Kirchengeschichte

"Um die frechen Geister zu bändigen"

Priester bei katholischer Messe in Stuttgart
Priester in Stuttgart kehrt den Gottesdienstbesuchern den Rücken zu - ein Element der "tridentinischen" Messfeier, die vom Konzil in Trient vor gut 500 Jahren besiegelt wurde. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Peter Hertel · 04.12.2013
Das Ergebnis des Trienter Konzils vor 450 Jahren war anders, als sich viele am Anfang erhofft hatten. Die Einigung der gespaltenen Christen war nicht erreicht, im Gegenteil.
Die Turmuhr an der alten Bischofsresidenz von Trient zeigt vier Uhr. 220 Patriarchen und Kardinäle, Bischöfe und Äbte, kurz: Die Konzilsväter haben an diesem Nachmittag des 4. Dezember 1563 ihre farbigen liturgischen Gewänder angelegt und ziehen vom Palazzo Thun zur Kathedrale San Vigilio. Feierlich wollen sie das Konzil beenden. 18 Jahre lang hat es sich über 25 Sitzungen hingezogen, zuerst in Trient, dann in Bologna, schließlich wieder in Trient.
Dem Trienter Konzil vorausgegangen ist das 5. Laterankonzil. 1517 wurde es beendet, ohne die ersehnte Kirchenreform, vor allem ohne die Erneuerung der päpstlichen Kurie. Im selben Jahr begann in Deutschland die Reformation Martin Luthers. So richteten sich die Hoffnungen auf ein weiteres Konzil, 1545 eröffnet und nun beendet - in Trient, einer italienisch geprägten Stadt des Deutschen Reiches. Das Konzil sollte nicht nur die lange verschobene Erneuerung der Kirche bringen, sondern auch die zerbrechende Einheit der Christen retten.
Die Hoffnung war, dass, wie bei den vorhergehenden Konzilien, alle abendländischen Christen teilnehmen würden und eine Einigung entstehe. Das war der Wunsch Kaiser Karls V. Er hatte die Kirchenversammlung gegen den Papst durchgesetzt, um die Einheit mit den Protestanten zu retten. Aber die misstrauten ihm, dem katholischen Kaiser, verhielten sich zögerlich, nur wenige kamen zum Konzil, und auch sie blieben seit 1552 ganz aus. Mehr und mehr gewannen der Papst und seine Getreuen die Oberhand gegen die Reformatoren, so Rudolf Lill, Kölner Historiker und Spezialist für die deutsche, italienische und vatikanische Geschichte:
"Der Kaiser hatte die Ökumene im 16. Jahrhundert – freilich zu seinen Bedingungen – gewollt. Dann waren die kriegerischen Auseinandersetzungen hinzugekommen. Das Auseinanderfallen Deutschlands in zwei konfessionelle Kulturen hängt eng mit den Auseinandersetzungen vor und um das Trienter Konzil zusammen. Das hatte zur Folge, dass alles, was die Reformatoren abgelehnt hatten, antithetisch nun herausgestellt wurde."
Vor allem in Texten zu den heiklen Fragen: die Rolle des Papstes, Reliquienverehrung, Fegefeuer, Abendmahl, Ablass.
"Da sind Themen ausformuliert und abgegrenzt worden, die bis heute zwischen den Konfessionen stehen. Durch das Konzil von Trient ist entstanden die Kirche der Päpste, die Kirche der Gegenreformation – auch die Kirche des Barock."
Bereits kurz nach Konzilsbeginn, 1546, erließen die Konzilsväter ein Votum gegen Reformatoren, die biblische Texte selbständig auslegten. Martin Luther hatte im Jahr zuvor letzte Korrekturen an seiner deutschen Bibelübersetzung vorgenommen. Das Konzil erklärte:
"Um die frechen Geister zu bändigen, beschließt die Heilige Synode: Niemand darf sich auf seine Klugheit berufen und in Dingen des Glaubens und der Sitten die Bibel nach seinem Sinn auslegen – entgegen dem Sinn, den die Heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält."
Abschließend bekräftigte die Versammlung der Hierarchen ihre Beschlüsse durch das mehr als 1000 Jahre alte Anathem. Ihr Machtwort schloss jeden, der die Beschlüsse nicht akzeptierte, aus der katholischen Kirche aus. Kurz zuvor hatten sie in einem Dekret präzisiert:
"Die Bosheit der Ketzereien nimmt überhand. Sie zwingt in der Not der Zeit dazu, nichts zu unterlassen, was der Erbauung der Völker und dem Schutz des katholischen Glaubens zu dienen scheint. Die Heilige Synode schreibt daher vor, alles, was sie beschlossen hat, öffentlich anzunehmen, dem obersten römischen Pontifex [das ist der Papst] wahren Gehorsam zu geloben und zugleich allen Ketzereien öffentlich abzuschwören und sie zu verurteilen."
Erst 300 Jahre danach gab es erneut ein Konzil, das – nunmehr rein katholische – Erste Vatikanische Konzil, in dem die Papstkirche auf ihren Höhepunkt gelangte und das Dogma von der Unfehlbarkeit ihres Oberhirten erließ.