Kleine Hersteller suchen eine Nische

Von Po Keung Cheung · 03.01.2011
Eine Berliner Filiale der Buchhandelskette Thalia. Regalwände voller Bestseller, Auslagen mit Schnäppchen, diverse Leseecken – und mittendrin die Neuheit: ein eBook-Reader. Keiner der großen Marken wie Sony oder iRiver. Es stammt von Thalia selbst und trägt den Namen "Oyo". Ditmar Masuch von Thalia Berlin - ganz der Verkäufer:
"Thalia hatte immer den Anspruch, Traditionsbuchhändler zu sein, daneben aber auch Innovation auch als "first mover" zu bewegen. Deshalb auch der Gedanke, ein preiswertes Gerät, was im Handling einfach ist, also nicht Technik affine User anspricht, auf den Markt zu bringen."
"Preiswert" heißt: 139 Euro. Günstiger als vergleichbare Markengeräte, aber auch nicht billiger als Amazons "Kindle". Anders als beim US-Gerät ist der Oyo-Leser immerhin nicht an den eigenen Händler gebunden, sondern kann auch woanders gekaufte eBooks lesen, abgesehen davon, dass es bei Amazon kaum deutschsprachige Bücher gibt. Ansonsten, wie gehabt: Der Reader bietet per WLAN direkten Zugang zum Online-Shop, eBooks teils günstiger als gedruckt. Der eingebaute Internet-Browser ist Nebensache. Der Kunde wolle lieber bequem lesen, sagt Henriette Schulz von Thalia.

""Gerade für Vielleser ist es halt praktisch, nicht so einen Riesen-Wälzer mitzuschleppen, den man in der U-Bahn zum Beispiel lesen will, sondern sich einfach den Oyo in die Tasche zu stecken und das ist auch der Vorzug, den mir die Kunden immer sagen."


Zwei-Gigabyte-Speicher für rund 1.000 Bücher, 8000-mal Umblättern mit einer Akkuladung, das kann die Verkäuferin inzwischen auswendig. Damit spricht sie eine wichtige Eigenschaft der speziellen schwarz-weißen Display-Technologie an, die bei den meisten Readern zum Einsatz kommt: Sie verbraucht nur dann Strom, wenn sich auf Bildschirm etwas verändert. Außerdem wirkt die Darstellung wie ein gedruckter Text, was angenehm beim Lesen ist. Das Ziel ist klar: Thalia will im Markt der Großen mitspielen. Schon im Frühjahr soll das nächste Modell folgen, eines, das den schnellen mobilen Internetstandard UMTS unterstützt.

Von solch schneller Entwicklung ist das Start-Up-Unternehmen "txtr" aus Berlin-Mitte dagegen weit entfernt. Sein Mitte 2009 angekündigter eBook-Reader hat bis heute nicht den Weg in die Läden gefunden. Waren es anfangs Hard- und Software-Probleme, so ist es heute der Rückstand gegenüber anderen Herstellern. Das muss auch txtr-Entwicklungsmanager Ulrik Deichsel zugeben.

"Den Reader haben wir vor drei Jahren entwickelt, als es schlichtweg kaum noch Geräte gab, inzwischen hat sich der Markt gewandelt, es eine Vielzahl von Geräten und damit ist der txtr-Reader nur eines von Vielen."

Der Preis von 300 Euro ist zudem nicht mehr konkurrenzfähig – an eine Senkung ist angesichts der hohen Entwicklungs- und Produktionskosten aber nicht zu denken. Dabei hätte das Gerät technisch Potenzial: Er hat UMTS und ist dank offener Plattform durch Apps erweiterbar. Wohl auch deshalb will txtr das Projekt nicht endgültig aufgeben und sucht Partner. Währenddessen verdient die Firma Geld mit dem zweiten Standbein, mit einer Verkaufsplattform für eBooks, die auf Websites und als Software auf verschiedenen Geräten, etwa "Apple", "Asus" oder "Pocketbook" läuft. Auch hier funktioniert es nicht allein.

"Unsere Verhandlungsposition ist im klassischen Handelsgeschäft natürlich nicht so stark, wenn wir alleine auftreten, deshalb sind wir aber in Partnerschaft mit großen Handelspartnern, wodurch wir das wieder wettmachen könnten."

Ulrik Deichsel mimt den Optimisten, anders geht es wohl auch nicht. Motto: "Kannst Du den Gegner nicht besiegen, dann verbünde Dich mit ihm". Bislang scheint das Konzept zu funktionieren.

Ob "4tiitoo" aus München genauso viel Glück hat, ist dagegen fraglich. Vollmundig kündigte das Unternehmen mit dem Berliner Partner "neofonie" im März 2010 den Tablet-Computer "WeTab" an, als deutsche Antwort auf Apples "iPad" – und erlitt Schiffbruch: Die Presse sah anfangs nur einen unfertigen Prototypen, die ersten Käufer klagten über fehlerhafte, unvollständige Funktionen, dann verfasste der "neofonie"-Chef im Internet unter falschem Namen peinliches Eigenlob. Pech für ihn, dass alles herauskam. Es folgte der Rücktritt, heute ist "neofonie" nicht mehr beteiligt. Für den geistigen Kopf des Tablets, 4tiitoo-Geschäftsführer Tore Meyer, ist die Pannenserie mehr als ärgerlich.

"Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einige Fettnäpfchen mitgenommen und das war natürlich nicht das Ziel, als wir 2007 damit angefangen haben. Und jetzt ist einfach die Aufgabe für uns, sagen wir mal, das Produkt auch wieder in den Vordergrund zu stellen, weil das Feedback, was wir zum Produkt selbst kriegen, ist einfach, dass es gut läuft und funktioniert."

Immerhin arbeitet die neue Firmware tatsächlich besser, versprochene Funktionen wie Multitouch sind jetzt vorhanden. Trotzdem ist das "WeTab" von der Leistung der Konkurrenz Apple, Samsung und Co. noch weit entfernt. Angekündigte Magazine und Zeitungen fehlen auch. Darum sollte sich "neofonie" kümmern. Aber seit dem Ausstieg ist davon keine Rede mehr. Trotzdem bleibt 4tiitoo-Geschäftsführer Tore Meyer optimistisch. Der boomende Markt habe Platz auch für kleine Anbieter:

"Unser Ziel ist es ganz klar: Eine der Marken im Tablet-Bereich zu werden. Also es ist nicht der Ansatz, dass wir uns jetzt irgendwo ein Produkt geschnappt haben, schnell auf den Zug aufgesprungen sind und versuchen, eine gewisse Stückzahl irgendwo abzusetzen, sondern wir wollen langfristig dieses Produkt vorantreiben, es sind dementsprechend auch schon Erweiterungen, andere Geräteklassen et cetera, in der Konzeptionierung, noch nicht in der Entwicklung und wir wollen uns da langfristig etablieren."

Auch wenn Potenzial da ist: Die "Davids" haben es gegen die "Goliaths" schwer. Wer am Ende übrig bleibt, wird der Käufer entscheiden. Glück für jene, die im heiß umkämpften Markt ihre Nische finden.