Klavierstimmer Franz Mohr

Der Mann, der bei Glenn Gould den Ton angab

Der Pianist Glenn Gould im Oktober 1965.
Der Pianist Glenn Gould im Oktober 1965. © imago/ZUMA Press/Harold Whyte
Von Horst Senker · 18.09.2017
Der Klaviertechniker Franz Mohr hat mit Glenn Gould, Arthur Rubinstein und Wladimir Horowitz zusammengearbeitet. Heute wird der Rheinländer 90 Jahre alt – und erzählt uns einige Anekdoten aus der Arbeit mit den großen Meistern.
Vor großen Konzerten hat Franz Mohr alleine auf den Bühnen der Welt gestanden. "Ich spielte mehr in der Carnegie Hall als irgendjemand anders", sagt der gebürtige Rheinländer, "aber niemand hörte mir zu." Vorher hat er eine Ausbildung beim renommierten Klavierbauer Rudolf Ibach in Schwelm bei Wuppertal absolviert.
"Da die meisten Pianisten nur Steinway spielen, habe ich sofort mit Steinway gearbeitet."
Franz Mohr bewirbt sich bei Steinway & Sons in New York und wandert 1962 mit seiner Familie in die USA aus.
Konzerttechniker Franz Mohr mit dem Pianist Li Yundi anlässlich der Signierung auf einem Steinway & Sons Klavier in New Jersey 2006.
Konzerttechniker Franz Mohr mit dem Pianist Li Yundi anlässlich der Signierung auf einem Steinway & Sons Klavier in New Jersey 2006.© imago / Xinhua
"Die Steinways Familienbetrieb, noch immer, die waren so nett zu uns, haben uns sogar am Schiff abgeholt, wir sind auf die alte Art und Weise ausgewandert, auf einem Schiff, die alte Hanseatic und sind wir nach New York gekommen. Wir hatten elf Koffer und kamen da an und die hatten ne Wohnung für uns und es hat alles wunderbar geklappt."
In New York muss Franz Mohr die Steinway-Flügel "konzertbereit" halten, er ist für den tadellosen Zustand des Instruments verantwortlich und gleichzeitig Betreuer der oft hochempfindsamen Künstler.

"Ich war ungeheuer nervös"

Zu den Pianisten, die von Steinway and Sons betreut werden, gehört Glenn Gould. Er ist der erste grosse Pianist, für den Franz Mohr tätig werden muss, nach einem Missgeschick seines Vorgängers Bill Hupfer.
"Bill kam rein in die Recording Session und legte seine Hand auf seine Schulter und sagte: 'How are you today?'. Was denkst Du, was passiert ist? Die Schulter war verrenkt und hat Steinway angeklagt für 750.000 Dollar. Da kannst Du dir vorstellen, wie oft Steinway mir sagte: 'Franz, bitte, bitte, du stimmst nur, rühre ihn nicht an.'"
Nicht unproblematisch ist auch die erste Begegnung zwischen Franz Mohr und dem jüdischen Pianisten Arthur Rubinstein. Rubinstein hatte nach dem Krieg erklärt, er werde nie wieder in Deutschland auftreten.
Der Pianist Arthur Rubinstein (ca.1975)
Der Pianist Arthur Rubinstein (ca.1975) © imago / Leemage
"Ich war ungeheuer nervös, als Deutscher für Rubinstein zu stimmen... Wie wird er mich annehmen und so weiter? Und das erste Konzert war Yale University in New Haven in Amerika, da traf ich ihn zum ersten Mal und er war so nett zu mir: 'Und schönen Dank, dass Du es machst.' Und über die Jahre wurden wir dicke Freunde."
Höchste Wertschätzung durch Arthur Rubinstein erfährt Franz Mohr, als der Maestro beginnt, mit ihm Deutsch zu sprechen. Den Namen Rubinstein darf Franz Mohr allerdings nie im Beisein des Pianisten Wladimir Horowitz erwähnen.

Ungeheure Probleme mit Menschen

Die schwierigste Sache war vielleicht im Anfang mit Horowitz, denn der hatte seine ungeheuren Probleme mit Menschen, und es gab ein ungeschriebenes Gesetz bei Steinway, wenn du beruflich mit Horowitz zu tun hattest und der dich ablehnte als Mensch, da war das Ende deiner Karriere da, dann hast du dich auch bei Steinway nicht halten können.
Franz Mohr kann sich ohne weiteres halten. Sein Chef bescheinigt ihm großes fachliches Können und ein unendliches Taktgefühl gegenüber den Künstlern. Er drängt sich auch nie nach vorne. Überlebenswichtig in diesem Metier.
Handwerklich sorgt Franz Mohr als Mann mit der Stimmgabel für eine Weiterentwicklung der Pianotechnik und verhilft den maestros zu den Klangfarben, die sie sich vorstellen. Das zeichnet ihn aus und das führt zu so innigen Beziehungen wie zu Wladimir Horowitz.
"Ich war Teil der Familie, zu dem Punkt, dass Horowitz manchmal sagte: 'Franz, Du bist die wichtigste Person hier vor meinem Konzert. Nein, nein, sag ich Meister, das sind sie, was ist der beste Steinway wenn er doch schweigt, nicht wahr.'"
Im November 1989 stirbt mit Wladimir Horowitz der letzte der großen Meister, die Franz Mohr betreut hat.

"Nicht schlecht für einen alten Mann"

"Ich vermisse ihn sehr, dass er zum Beispiel von der Bühne herunterkam und sagte: Franz, nicht schlecht für einen alten Mann und sagte, ein paar falsche Noten, sage ich, Meister, ist fantastisch, ist ein Livekonzert, mach dir keine Sorgen, da gehören ein paar hin, er hatte einen ungeheuren Sinn für Humor."
Viele Jahre lässt Franz Mohr mit größter Sorgfalt Flügel reisefertig machen, so vorsichtig wie ein Baby, mit dem man an einem kalten Tag an die frische Luft gehen will. Zwischenzeitlich wollte er schon kürzer treten. Als Repräsentant von Steinway ist er aber ebenso geschätzt wie als unterhaltsamer Vortragskünstler, der seine Begegnungen aus der Konzertwelt Revue passieren lässt.
So wird er auch über seinen 90. Geburtstag hinaus unterwegs sein und im Frühjahr auch mal wieder nach Europa kommen und seine alte vertraute Heimat im Rheinland besuchen.
"Es geht weiter, ich möchte mit meinem Stimmhammer in der Hand heimgehen."
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