Kleine Angel-Phänomenologie in poetischer Gestalt

09.07.2009
Andreas Möller erzählt in "Traumfang. Eine Geschichte vom Angeln" von der gemeinsamen Angel-Leidenschaft, die einen Vater und seinen Sohn in der DDR der späten 70er- und frühen 80er-Jahre verbindet. Der Rückzug ins Private, in eine Idylle, die aktuelle Ereignisse scheinbar ausblendet, wird geschildert.
Es wirkt wie eine zeitlose Idylle, wie vollkommene Eintracht zwischen Mensch und Natur, zwischen einem Sohn und seinem Vater. Diese beiden verbindet in Andreas Möllers Roman "Traumfang. Eine Geschichte" eine leicht anachronistische Leidenschaft für eben diesen stillen Sport: das Angeln. So oft es geht, sitzen der jugendliche Ich-Erzähler und sein Vater am Ufer eines mecklenburgischen Sees, befestigen Würmer, Korkposen oder andere – kaum dem Namen nach bekannte - Spezialausrüstungen, an Angelhaken, schleudern sie ins Wasser und warten, bis die Beute anbeißt: Schleie und Hechte zumeist.

Der Roman spielt in den späten 70er- und in den 80er-Jahren und er spielt in der ehemaligen DDR. Aber nur wie ein sehr fernes Gewitterleuchten machen sich Gesellschaft und Politik in der Romanhandlung bemerkbar. Sie ist eng fokussiert auf ein Stück Ostsee-Landschaft, den Darß, und die Mecklenburgische Seenplatte, auf eine kleine Binnengesellschaft von Zeltern, Anglern und Datschen-Bewohnern, die scheinbar mit dem Rücken zur Stadt und mit dem Rücken zu aktuellen Ereignissen der Naturliebe nachgehen.

In dieser Diskrepanz zwischen stillen Gewässern und unsichtbaren politischen Stürmen, zwischen Idylle und jähen Veränderungen liegt der Reiz der Erzählung. Andreas Möller betrachtet das Leben in der DDR aus einer völlig unbekannten, überraschenden und höchst privaten Perspektive: der des Angelns.

Dass es in Wahrheit keine unberührte Idylle und keine vollständige Harmlosigkeit geben kann, deutet der Erzähler durch seine Organisation literarischer Motive an: Der angelbegeisterte Junge nimmt an einem bäuerlichen Schlachtfest teil und erkennt, dass das blutige Schlachten eines Schweins zwar brutaler aussieht als das Fangen und Erlegen eines Fisches, aber eigentlich nichts anderes ist. Auch das kleine Glück der naturbegeisterten DDR-Familie mit ihren Rückzugsorten ist bedroht, denn eines Tages holt der Vater den Jungen zum Angeln bei der Mutter ab, mit der er nicht mehr zusammenlebt.

Dem 1974 in Rostock geborenen Autor Andreas Möller gelingt es, mit einem ruhigen, fließenden Erzählton eine kleine Phänomenologie des Angelns in poetischer Gestalt zu formen.

Besprochen von Ursula März

Andreas Möller Traumfang. Eine Geschichte vom Angeln
Ullstein Verlag, Berlin 2009
173 Seiten, 18,50 Euro