung Kameruns will der EU die nötigen Unterlagen vorlegen, damit die EU das Importverbot aufhebt. Die erlaubte Quote wird allerdings deutlich niedriger sein als vor dem Verbot: voraussichtlich 700 bis 800 Tonnen im Jahr statt 2000 Tonnen wie früher.
Schon jetzt kann Kamerun einige Tonnen des Rohstoffs liefern. Für eine Region im Nordwesten des Landes konnte die Regierung nachweisen, dass der Wald durch die Ernte nicht zerstört wird. Am Mount Cameroon müssen die Menschen noch etwas länger warten, weil die Untersuchungen über die Bestände etwas später aufgenommen wurden. Aber die Geduld dafür haben sie jetzt auch, meinen Ekati und Ewome.