Klage gegen Memet Kiliç

Will die Türkei Kritiker in Deutschland mundtot machen?

09:12 Minuten
Ein Mann, etwa Anfang 50, mit grauem gewellten Haar, blickt freundlich in die Kamera. Er trägt ein dunkelblaues Jackett und darunter ein hellblaues Hemd mit offenem Kragen.
Memet Kiliç ist Jurist und Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen: Er hat die Rolle der Türkei bei der Unterstützung von dschihadistischen Islamisten in Syrien und im Irak kritisiert © Christoph Schmidt/dpa
Memet Kiliç im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 17.12.2019
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Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Memet Kiliç muss sich wegen Beleidigung von Präsident Erdogan vor einem türkischen Gericht verantworten. Das sei ein "politischer Prozess", sagt Kiliç und erhofft sich Unterstützung seitens der Bundesregierung.
In der türkischen Hauptstadt Ankara beginnt heute der Prozess gegen den deutschen Politiker Memet Kiliç aus Baden-Württemberg. Er ist in der Türkei wegen Beleidigung von Präsident Erdogan angeklagt.
Memet Kiliç, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft hat, war von 2009 bis 2013 Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne, derzeit arbeitet er als Anwalt und politisch auf Landesebene. Er ist auch als Autor für das Politische Feuilleton im Deutschlandfunk Kultur tätig.
Die Anklage gegen den Heidelberger Juristen stützt sich auf ein Interview mit einer türkischen Internetzeitung aus dem Jahr 2017. Damals soll Kiliç den türkischen Staatspräsidenten Erdogan kritisiert und als Vaterlandsverräter beleidigt haben.

"Politischer Prozess" gegen deutschen Politiker

Kiliç kritisiert das Verfahren als einen "politischen Prozess". Die Anzeige des Präsidialpalastes müsse ja vom türkischen Justizministerium genehmigt worden sein, damit sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall überhaupt befassen könne. "So ist es im türkischen Recht geregelt", sagt Kiliç in unserem Programm.
Vom deutschen Außenministerium hätte er daher erwartet, dass es beim türkischen Ministerium nachfrage, "ob diese Klage ernst gemeint ist und ob die Türkei beabsichtige, aktive Politiker auch in Deutschland stumm zu schalten". Eine solche Anfrage des deutschen Außenministeriums könne per Verbalnote erfolgen.
Nach einer Gesetzesänderung in der Türkei vom April 2014 sei der türkische Geheimdienst auch im Ausland operativ tätig, sagt Kiliç. Wer darauf hinweise, werde jedoch auch in Deutschland als alarmistisch gebrandmarkt.

Türkei war "eine Autobahn für IS-Terroristen"

Im Umgang mit Oppositionellen reagiere die türkische Regierung bei zwei Themen besonders empfindlich. Die betreffe zum einen Hinweise auf die Unterstützung von dschihadistischen Islamisten in Syrien und Irak. "Es ist mittlerweile weltbekannt, dass die Türkei eine Autobahn für IS-Terroristen war, und auch Rückkehrer bestätigen das", so Kiliç.
Das zweite Thema sei das Geldwäschegesetz in der Türkei, das "Vermögensfriedensgesetz" genannt wird. Kriminelle Milieus könnten demnach ihr Geld in die Türkei bringen und dort gegen eine geringe Steuer reinwaschen.
Beides habe er kritisiert und damit "zwei rote Linien überschritten", sagt Memet Kiliç, weshalb man nun versuche, ihn dadurch stummzuschalten, dass man ihn wirtschaftlich ruiniere.
Seine Zulassung bei der Anwaltskammer Karlsruhe basiere auf seiner Zulassung in der Türkei. Sollte ihm diese entzogen werden, würde auch die Suspendierung in Deutschland folgen.
(huc)
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