Klassischer Agententhriller in Nahost

Von Hannelore Heider · 19.11.2008
Russel Crowe und Leonardo Di Caprio in den Hauptrollen, der Kampf gegen den Terrorismus als Thema - das sind die Zutaten des Spionage-Thrillers "Der Mann, der niemals lebte" . Dagegen erzählt "Novemberkind" auf sehr persönliche Weise ein Stück deutsch-deutsche Geschichte - anrührend mit einer starken Anna Maria Mühe. Weniger Anteilnahme lösen die Charaktere in "Wiedersehen mit Brideshead" aus.
Der Mann, der niemals lebte
USA 2008. Regie: Ridley Scott. Darsteller: Leonardo DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong, Golshifteh Farahani. FSK: ab 16. Länge: 128 Minuten

Wieder ein Politthriller, der im Nahen Osten im Antiterrorkampf spielt, und wieder ein CIA-Mann im Mittelpunkt des spannenden Geschehens. Allerdings teilen sich hier zwei Hollywood-Superstars die Hauptrolle: Leonardo DiCaprio ist der beinharte CIA-Haudegen vor Ort, der undercover versucht, die Organisation eines neu aufgetauchten Terrorismusführers aufzudecken.

Russel Crowe spielt den anderen CIA-Mann. Seine Filmfigur Ed Hoffmann sitzt in Langley und braucht auf die Segnungen eines harmonischen Familienlebens nicht zu verzichten. Allerdings hängt er Tag und Nacht am Telefon, um Roger Ferris vor Ort zu dirigieren. Dabei agiert er völlig gewissenlos, nur auf das Ergebnis ausgerichtet.

Ferris dagegen ist ein harter, aber ehrlicher Knochen, der weiß, dass er nichts ist ohne Verbündete, die sich auf ihn verlassen können müssen. Dazu können auch Palästinenser oder der jordanische Geheimdienstchef gehören.

Ridley Scott schafft mit der gewohnten und mit vielen Filmtricks unglaublich kompakten Spannung sehr authentisch wirkende Anti-Terror-Action, bei der das Blut gefriert. Das betrifft nicht nur die Folterszenen, sondern vor allem den Zynismus, mit der die CIA diesen Krieg führt. Am Ende wird Roger Ferris für die CIA zu einem "Mann, der niemals lebte".

Novemberkind
Deutschland 2008. Regie: Christian Schwochow. Darsteller: Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes, Christine Schorn, Hermann Beyer. FSK: ab 12. Länge: 95 Minuten.

In diesem sehenswerten Debütfilm wird die politische Tragödie des geteilten Deutschland auf sehr persönliche Weise als Familiendrama erzählt.
Inga (Anna Maria Mühe) ist liebevoll von ihren Großeltern im kleinen Ort Malchow in Mecklenburg-Vorpommern großgezogen worden. Ihre Mutter, heißt es, sei in der Ostsee ertrunken, von einem Vater ist nie die Rede.

Als im Ort der Literaturprofessor Robert (Ulrich Mühe) auftaucht und behauptet, dass Ingas Mutter lebt, hält es die junge Frau nicht mehr zu Hause. Auf der Suche nach der Wahrheit reist sie mit dem ihr fremden Mann Richtung Westen. Langsam, und immer wieder in Rückblenden, in denen Anna Maria Mühe auch ihre eigene Mutter spielt, enthüllt sich die Tragödie einer großen Liebesgeschichte, die sich unter den herrschenden DDR-Verhältnissen nie erfüllen konnte und dann auch an der Realität in Westdeutschland zerbrach.

Der Film lebt von komplexen Charakteren und nicht so einfach darzustellenden Wahrheiten. Das betrifft vor allem die ohne jedes Klischee dargestellten Großeltern von Inga (Christine Schorn, Hermann Beyer), die sehr wohl Schuld auf sich geladen haben.

Schwieriger ist die Rolle, die Ulrich Matthes spielt. Als Träger der Rahmenhandlung bekommt er auch noch einen moralischen Konflikt aufgebürdet, der in der realistisch erzählten, anrührenden Geschichte überflüssig ist. Anna Maria Mühe besticht sowohl auf der Gegenwartsebene als auch in den Rückblenden als absolut integre, zu Identifizierung einladende Darstellerin.

Wiedersehen mit Brideshead
Großbritannien 2008. Regie: Julian Jarrold. Darsteller: Matthew Goode, Ben Whishaw, Hayley Atwell, Emma Thompson. FSK: ab 6. Länge: 133 Minuten.

Allein um Emma Thompson endlich wieder einmal auf der großen Leinwand zu sehen, lohnt sich der Kinobesuch. Die Altersfreigabe ist allerdings nur damit zu erklären ist, dass es in dieser Literaturverfilmung keine Gewaltszenen gibt. Der Film zeigt aber vieles, was bei Erscheinen des Romans von Evelyn Waugh 1944 sehr wohl schockierte.

Um ihr Thema, die sich verändernden Moralvorstellungen der englischen Aristokratie zwischen den zwei Weltkriegen, in einer Familiengeschichte unterzubringen, erdachte sie einen für die Zeit sehr offen homosexuellen Sohn, einen mit seiner Geliebten in Venedig lebenden Familienvater und eine Schlossherrin (Emma Thompson), deren katholische Moral nicht davor zurückschreckt, den Freund ihres gefährdeten Sohnes als Werkzeug für sein Verbleiben in der Gesellschaft zu benutzten und das Lebensglück ihrer Tochter zu opfern.

Das alles erlebt Charles (Matthew Goode) während eines Sommers auf Schloss Brideshead, dessen Glanz allerdings vorüber ist, als er es Jahre später als Offizier in der Felduniform wiedersieht. Der Film hält sich nicht lange mit dieser Rahmenhandlung auf. Er kommt in einer einzigen langen Rückblende schnell auf das eigentliche Thema, auf die komplexen Beziehungen in einer Familie, deren Verhältnisse man heute gemeinhin als dekadent bezeichnen würde. Sie werden aus der Sicht des armen Verwandten Charles erzählt, der sich sehr schnell und zu seinem eigenen Schaden darin verwickeln lässt.

Regisseur Julian Jarrold gelingt es, filmisch zu erzählen und das Dialoggewitter des Romans in Bilder umzusetzen, die von morbider Schönheit sind. Die Konflikte freilich sind nicht mehr die unseren, weshalb es dem Zuschauer, der nicht einfach nur seinen Lieblingsroman im Kino sehen möchte, schwer fallen dürfte, an der Tragödie der Figuren wirklich Anteil zu nehmen.