Kirchenrechtler regt Einführung einer Kultursteuer an
Der Kirchenrechtler Axel Freiherr von Campenhausen hält die Einführung einer Kultursteuer für sinnvoll.
Ulrike Timm: Wenn dieses Urteil Schule macht, dann verändert sich das Verhältnis von Kirche und Staat. Der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp wollte aus der Körperschaft der Kirche austreten, seinen Glauben aber behalten. Und das ist rechtens, sagt zumindest das Verwaltungsgericht in Freiburg. Was sagt uns das? Was bedeutet es für die Kirche wie für den Staat? Darüber spreche ich mit Axel Freiherr von Campenhausen. Er war lange Jahre Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Schönen guten Morgen, Herr von Campenhausen!
Axel Freiherr von Campenhausen: Guten Morgen!
Timm: Herr von Campenhausen, welches Signal geht von diesem Urteil aus? Läutet jetzt das Sterbeglöckchen für die Kirchensteuer?
von Campenhausen: Ich glaube, davon geht überhaupt kein Signal aus, sondern wir haben Sommerzeit und auch einen Bedarf an Unterhaltung. Wir hatten am Ende des letzten Jahrhunderts viele sogenannte modifizierte Kirchenaustritte. Dabei haben meistens Katholiken erklärt, sie träten aus der römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts, aus, aber aus der Glaubensgemeinschaft römisch-katholische Kirche, da blieben sie drin. Und da ist die Frage, ob das überhaupt geht. Tatsächlich ist das genau der richtige Sachverhalt, nämlich der Staat interessiert sich nur, ob jemand nach staatlichem Recht Mitglied einer Kirche ist, weil das Konsequenzen hat zum Beispiel bei der Kirchensteuer, nicht nur da. Was die Kirche daraus für eine Konsequenz zieht, das untersteht nur ihrer Zuständigkeit. Und insofern bringt ein so modifizierter Kirchenaustritt erstens, den richtigen Sachverhalt stellt er dar, andererseits ist es natürlich ein Widerspruch, dass man sagt, ich trete aus, indem ich nicht austrete.
Timm: Nun will der Herr Zapp mit seiner Entscheidung ja wirklich nicht einfach Geld sparen, die Kirchensteuer, sondern er versteht seine Aktion letztlich als Demonstration. Als Demonstration für was?
von Campenhausen: Genau. Herr Zapp ist von Beruf römisch-katholischer Kirchenrechtslehrer, und nachdem er nun pensioniert ist, kommt sein reformerisches Herz zum Zuge und er ist katholischer als die katholischen Bischöfe und weist sie darauf hin, dass es nach seinem Verständnis unzulässig ist, dass ein weltliches Rechtsgeschäft – Kirchenaustritt – innerkirchlich automatische Konsequenzen hat. Aber genau diese Frage, darüber befindet die römisch-katholische, übrigens auch die evangelische Kirche, allein. Sie kann sagen, welche Konsequenz …
Timm: Bislang wird das ja sanktioniert, dann heißt es, dann gehörst du auch nicht mehr dazu.
von Campenhausen: Das heißt nur, der Staat behandelt dich nicht mehr als Mitglied. Es ist ja so, dass alle Kirchen – evangelisch wie katholisch und andere – der Meinung sind, dass das Band, das mit der Taufe geknüpft wird, unauflöslich ist: "semel christianus, semper christianus", einmal getauft, bleibt man Christ. Wenn man vom Glaubensfeld oder aus der Kirche austreten will, wird das [Anm. d. Red.: Auslassung, da unverständlich], das Taufband nicht gelöst, man ist sozusagen ein ungehorsames Glied der Kirche.
Timm: Nun wird bei der Kirchensteuer ja trotzdem und in jedem Fall eine sehr enge Zusammenarbeit zweier grundverschiedener Welten deutlich. Der Staat – weltlich – zieht das Geld für eine Glaubensgemeinschaft ein. Ist das nicht eigentlich – unabhängig von innerkirchlichen Sichtweisen – ist das nicht eigentlich ein Unding?
von Campenhausen: Nein, überhaupt nicht. Der Staat zieht Gebühren und andere Sachen auch für andere ein, und er lässt sich übrigens ja von den Kirchen dafür bezahlen. Die Kirchen haben das Recht, von ihren Gläubigen Mitgliedsbeiträge zu erheben, das machen Dutzende von Kirchen in Deutschland, die nicht Körperschaft sind, selbst, sie erheben den Zehnten, das heißt 10 Prozent vom Einkommen, und die Kirchen haben eine Vereinbarung mit dem Staat, dass er das für sie mit der Lohnsteuer abkassiert, allerdings nicht 10 Prozent, sondern 9 oder 10 Prozent von der Einkommensteuer, also 1 bis 2 Prozent in Wirklichkeit. Und dafür lässt der Staat sich bezahlen, da bestehen überhaupt keine Bedenken dagegen. Aber jetzt kommt das Interesse des Staates an der Kirchenmitgliedschaft: Er muss wissen, wer dazugehört. Und deswegen muss es ein Zeichen geben, wer Mitglied ist, und es muss die Möglichkeit geben aus Gründen der Religionsfreiheit, dass man das beendet. Deswegen gibt es ein staatliches Kirchenaustrittsrecht, sonst könnte das dem Staat ja total egal sein.
Timm: Nun kennen viele Länder, Herr von Campenhausen, keine Kirchensteuer. Holland, aber auch so erzkatholische Nationen wie Spanien und Italien, die gehören dazu. Haben die in diesem Punkt vielleicht auch schlicht ein klareres Staatsverständnis als wir in Deutschland, weil sie geistliche und weltliche Macht auch finanziell ganz sauber trennen?
von Campenhausen: Erstens haben wir es ideal getrennt, denn dass der Staat sozusagen als Bedienter für die Kirche gegen Gebühren Geld kassiert, über das die Kirche allein verfügt, gibt ihm keinerlei Kompetenz in der Kirche. Anders in den Staaten, von denen Sie sprechen, die keine Kirchensteuer haben, wo der Staat selbstverständlich in umfangreichem Maße helfen muss, dass die – es ist meistens römisch-katholische Kirche – nicht finanziell untergeht. Da hat der viel mehr Einfluss, weil er sagt, ich gebe dafür so viel Geld, dafür so viel Geld. Denn ohne staatliche Mithilfe würde das ja gar nicht gehen. Also die Trennung ist bei uns kompletter.
Timm: Damit sagen Sie aber auch, dass die Taufe die Zugehörigkeit zu einer Kirche, eine Steuerpflicht begründet, das ist im Grunde ein deutsches Phänomen.
von Campenhausen: Die Taufe begründet natürlich keine Kirchensteuer, aber Staat und Kirche haben vereinbart, dass der Staat für die Kirchenglieder Steuern einhebt und knüpft das mit Billigung der Kirche an die Taufe, an die Kirchenmitgliedschaft. Das darf nur die Kirche sagen, von wem sie Geld kassieren will.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", im Gespräch mit Axel von Campenhausen. Herr von Campenhausen, nun zahlen ja viele Menschen Kirchensteuer, die vielleicht sogar deutlich weniger gläubig sind als besagter Kirchenrechtler Hartmut Zapp, weil sie sagen, die Kirche ist unabdingbar für unser Sozialsystem. Kindergärten, Altenpflege, Sozialstationen, da ist die Kirche ein eherner Pfeiler unseres Staates. Würde das alles zusammenbrechen ohne Kirchensteuer oder könnte man das einfach auch anders organisieren? Andere Länder tun das ja.
von Campenhausen: Also Deutschland ist ja ein Land, in dem religiöser Friede herrscht, vorbildlicher als in vielen anderen europäischen Staaten. Unser System hat keine Unruhen zur Folge gehabt, sondern gilt jetzt ja 100 Jahre, unsere Reichsverfassung wird gerade 100 Jahre. Und deswegen besteht gar kein Anlass, das zu ändern. Das Urteil wird auch nichts prinzipiell ändern. Also ich sehe da kein wirkliches Problem.
Timm: Aber warum muss der Staat …
von Campenhausen: Wenn ich noch etwas sagen darf: Sie weisen mit Recht auf die sozialen Funktionen der Kirchen. Wir sind alle ja Freunde der deutschen Kultur. Dass die Dome stehen, dass die Matthäuspassion erklingt, alle diese Sachen gehören auch dazu. Und auch gerade die nicht kirchlich Engagierten genießen das, besuchen die Kirchen und die Kirchenkonzerte. Insofern könnte man ja auch erwägen, ob nicht alle Bürger, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft, eine Kultursteuer zahlen müssen, weil diese Funktion im Staat wunderbar von allen geschätzt ist und natürlich Geld kostet.
Timm: Das ist dann ein sehr weites Feld, aber nun fällt ja wirklich auf, dass die großen Kulturnationen Spanien und Italien, die großen katholischen Kulturnationen, das offensichtlich anders machen und damit auch ganz gut klarkommen. Noch mal: Ist diese Verwobenheit des Staates mit der Kirche in diesem Punkt bei der Kirchensteuer wirklich so klug?
von Campenhausen: Erstens sind die von Ihnen genannten Staaten keine Beispiele für Religionsfreiheit, weil sie ganz katholisch das alles gemacht haben, mit Unterdrückung der anderen, Deutschland ist aber seit Jahrhunderten ein Staat der Religionsfreiheit, das muss man vorwegsagen. Und zweitens, es gibt, um es noch mal zu sagen, keine Verwobenheit, sondern aufgrund einer Verfassungsrechtsbestimmung kassiert der Staat für beliebige Religionsgemeinschaften, die Körperschaft – es sind ja nicht nur die beiden großen Kirchen – die Kirchensteuern ein und übermittelt ihnen das gegen Erstattung von Gebühren. Und da ist überhaupt keine Verflechtung. Die Kirche verfügt über ihr Geld, und das ist auch in Ordnung so, während die Abschaffung der Kirchensteuer automatisch die Folge hätte, dass der Staat subventionieren muss, und dann subventioniert er das, was er will. Dann würde er die Kirche mitbestimmen.
Timm: Bislang ist das ein erstinstanzliches Urteil, da kommt also noch jede Menge nach. Aber einen Automatismus – wer in der Kirche ist, zahlt Steuern – ist doch damit begründungspflichtig geworden. Ist das nicht auch vielleicht etwas Positives?
von Campenhausen: Es ist immer begründungspflichtig gewesen, und alle Kirchen sind der Meinung, dass die Glieder der Kirche zum Unterhalt der Kirche beitragen müssen. Das ist unbezweifelt und in Deutschland auf sehr praktische Weise geregelt, sodass der Staat keinen Einfluss nehmen kann, weil die getrennt sind, aber er kassiert gegen Erstattung von Gebühren wie die Steuern - und wie übrigens auch andere Beiträge von sozialen Einrichtungen - diese Beiträge.
Timm: Das heißt, Sie geben der Kirchensteuer noch lange und die Freiburger Richter haben sich vertan?
von Campenhausen: Die Freiburger Richter haben in der ersten Instanz ein Urteil gefällt von jemand, der es provozieren will, eine innerkirchliche römisch-katholische Diskussion, ob die katholischen Bischöfe befugt seien, an die Taufe weitere Konsequenzen und an den Kirchenaustritt weitere Konsequenzen zu knüpfen. Das ist ein innerkatholisches Problem, die staatliche verfassungsrechtliche Lage ist dadurch nicht infrage gestellt.
Timm: Ein Kirchenrechtler wollte aus der Körperschaft der Kirche austreten, seinen Glauben aber behalten, und ein Freiburger Gericht gab ihm erstinstanzlich recht. Darüber sprach ich mit Axel Freiherr von Campenhausen. Er war lange Jahre lang Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Herzlichen Dank fürs Gespräch, Herr von Campenhausen!
von Campenhausen: Bitte sehr!
Axel Freiherr von Campenhausen: Guten Morgen!
Timm: Herr von Campenhausen, welches Signal geht von diesem Urteil aus? Läutet jetzt das Sterbeglöckchen für die Kirchensteuer?
von Campenhausen: Ich glaube, davon geht überhaupt kein Signal aus, sondern wir haben Sommerzeit und auch einen Bedarf an Unterhaltung. Wir hatten am Ende des letzten Jahrhunderts viele sogenannte modifizierte Kirchenaustritte. Dabei haben meistens Katholiken erklärt, sie träten aus der römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts, aus, aber aus der Glaubensgemeinschaft römisch-katholische Kirche, da blieben sie drin. Und da ist die Frage, ob das überhaupt geht. Tatsächlich ist das genau der richtige Sachverhalt, nämlich der Staat interessiert sich nur, ob jemand nach staatlichem Recht Mitglied einer Kirche ist, weil das Konsequenzen hat zum Beispiel bei der Kirchensteuer, nicht nur da. Was die Kirche daraus für eine Konsequenz zieht, das untersteht nur ihrer Zuständigkeit. Und insofern bringt ein so modifizierter Kirchenaustritt erstens, den richtigen Sachverhalt stellt er dar, andererseits ist es natürlich ein Widerspruch, dass man sagt, ich trete aus, indem ich nicht austrete.
Timm: Nun will der Herr Zapp mit seiner Entscheidung ja wirklich nicht einfach Geld sparen, die Kirchensteuer, sondern er versteht seine Aktion letztlich als Demonstration. Als Demonstration für was?
von Campenhausen: Genau. Herr Zapp ist von Beruf römisch-katholischer Kirchenrechtslehrer, und nachdem er nun pensioniert ist, kommt sein reformerisches Herz zum Zuge und er ist katholischer als die katholischen Bischöfe und weist sie darauf hin, dass es nach seinem Verständnis unzulässig ist, dass ein weltliches Rechtsgeschäft – Kirchenaustritt – innerkirchlich automatische Konsequenzen hat. Aber genau diese Frage, darüber befindet die römisch-katholische, übrigens auch die evangelische Kirche, allein. Sie kann sagen, welche Konsequenz …
Timm: Bislang wird das ja sanktioniert, dann heißt es, dann gehörst du auch nicht mehr dazu.
von Campenhausen: Das heißt nur, der Staat behandelt dich nicht mehr als Mitglied. Es ist ja so, dass alle Kirchen – evangelisch wie katholisch und andere – der Meinung sind, dass das Band, das mit der Taufe geknüpft wird, unauflöslich ist: "semel christianus, semper christianus", einmal getauft, bleibt man Christ. Wenn man vom Glaubensfeld oder aus der Kirche austreten will, wird das [Anm. d. Red.: Auslassung, da unverständlich], das Taufband nicht gelöst, man ist sozusagen ein ungehorsames Glied der Kirche.
Timm: Nun wird bei der Kirchensteuer ja trotzdem und in jedem Fall eine sehr enge Zusammenarbeit zweier grundverschiedener Welten deutlich. Der Staat – weltlich – zieht das Geld für eine Glaubensgemeinschaft ein. Ist das nicht eigentlich – unabhängig von innerkirchlichen Sichtweisen – ist das nicht eigentlich ein Unding?
von Campenhausen: Nein, überhaupt nicht. Der Staat zieht Gebühren und andere Sachen auch für andere ein, und er lässt sich übrigens ja von den Kirchen dafür bezahlen. Die Kirchen haben das Recht, von ihren Gläubigen Mitgliedsbeiträge zu erheben, das machen Dutzende von Kirchen in Deutschland, die nicht Körperschaft sind, selbst, sie erheben den Zehnten, das heißt 10 Prozent vom Einkommen, und die Kirchen haben eine Vereinbarung mit dem Staat, dass er das für sie mit der Lohnsteuer abkassiert, allerdings nicht 10 Prozent, sondern 9 oder 10 Prozent von der Einkommensteuer, also 1 bis 2 Prozent in Wirklichkeit. Und dafür lässt der Staat sich bezahlen, da bestehen überhaupt keine Bedenken dagegen. Aber jetzt kommt das Interesse des Staates an der Kirchenmitgliedschaft: Er muss wissen, wer dazugehört. Und deswegen muss es ein Zeichen geben, wer Mitglied ist, und es muss die Möglichkeit geben aus Gründen der Religionsfreiheit, dass man das beendet. Deswegen gibt es ein staatliches Kirchenaustrittsrecht, sonst könnte das dem Staat ja total egal sein.
Timm: Nun kennen viele Länder, Herr von Campenhausen, keine Kirchensteuer. Holland, aber auch so erzkatholische Nationen wie Spanien und Italien, die gehören dazu. Haben die in diesem Punkt vielleicht auch schlicht ein klareres Staatsverständnis als wir in Deutschland, weil sie geistliche und weltliche Macht auch finanziell ganz sauber trennen?
von Campenhausen: Erstens haben wir es ideal getrennt, denn dass der Staat sozusagen als Bedienter für die Kirche gegen Gebühren Geld kassiert, über das die Kirche allein verfügt, gibt ihm keinerlei Kompetenz in der Kirche. Anders in den Staaten, von denen Sie sprechen, die keine Kirchensteuer haben, wo der Staat selbstverständlich in umfangreichem Maße helfen muss, dass die – es ist meistens römisch-katholische Kirche – nicht finanziell untergeht. Da hat der viel mehr Einfluss, weil er sagt, ich gebe dafür so viel Geld, dafür so viel Geld. Denn ohne staatliche Mithilfe würde das ja gar nicht gehen. Also die Trennung ist bei uns kompletter.
Timm: Damit sagen Sie aber auch, dass die Taufe die Zugehörigkeit zu einer Kirche, eine Steuerpflicht begründet, das ist im Grunde ein deutsches Phänomen.
von Campenhausen: Die Taufe begründet natürlich keine Kirchensteuer, aber Staat und Kirche haben vereinbart, dass der Staat für die Kirchenglieder Steuern einhebt und knüpft das mit Billigung der Kirche an die Taufe, an die Kirchenmitgliedschaft. Das darf nur die Kirche sagen, von wem sie Geld kassieren will.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", im Gespräch mit Axel von Campenhausen. Herr von Campenhausen, nun zahlen ja viele Menschen Kirchensteuer, die vielleicht sogar deutlich weniger gläubig sind als besagter Kirchenrechtler Hartmut Zapp, weil sie sagen, die Kirche ist unabdingbar für unser Sozialsystem. Kindergärten, Altenpflege, Sozialstationen, da ist die Kirche ein eherner Pfeiler unseres Staates. Würde das alles zusammenbrechen ohne Kirchensteuer oder könnte man das einfach auch anders organisieren? Andere Länder tun das ja.
von Campenhausen: Also Deutschland ist ja ein Land, in dem religiöser Friede herrscht, vorbildlicher als in vielen anderen europäischen Staaten. Unser System hat keine Unruhen zur Folge gehabt, sondern gilt jetzt ja 100 Jahre, unsere Reichsverfassung wird gerade 100 Jahre. Und deswegen besteht gar kein Anlass, das zu ändern. Das Urteil wird auch nichts prinzipiell ändern. Also ich sehe da kein wirkliches Problem.
Timm: Aber warum muss der Staat …
von Campenhausen: Wenn ich noch etwas sagen darf: Sie weisen mit Recht auf die sozialen Funktionen der Kirchen. Wir sind alle ja Freunde der deutschen Kultur. Dass die Dome stehen, dass die Matthäuspassion erklingt, alle diese Sachen gehören auch dazu. Und auch gerade die nicht kirchlich Engagierten genießen das, besuchen die Kirchen und die Kirchenkonzerte. Insofern könnte man ja auch erwägen, ob nicht alle Bürger, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft, eine Kultursteuer zahlen müssen, weil diese Funktion im Staat wunderbar von allen geschätzt ist und natürlich Geld kostet.
Timm: Das ist dann ein sehr weites Feld, aber nun fällt ja wirklich auf, dass die großen Kulturnationen Spanien und Italien, die großen katholischen Kulturnationen, das offensichtlich anders machen und damit auch ganz gut klarkommen. Noch mal: Ist diese Verwobenheit des Staates mit der Kirche in diesem Punkt bei der Kirchensteuer wirklich so klug?
von Campenhausen: Erstens sind die von Ihnen genannten Staaten keine Beispiele für Religionsfreiheit, weil sie ganz katholisch das alles gemacht haben, mit Unterdrückung der anderen, Deutschland ist aber seit Jahrhunderten ein Staat der Religionsfreiheit, das muss man vorwegsagen. Und zweitens, es gibt, um es noch mal zu sagen, keine Verwobenheit, sondern aufgrund einer Verfassungsrechtsbestimmung kassiert der Staat für beliebige Religionsgemeinschaften, die Körperschaft – es sind ja nicht nur die beiden großen Kirchen – die Kirchensteuern ein und übermittelt ihnen das gegen Erstattung von Gebühren. Und da ist überhaupt keine Verflechtung. Die Kirche verfügt über ihr Geld, und das ist auch in Ordnung so, während die Abschaffung der Kirchensteuer automatisch die Folge hätte, dass der Staat subventionieren muss, und dann subventioniert er das, was er will. Dann würde er die Kirche mitbestimmen.
Timm: Bislang ist das ein erstinstanzliches Urteil, da kommt also noch jede Menge nach. Aber einen Automatismus – wer in der Kirche ist, zahlt Steuern – ist doch damit begründungspflichtig geworden. Ist das nicht auch vielleicht etwas Positives?
von Campenhausen: Es ist immer begründungspflichtig gewesen, und alle Kirchen sind der Meinung, dass die Glieder der Kirche zum Unterhalt der Kirche beitragen müssen. Das ist unbezweifelt und in Deutschland auf sehr praktische Weise geregelt, sodass der Staat keinen Einfluss nehmen kann, weil die getrennt sind, aber er kassiert gegen Erstattung von Gebühren wie die Steuern - und wie übrigens auch andere Beiträge von sozialen Einrichtungen - diese Beiträge.
Timm: Das heißt, Sie geben der Kirchensteuer noch lange und die Freiburger Richter haben sich vertan?
von Campenhausen: Die Freiburger Richter haben in der ersten Instanz ein Urteil gefällt von jemand, der es provozieren will, eine innerkirchliche römisch-katholische Diskussion, ob die katholischen Bischöfe befugt seien, an die Taufe weitere Konsequenzen und an den Kirchenaustritt weitere Konsequenzen zu knüpfen. Das ist ein innerkatholisches Problem, die staatliche verfassungsrechtliche Lage ist dadurch nicht infrage gestellt.
Timm: Ein Kirchenrechtler wollte aus der Körperschaft der Kirche austreten, seinen Glauben aber behalten, und ein Freiburger Gericht gab ihm erstinstanzlich recht. Darüber sprach ich mit Axel Freiherr von Campenhausen. Er war lange Jahre lang Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Herzlichen Dank fürs Gespräch, Herr von Campenhausen!
von Campenhausen: Bitte sehr!