Klangkunst in Duisburg

Beethoven im Hochofen

05:16 Minuten
Der Klangkünstler und Komponist Werner Cee in Vorbereitung der Live-Performance seiner KLIMA l ANLAGE
Ausgezeichneter Klangkünstler: Werner Cee benutzt bei seiner Kunst eine ähnliche Denkweise wie bei der Malerei. © Deutschlandradio / Bettina Straub
Von Claudia Hennen  · 10.09.2020
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Zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens erklingen Teile seiner 6. Sinfonie in einem verrosteten Eisenhüttenwerk in Duisburg. Der Künstler Werner Cee hat schon Osterprozessionen und den Klimawandel vertont, ein anderes Thema reizt ihn aber nicht.
Es scheint, als erwache der Hochofen im Landschaftspark Duisburg-Nord zu neuem Leben. Es sind Fragmente aus Beethovens sechster Sinfonie, der "Pastorale", die an verschiedenen Orten im Park erklingen. Beethoven beschreibt darin die Eindrücke eines Menschen in der Natur. Damit passt das Werk für den Klangkünstler Werner Cee genau zu dem verrosteten Eisenhüttenwerk in Duisburg.
"Die Pastorale ist direkt vor der Industrialisierung entstanden. Diese Landpartie, die er beschreibt, ist keine Naturhymne, wie es oft beschrieben wird, da ist diese Vorahnung der Industrialisierung drin. Jetzt sind wir am anderen Ende. Jetzt steht hier dieses Hüttenwerk und wird wieder zu einer Ruine. Es kommt wieder Natur rein, es wird wieder die Landpartie, man kann die hier machen."

Von der Malerei zur Musik

Der 67-jährige Klangkünstler Cee studiert in den 70er-Jahren an der Frankfurter Kunsthochschule Malerei, arbeitet zunächst erfolglos als Landschaftsmaler. Zu Beginn der 90er-Jahren fängt er mit Klanginstallationen an, verbindet Geräusche, Klänge und Musik mit Landschaft und Architektur.
"Ich benutze ähnliche Denkweisen wie in der Malerei. Die altmeisterliche Technik, die baut ein Bild auf. Da gibt es die Grundierung, die Untermalung, darin gibt es Zwischenschichten. Das ist genau die Art, wie ich mit Klängen umgehe."
Ohne Zweifel: Cee ist besessen von Klängen und Geräuschen, immer auf der Suche nach neuen Eindrücken. Mittlerweile schöpft er aus einem riesigen Klangarchiv.
Dementsprechend groß ist Cees Themenspektrum. Sein Radiostück "Agon" aus dem Jahr 2010 handelt vom letzten, nie realisierten Filmprojekt Luis Buñuels, dabei vermischt er Texte des spanischen Filmemachers mit Aufnahmen der Karfreitagsprozessionen aus Buñuels Heimatstadt Calanda.
"Das hat mich so umgehauen, was da war. Wie viele Leute da mit großer Kraft auf diese Trommeln einschlagen! Die ganze Stadt bebt. Ich wusste nie, dass Asphalt beben und schwingen kann!"

Den Klimawandel vertont

Auch Sphärisches, etwa Wetter und Wolken, fängt er klangmalerisch ein. Cee hat dafür ein eigenes Instrument gebaut, die E-Chin, eine elektrifizierte chinesische Zither.
In der Klanginstallation "Klimaanlage" vertont er den Klimawandel. Gemeinsam mit Wissenschaftlern wandelt er beispielsweise Niederschlagsdaten in Töne um.
Ein gutes Dutzend internationaler Preise und Auszeichnungen hat Cee in den vergangenen Jahrzehnten für sein Werk erhalten, darunter sind der "Deutsche Klangkunstpreis" und der "Prix Italia". Daneben lehrte er an verschiedenen Kunsthochschulen und arbeitete im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik. Für seine Arbeit ist der gebürtige Hesse viel unterwegs, doch privat lebt er abgeschieden in einer alten Mühle im mittelhessischen Lumdatal.
"Da draußen hat es natürlich eine Kraft und eine gewisse Last. Wenn ich nachts kein Licht anmache, dann stehe ich auf einem dunklen Hügel. Wenn ich nicht Rasen mähe, dann ist alles zugewildert, dann kann ich nicht an meine Obstbäume ran."

Corona als Klangkunst?

Hoch konzentriert lauscht der Künstler weiter den Klängen aus dem Hochofen, die nun das ganze Areal durchdringen:
"Zuerst soll es ein sinnliches Erlebnis sein. Es kommen sicher auch viele Leute, die sich noch nie damit beschäftigt haben. Hab ich beim Soundcheck schon bemerkt, die bleiben stehen: Ja, was ist denn das? Ich hoffe, dass es eine Menge Assoziationen frei setzen kann."
Auf die Frage, ob die Coronapandemie das nächste Thema für ihn sei, winkt der Künstler ab. Ihn interessiert das Zeitlose, das, was bleibt.
"Nee, ich wehre mich noch, das aktuell zum Thema zu machen. So ganz aktuelle Sachen sind eher was für Nachrichten. Vielleicht kommt das, wenn das Thema abebbt und was dann bleibt, an Erinnerung, das ist vielleicht interessanter dann, damit es nicht mit den aktuellen Geschehnissen einfach verpufft."
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