Klaus von Dohnanyi über die Elbphilharmoniie

"Sieg der Geduld über Fehlplanung und zu hohe Kosten"

Der Dirigent Thomas Hengelbrock (M) und das NDR Elbphilharmonie Orchester verneigen sich beim Schlussapplaus nach dem Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie in Hamburg.
Eröffnung der Elbphilharmonie © picture-alliance / dpa / Christian Charisius
12.01.2017
Die Hamburger Elbphilharmonie ist offiziell eröffnet. Nach Meinung von Musik-Experten sucht die Akustik des großen Saales ihresgleichen. Auch Premierenbesucher Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Erster Bürgermeister der Stadt, zeigt sich beeindruckt vom Klangerlebnis.
Zur Eröffnung der Elbphilharmonie durften auch ehemalige Bürgermeister der Hansestadt wie Klaus von Dohnanyi nicht fehlen. Der zeigte sich im Deutschlandradio Kultur begeistert über Architektur und Klang des neuen Konzerthauses.
"Es war eine Feier dieses späten Sieges einer Geduld über Widerstand, Fehlplanung und zu hohe Kosten."
Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg (SPD), aufgenommen am 19.02.2012 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner Spezial" zum Thema: "Wulffs Rücktritt - wer traut sich jetzt noch Präsident?" im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden.
Unter den Konzertbesuchern: Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg.© picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler

Die "gnadenlose" Akustik beschert wundervolle Hörerlebnisse

Zur besonderen, von manchem Experten als "gnadenlos" bezeichneten Akustik des Raumes sagte von Dohnanyi, aus allen Ecken des Saales seien verschiedene Sänger mit Musik unterschiedlichster Epochen zu hören gewesen – "es war wirklich alles da, was man überprüfen und hören konnte. Und Sie haben Recht: Die Akustik ist wirklich ungewöhnlich, sehr stark. Aber wenn man einen Countertenor aus dieser Entfernung so – mit jedem Wort – hört und versteht, dann weiß man schon, dass die Akustik hier ein wundervolles Gelingen ist."
Verglichen mit anderen hochrangigen Konzertsälen wie etwa der Berliner Philharmonie, sei die Elbphilharmonie "ganz anders – und natürlich steht sie im Zwang ihrer gebäudlichen Einschränkung." Das Gebäude sei wundervoll, der Saal sei herrlich. Doch da sie ins Wasser gebaut sei, gebe es aufgrund baulicher Zwänge Beschränkungen im Zugang, der eben nicht ebenerdig sei, wie etwa in der Berliner Philharmonie. Dies könnte beispielsweise zum Problem für die Älteren unter den Konzertbesuchern werden. Hier und dort werde sicherlich im Laufe der Zeit noch nachgebessert werden müssen.

Auch Hans Dieter Heimendahl, Programmchef von Deutschlandradio Kultur, hat das Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie besucht. Seine Eindrücke hat er im "Studio 9" geschildert.
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Hier können Sie das ganz Gespräch mit Klaus von Dohnanyi nachlesen:
Liane von Billerbeck: Was für ein Abend gestern in der Hamburger Elbphilharmonie - nach zehn Jahren Bauzeit und 789 Millionen Euro Baukosten ist sie gestern Abend offiziell eröffnet worden. Vielleicht haben Sie ja auch reingehört - bei uns im Programm wurde das Konzert gestreamt - oder es auch ganz direkt im Fernsehen gesehen, und einer, der höchst selbst dabei gewesen ist, als einer der geladenen Zuhörerinnen, das war Klaus von Dohnanyi, der ehemalige erste Bürgermeister Hamburgs, und als unser prominenter Kritiker ist er jetzt in Hamburg am Telefon. Schönen guten Morgen!
Klaus von Dohnanyi: Guten Morgen, Frau von Billerbeck! Es fällt mir schwer, ein Kritiker zu sein.
Billerbeck: Sie haben den Bau der Elbphilharmonie ja verfolgt, aber wie Sie klingt, das war ja bis gestern ein Geheimnis. Journalisten, die vorher hören durften, wie sich das anhört, mussten unterschreiben, dass sie darüber nichts verlauten lassen. Ich vermute, Sie werden jetzt vor Begeisterung sich gar nicht mehr einkriegen, wie es war.
Dohnanyi: Das Ganze war natürlich eine Feier des Raums. Der Raum wurde gefeiert, und mit viel unterschiedlicher Musik von Beethoven über Wagner bis zu Wolfgang Rihm, also bis zur höchsten Moderne gemacht, komponiert gerade für dieses Konzert. Also der Raum wurde gefeiert, und es war da der Bundespräsident, die Bundeskanzlerin und ihr Mann, der Präsident des Deutschen Bundestages, alle früheren Bürgermeister, soweit sie noch leben. Wir haben leider natürlich Henning Voscherau sehr vermisst. Wir haben eben den Klang gefeiert und auch uns alle selbst. Es war eine Feier dieses späten Sieges, einer Geduld über Widerstand, Fehlplanung und zu hohe Kosten - Sie haben ja schon drauf hingewiesen.

"Die Akustik ist ungewöhnlich"

Billerbeck: Nun haben Musiker, die schon vorher in dem Saal waren in der Elbphilharmonie, davon gesprochen, dass dieser Saal eine - Zitat - "gnadenlose Akustik" hat. Das heißt, wer da nicht Präzision liefert, der ist geliefert. Hatten Sie auch diesen Eindruck?
Dohnanyi: Wir haben ja sehr verschiedene Dinge gehört. Wir haben also von oben aus, man würde früher gesagt haben, aus dem zweiten Rang, aber bei diesen rundgebauten Konzertsälen kann man das ja so gar nicht mehr benennen, aber von oben haben wir zum Beispiel einen wundervollen Countertenor gehört mit einem alten Stück Musik, und es war ja Alte Musik und Neue Musik, und wir haben Praetorius gehört wiederum von der anderen Seite von der Praetorius-Kapelle, die dort in einer kleinen Gruppe sang. Wir haben die Sänger, die vier bedeutenden Sänger von Beethovens letztem Satz der neunten Symphonie gehört und dann den Chor. Also es war wirklich alles da, was man überprüfen und hören konnte, und in der Tat, Sie haben recht, die Akustik ist ungewöhnlich, sehr stark, aber wenn man einen Countertenor aus dieser Entfernung so mit jedem Wort hört und versteht, dann weiß man schon, dass die Akustik hier ein wundervolles Gelingen ist.
Billerbeck: Nun war das auch Philippe Jaroussky, also einer der besten seines Faches.
Dohnanyi: Ja, richtig.
Billerbeck: Was versprechen Sie sich denn vom übrigen, also vom bevorstehenden Programm in der Elbphilharmonie? Werden Sie da öfter hingehen, auch wenn Ihr Bruder Christoph da dirigiert?
Dohnanyi: Wir werden morgen sein in der Uraufführung von dem Wittmann, in dem kleinen Saal. Das war ja der große Saal heute, und dann werde ich auch da mehr wissen, aber ich verspreche mir viel von dem Programm, und es ist natürlich so, dass sich gegenwärtig alle Künstler, Orchester, Dirigenten der Welt darum drängen, auch einmal in der Elbphilharmonie zu sein, und die Karten sind durchweg ausverkauft. Wir hatten also eine wundervolle Rede des Herrn Bundespräsidenten, der darauf hingewiesen hat, dass Hamburg natürlich mit den gegenwärtigen Problemen, wie er sagte, die wir bei Sankt Pauli und im HSV haben, natürlich auch eine solche Feier wirklich genießen können. Das war eine witzige und kluge Rede.
Bundeskanzlerin Merkel, Hamburgs Erster Bürgermeister Scholz und andere Ehrengäste bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. (11.01.2017)
Bundeskanzlerin Merkel, Hamburgs Erster Bürgermeister Scholz und andere Ehrengäste bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. (11.01.2017)© dpa picture alliance / Christian Charisius
Billerbeck: Wo rangiert denn die Elbphilharmonie, wenn Sie sie mit anderen Konzerthäusern, die Sie ja auch kennen, vergleichen? Mit der Berliner Philharmonie etwa.
Dohnanyi: Also sie ist ganz anders und natürlich steht sie im Zwang ihrer gebäudlichen Einschränkung. Also sie ist ja auf einem alten -
Billerbeck: Speicher.
Dohnanyi: - Fundament gebaut, und es steht mitten im Wasser und kann infolge dessen natürlich viele Dinge im Zugang zum Beispiel zu der Elbphilharmonie nicht haben, die man in der Berliner Philharmonie hat. In Berlin geht man sozusagen zu Fuß und ebenerdig faktisch in den Konzertsaal. Wenn man etwas höher sitzt, dann steigt man eine Treppe, und hier wird man heraufgeschleust mit Fahrbändern und so weiter. Man zeigt schon, dass das Gebäude, sage ich mal, den Zwängen seiner Ausgangsposition unterworfen ist. Das merkt man schon, und das wird auch nicht immer vielleicht in der Nutzung ganz einfach sein. Es gibt auch eine Reihe von vielleicht Problemen, die für ältere Leute dann entstehen könnten. Da wird man sicher möglicherweise auch noch nachbessern. Also das Gebäude ist wundervoll, der Saal ist herrlich, aber er unterliegt natürlich den Zwängen dieses Gracht, dieses ursprünglichen Gebäudes.

"Hier gab es große Fehler in der Planung von Anfang an"

Billerbeck: Eine Frage zum Schluss, ums Geld: Klar, wir wissen, was von uns bleibt, ist Kultur und Architektur. Haben Sie jemals als ehemaliger erster Bürgermeister von Hamburg gedacht, Mann, Mann, Mann, was die da für Geld reinballern?
Dohnanyi: Ja, natürlich hat man das gedacht. Aber ich habe ja selber dafür gesorgt, dass wir die neue Kunsthalle gebaut haben, da gab es auch viel Widerstand. Dieses Gebäude von Ungers ist heute hochgelobt. Also man muss sowas durchstehen, und hier gab es auch große Fehler in der Planung von Anfang an. Man hatte das Gebäude faktisch in Auftrag gegeben, bevor es zu Ende geplant war. Sowas darf man natürlich nicht machen, und da lernen wir alle, wir lernen teuer, aber es hat sich gelohnt.
Billerbeck: Der einstige erste Bürgermeister Hamburgs war das, Klaus von Dohnanyi, mit seiner Sicht und seiner Begeisterung für die Elbphilharmonie nach dem gestrigen Eröffnungsabend. Herr von Dohnanyi, ich danke Ihnen!
Dohnanyi: Frau von Billerbeck, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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