Klangkunst

Aufnahmen des Unhörbaren

Die Künstlerin Jana Winderen blickt auf Eisberge
Jana Winderen bei einer Klang-Expedition © PR / janawinderen.com
Von Thomas Doktor · 16.01.2014
Seit 1993 reist die Norwegerin Jana Winderen durch die ganze Welt - auf der Suche nach Tönen, Klängen und Geräuschen. Sie macht hörbar, was dem menschlichen Ohr normalerweise entgeht. Das hat auch eine politische Dimension.
Ein Ruderboot in einem norwegischen Fjord. Es ist früh am Morgen, drei Uhr. Eine Frau, eingehüllt in eine leuchtend gelbe Daunenjacke, eine Mütze über den Kopf gezogen, darüber die Kopfhörer, steht am Bug. In der rechten Hand hält sie ein Mikrofon, das ein wenig an die Agentenfilme der 60er- und 70er-Jahre erinnert, wenn Gespräche in benachbarten Gebäuden belauscht werden sollten. Eine Parabolscheibe umgibt das Mikrofon, verstärkt die Signale. Die Frau richtet das Mikrofon auf die Wasseroberfläche, beugt den Kopf leicht nach vorn, konzentriert sich.
Die 48-jährige Norwegerin Jana Winderen ist Klangkünstlerin. Seit 1993 reist sie durch die ganze Welt, auf der fortwährenden Suche nach ganz besonderen Klängen, Tönen und Geräuschen.
Kurz darauf in Janas Wohnung in Oslo. Jetzt, ohne die Kapuze sieht man Janas halblanges braunes Haar, das sie hochgesteckt trägt. Während ihre Haarfarbe also gar nicht so recht zum Klischee der weizenblonden Skandinavier passen will, trifft das, was ihre Faszination für das Meer angeht, umso mehr zu, insbesondere, was die Klangwelt angeht:
"Sehen Sie, über viele Jahre glaubte man, dass es unter der Meeresoberfläche vollkommen still sei. Mich erfüllt es mit Freude, zu wissen, dass es heute ein weitverbreiteter Kenntnisstand ist, dass auch Fische Klänge erzeugen, die etwa dem Austausch untereinander dienen.
Klänge verlangsamen, um sie zu hören
Schon Jana Winderens ruhige, besonnene Sprechweise unterstreicht: Esoterisch beseelte Walgesänge liegen nicht im Fokus ihres Interesses. Vielmehr verhält sie sich wie eine Wissenschaftlerin, erfasst und dokumentiert in ihren Aufnahmen Unbekanntes und Unhörbares:
"Es sind Töne, die für uns unhörbar sind, entweder, weil die Frequenzen zu hoch oder zu tief sind, oder Töne, die dort entstehen, wo wir keinen Zugang haben, wie zum Beispiel in der Tiefsee oder in 10.000 Jahre altem Eis, wie es das in Grönland gibt. Ebenso verhält es sich mit Klängen jenseits von 20.000 Hertz. Wir müssen solche Klänge verlangsamen, um sie überhaupt hören zu können."
Vor ihrem Kunststudium am Goldsmith College in London studierte sie in Oslo Mathematik, Chemie und die ökologischen Lebensbedingungen von Fischen - ein Hintergrund, der ihrer künstlerischen Tätigkeit dann später zugute kam.
"Ursprünglich habe ich mit Klängen zu arbeiten begonnen, das wird sicher 20 Jahre her sein, um nicht mit physikalischen Materialien arbeiten zu müssen, die Raum und Platz beanspruchen. Ich wollte mit dem Immateriellen arbeiten, das allerdings auch eine Physikalität besitzt."
Auch wenn Töne und Klänge nicht physisch fassbar sind, fährt sie fort, haben sie eine physische Dimension.
"Für mich ist Klang deshalb physikalisch, weil er mit dem Körper interagiert, er ist immer überall um dich herum. Du kannst von Tönen regelrecht überschwemmt werden. Obwohl Klangobjekte keinen Raum einnehmen, kannst Du Sie physisch auf Deiner Festplatte speichern."
Bedrohung der Lebensräume
Janas Winderens Arbeiten, ihre CD-Veröffentlichungen, Installationen und Konzerte sind geprägt von einem tiefen Respekt für die Lebewesen, denen ihre Aufmerksamkeit gilt:
"Wenn es darum geht, was ich mit den Sounds selbst mache, also den Stimmen der Lebewesen, die lasse ich weitgehend unbearbeitet. Ich mache sie vielleicht etwas klarer, deutlicher, aber ich würde sie nicht in der Tonhöhe manipulieren, es sei denn, es ist nötig, damit wir sie überhaupt hören können. Aber ich würde sie niemals arrangieren oder zu Melodien zusammenfügen, das fände ich respektlos, den Lebewesen gegenüber."
Während ihre Installationen wie etwa ihre 16-Kanal-Installation "Ultrafield" im vergangenen Jahr im MOMA in New York aus Loops bestehen oder interaktiv zum Beispiel über Temperaturveränderungen gesteuert werden, geht Jana Winderen für ihre CD-Veröffentlichungen und Konzerte einen anderen Weg:
"Ich arrangiere eine Komposition, die eher eine Geschichte darstellt, eine Geschichte über diesen besonderen Raum oder Ort, an dem sie aufgenommen wurde, über die einzelnen Aspekte der Umwelt und der Lebewesen, die mit diesem Ort in Verbindung stehen. Was das Konzert im Berghain angeht, das Stück heißt 'Out of Range' und basiert auf Aufnahmen verschiedener Arten von Fledermäusen aus der ganzen Welt. Das Stück wird auch aus Tönen von Fischen und Unterwasserinsekten bestehen, die Töne zur Verteidigung verwenden oder um einen Partner anzulocken."
Ein maßgeblicher politischer Aspekt liegt in der Bedrohung der Lebensräume, denen Jana Winderens Interesse gilt: Der immer stärker werdende Schiffsverkehr beeinträchtigt die akustischen Lebenswelten unter Wasser, Umweltverschmutzung vernichtet ganze Lebensräume, deshalb verbindet Sie mit ihrer Arbeit auch eine Hoffnung:
"In 'Out of Range' gibt es Fledermäuse, Insekten und Fische, die eines Tages auf der Liste bedrohter Arten stehen könnten oder sich bereits auf dieser Liste befinden. Hoffentlich bringt es Leute auch dazu genauer hinzuhören, mehr herausfinden zu wollen und den Respekt vor den Lebensformen zu fördern, die in unseren Meeren und Seen leben."

Die Ursendung von Jana von Winderens Werk "Out of Range" läuft in der kommenden Nacht in der Sendung "Klangkunst" um 0:05 Uhr bei Deutschlandradio Kultur. Das Werk ist auch anlässlich des "Art's Birthday 2014" im Rahmen des Festivals für Neue Musik "Ultraschall" zu hören, das am 17. Januar 2014 ab 20 Uhr im Berghain Berlin stattfindet.