Klage von Content-Managerin gegen Facebook

"Die übelsten Sachen, die man sich vorstellen kann"

07:02 Minuten
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Eine ehemalige Content-Moderatorin verklagt Facebook in den USA. © imago stock&people / Maciej Luczniewski
Hans Block im Gespräch mit Gesa Ufer · 26.09.2018
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Enthauptungen, Missbrauchsszenen, Terrorpropaganda: Eine ehemalige Content-Managerin hat Facebook wegen einem posttraumatischen Belastungssyndrom verklagt. Der Regisseur Hans Block weiß durch seine Dokumentation "The Cleaners" von ihren Arbeitsbedingungen.
Eine ehemalige Content-Moderatorin eines Löschzentrums hat Facebook in den USA verklagt, weil die ständige Belastung durch schockierende Inhalte sie krank gemacht habe und sie an einem posttraumatischen Belastungssyndrom leide. Die Anwälte der Frau aus San Francisco wollen eine Sammelklage, der sich auch andere Beschäftigte anschließen können.
Der Regisseur Hans Block hat gemeinsam mit Moritz Riesewick im Film "The Cleaners" die Arbeitsbedingungen von Content-Moderatoren dokumentiert. Er sagt: "Dadurch, dass die nicht alles sichten, sondern schon vorgefiltert etwas geliefert bekommen, sind das wirklich die übelsten Sachen, die man sich vorstellen kann. Wir reden hier von Terrorpropaganda, Videos, in denen Leute enthauptet werden." Auch gehe es um sexuelle Gewalt, Pornografie, Kindesmissbrauchsfälle und um schreckliche Unfälle, wo Leichen zu sehen seien.
Die Content-Moderatoren müssten die Inhalte sichten und dann entscheiden, ob das zumutbar ist oder nicht. Oft seien sie weit entfernt von den Usern, zum größten Teil seien sie auf den Philippinen.

"Der Preis für das sogenannte saubere Internet"

Der Umgang der Betroffenen mit der damit verbundenen psychischen Belastung sei ganz unterschiedlich: "Die Gewöhnung ist sicherlich ein Aspekt, den wir auch während unserer Recherche erfahren haben, dass man abstumpft, dass man unsensibel wird für das, was man dort sieht." Die Folgen und Wunden dieser Arbeit könnten erst Monate oder Jahre später hervortreten.
Betroffene hätten mit Essstörungen, einem Libido-Verlust, Ängsten, Alkoholismus und auch mit Depressionen zu kämpfen, wie Block auch in seiner Dokumentation "The Cleaners" deutlich macht: Es sei darin um einen Content-Moderator gegangen, der für einen speziellen Account gearbeitet habe, für den er nur Suizidvideos und Selbstverstümmelungsvideos durchsichten musste. "Er hat mehrmals gebeten, dass er versetzt wird von dieser Stelle. Dem wurde nicht nachgegangen, und er hat sich schließlich selbst umgebracht. Also das ist der Preis für das sogenannte saubere Internet."
Hans Block, Regisseur von "The Cleaners"
Hans Block, Regisseur von "The Cleaners"© dpa / picture alliance / Taylor Jewell
Es gebe eine große Verantwortung der Content-Moderatoren, sagt Block: Nicht nur die seelische Gesundheit sei gefährdet, auch die Meinungsfreiheit könne erkranken, "wenn an einer der wichtigsten Stellen unserer digitalen Welt 18-, 19-jährige College Graduates, also Leute, die gerade die Schule verlassen haben, plötzlich darüber entscheiden, was in unserer digitalen Welt sichtbar wird und was nicht." Facebook, Youtube und Twitter seien schon lange nicht mehr nur Plattformen für Urlaubsbilder, da finde Politik statt.
Block ist skeptisch, was mögliche technische Innovationen angeht, damit Maschinen Inhalte automatisch erkennen und gegebenenfalls löschen. Die Technik könne zwar einschätzen, was auf dem Bild zu sehen sei, beispielsweise ein Pferd oder die Umrisse eines Geschlechtsorganes. Viel entscheidender sei es jedoch, ein Bild zu interpretieren: "Daran scheitern die Maschinen komplett."
(mhn)
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