Klassisches Musikleben in Gefahr
Im Moment regt sich die ganze Welt - Gott sei Dank und endlich - über Klima auf. Wir Menschen haben unsere Erde ruiniert und die klugen Köpfe sagen: Wenn man doch schon, wenigstens vor zehn Jahren, und andere wenigstens vor 20 besser noch vor 30 Jahren damit begonnen hätte, dann wäre das wunderbar gewesen, und wir ständen jetzt nicht vor der Katastrophe. Und genau so ist es mit musikalischer Bildung.
Wenn man doch schon vor 30 Jahren erkannt hätte, wie wichtig zum Beispiel die musikalische Erziehung von Kindern ist, und zwar nicht erst kurz vom Abitur, sondern in der Grundschule oder möglichst noch vor der Grundschule, dann wäre unser klassisches Musikleben nicht in einer so gefährdeten Situation. Denn man braucht nicht Kassandra zu sein, um sein zu können, wenn nicht etwas Grundsätzliches geschieht, werden wir dieses deutsche, deutschsprachige Musikleben, um das uns die ganze Welt, mit Recht bis jetzt noch beneidet, dieses Musikleben werden wir in 30 Jahren nicht mehr haben. Nicht, dass die großen Zentren der Musik, wie in Paris, London, Berlin, München - dass dort nicht mehr klassische Musik gespielt wird. Aber dieser fruchtbare Allgemeinboden, speziell in Deutschland, mit über 100 Symphonieorchestern, mit über 60 Opernhäusern, das wird es nicht mehr geben. Und jetzt ist die Frage: Was kann man jetzt noch tun?
Man sollte nicht darüber jammern, dass tun alle, was in den vergangenen Jahrzehnten versäumt worden ist, sondern man sollte in die Zukunft schauen.
Die Schule hat es nie bringen können, es gab immer einige begeisterte charismatische Lehrer, die es gebracht haben, aber so gut wie auf einsamen verlorenen Posten.
Die Musikhochschulen bringen es, aber nur für eine kleine Elite, und wo bleibt die große Masse der Menschen, die klassische Musik hören wollen, hören müssten? Es ist die Kraft der Familie zerbrochen. Früher war es die Familie, die feudale, die Adelsfamilie, dann die großbürgerliche Familie, die frühkapitalistische, die spätkapitalistische Familie. Und auch über die Oktoberrevolution, und auch über alle sozialen Veränderungen, hat die Familie noch Kraft bewahrt. Jetzt ist die Kraft dieser Familie erloschen, das heißt WIR müssen, und wer ist WIR? Wir bewussten Kulturgenießer, wir bewussten Musikmenschen. Das ist ein Grund, warum ich vor fast 20 Jahren in Hamburg diese Stiftung gegründet habe, und finanziert habe – ein klingendes Museum für Kinder. Das ist ein Grund, warum ich das in Berlin seit fünf Jahren mache. Wir müssen Musik an Kinder herantragen, in größter Qualität und in sehr jungem Alter. Sonst sind diese Kinder ein für allemal für die Musik verloren. Und unsere schönen Konzertsäle und Opernhäuser werden eines Tages gähnend leer sein. Denn schon jetzt zeigt sich, das Abonnentenpublikum wird immer älter, wird immer grauhaariger. Und in den großen Städten ist ein alarmierender Rückgang der Menschen, die klassische Musik hören wollen. Dem müssen wir entgegensteuern mit all unseren Kräften, mit all unseren Möglichkeiten, mit all unserem Willen.
Gerd Albrecht, 1935 in Essen geboren, zählt zu den international bekanntesten deutschen Dirigenten. Er widmet sich vor allem der Musik der Romantik. Setzt sich aber auch für zeitgenössische Musik ein. Unter seiner Leitung wurden Werke von Fortner, Ligeti, Henze und Reimann uraufgeführt. Bereits 1962 wurde Albrecht Generalmusikdirektor in Lübeck. Weitere Stationen waren Kassel, die Deutsche Oper Berlin und das Tonhalle-Orchester Zürich. In den 90er Jahren war er Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie Prag und des dänischen Radiosinfonieorchesters Kopenhagen. Außerdem leitete er das Bundesjugendorchester. Albrecht setzt sich engagiert dafür ein, junge Menschen für die Musik zu begeistern. So gründete er die Hamburger Jugendmusikstiftung sowie Klingende Museen in Hamburg und Berlin, demnächst auch in München.
Man sollte nicht darüber jammern, dass tun alle, was in den vergangenen Jahrzehnten versäumt worden ist, sondern man sollte in die Zukunft schauen.
Die Schule hat es nie bringen können, es gab immer einige begeisterte charismatische Lehrer, die es gebracht haben, aber so gut wie auf einsamen verlorenen Posten.
Die Musikhochschulen bringen es, aber nur für eine kleine Elite, und wo bleibt die große Masse der Menschen, die klassische Musik hören wollen, hören müssten? Es ist die Kraft der Familie zerbrochen. Früher war es die Familie, die feudale, die Adelsfamilie, dann die großbürgerliche Familie, die frühkapitalistische, die spätkapitalistische Familie. Und auch über die Oktoberrevolution, und auch über alle sozialen Veränderungen, hat die Familie noch Kraft bewahrt. Jetzt ist die Kraft dieser Familie erloschen, das heißt WIR müssen, und wer ist WIR? Wir bewussten Kulturgenießer, wir bewussten Musikmenschen. Das ist ein Grund, warum ich vor fast 20 Jahren in Hamburg diese Stiftung gegründet habe, und finanziert habe – ein klingendes Museum für Kinder. Das ist ein Grund, warum ich das in Berlin seit fünf Jahren mache. Wir müssen Musik an Kinder herantragen, in größter Qualität und in sehr jungem Alter. Sonst sind diese Kinder ein für allemal für die Musik verloren. Und unsere schönen Konzertsäle und Opernhäuser werden eines Tages gähnend leer sein. Denn schon jetzt zeigt sich, das Abonnentenpublikum wird immer älter, wird immer grauhaariger. Und in den großen Städten ist ein alarmierender Rückgang der Menschen, die klassische Musik hören wollen. Dem müssen wir entgegensteuern mit all unseren Kräften, mit all unseren Möglichkeiten, mit all unserem Willen.
Gerd Albrecht, 1935 in Essen geboren, zählt zu den international bekanntesten deutschen Dirigenten. Er widmet sich vor allem der Musik der Romantik. Setzt sich aber auch für zeitgenössische Musik ein. Unter seiner Leitung wurden Werke von Fortner, Ligeti, Henze und Reimann uraufgeführt. Bereits 1962 wurde Albrecht Generalmusikdirektor in Lübeck. Weitere Stationen waren Kassel, die Deutsche Oper Berlin und das Tonhalle-Orchester Zürich. In den 90er Jahren war er Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie Prag und des dänischen Radiosinfonieorchesters Kopenhagen. Außerdem leitete er das Bundesjugendorchester. Albrecht setzt sich engagiert dafür ein, junge Menschen für die Musik zu begeistern. So gründete er die Hamburger Jugendmusikstiftung sowie Klingende Museen in Hamburg und Berlin, demnächst auch in München.

Gerd Albrecht auf einem Archivbild von 1985© AP Archiv