Kinos wieder beliebter

Von Bernd Sobolla |
Als die Kinobesucherzahlen 2005 deutlich unter denen des Vorjahres lagen, glaubten viele, dass sich hier ein grundsätzlicher Trend abzeichnet. Die Branche reagierte konsequent - unter anderem mit einer Imagekampagne und mit Sonderaktionen bei Filmpremieren. Nun zeigen sich positive Veränderungen.
Johannes Klingsporn: "Das Jahr fing gleich positiv an mit Andreas Dresens "Sommer vorm Balkon". Dieser Film hat mittlerweile über 800.000 Besucher erreicht. Und wir hatten wie schon in den letzten Jahren wilde - in Anführungszeichen - Kinder- und Familienfilme: Der dritte Teil "Wilde Kerle" hat zwei Millionen Besucher erreicht, und ist damit der erfolgreichste Film dieser Reihe. Der Film "Die wilden Hühner" hat 1,2 Millionen Besucher erreicht, und "Herr der Diebe" 900.000."

Es geht also wieder bergauf für Johannes Klingsporn Geschäftsführer vom Verband der Deutschen Filmverleiher und die Kinobranche insgesamt. Zumal mit "Ice Age 2" sogar seit langem mal wieder ein echter Blockbuster die Leinwände erhitzt: Über sieben Millionen Besucher ließen die Kassen erklingen und die Herzen der Betreiber höher schlagen. Unter dem Strich verzeichneten die Filmtheater in den ersten vier Monaten ein sattes Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vielleicht hätten die genannten Filme ohnehin ihr Publikum erreicht. Aber bezeichnend ist doch, dass parallel zu diesen Erfolgen die Imagekampagne der Filmwirtschaft angelaufen ist. Aber nicht nur die, wie Thomas Negele, Vorstandsvorsitzender vom Hauptverband der Deutschen Filmtheater betont.

Thomas Negele: "Einmal die Imagekampagne, einmal die Filme, die ganz wesentlich sind, der technische Fortschritt und eben Kundenbindung und engagierte Einzelinitiativen."

Zur Imagekampagne gehören u. a. zwei Werbespots, die unter dem Motto "Kino. Dafür werden Filme gemacht" in den Kinos laufen: Der Arthouse-Spot "Kopflos" zeigt, wie kopflose Menschen durch den Alltag irren, aber im Kino ihre Köpfe aus der Tasche holen und aufsetzen. Und im Spot "Happy End" lassen sich ganz unterschiedliche Paare vom Kino verzaubern. Jan Oesterlin, Geschäftsführer der Zukunft Kino Marketing GmbH hofft zudem auf zusätzliches Interesse, wenn in wenigen Tagen die Musik zum Spot auf CD erscheint.

Jan Oesterlin: "Also der Spot "Happy Ends", der in ungefähr 2500 Kinos läuft, hat einen sehr schönen emotionalen Song, der heißt "All this time". Die Band heißt "The Amphibiens". Und der wird jetzt am 19. Mai auch veröffentlicht. Und wir sind sehr froh darüber, weil der Song echt toll ist und Hitpotential hat. Und Kinos werden z. B. auch die Möglichkeit haben, die CD mit anzubieten. Und wir hoffen, dass der Band damit vielleicht auch ein Erfolg gelinge sollte. Es wäre ein hübscher Synergieeffekt. Zumindest wenn die Menschen dann den Song hören, vielleicht auch noch Bilder aus dem Spot im Kopf haben und umgekehrt."

Ein weiterer Grund für den momentanen Kinoboom beruht auf der Eigeninitiative der Kinobetreiber. Viele Filmtheater bieten spezielle Familienkinotage an, organisieren Kinder-Kino-Clubs, in denen die Kids z. B. Bilder malen, basteln oder Fotos mitbringen, die in Zusammenhang mit aktuellen Filmen stehen. Dann wird in einigen Städten für junge Mütter und Väter das so genannte Kinderwagenkino angeboten: Mit Wickeltisch und reduzierter Lautstärke für die Babys. Und damit die Sache mit den Babys auch langfristig klappt, haben einige Filmtheater einen Kino-Date-Service aufgebaut, bei dem sich junge Leute im Internet beim Chatten virtuell kennen lernen und beim Kinobesuch anschließend leibhaftig.

Aber auch das Programm selbst ist vielfältiger geworden: Besonders in Arthouse-Kinos kommen historische Programmreihen und Länderschwerpunkte gut an, z. B. wenn die nominierten Filme für den Deutschen Filmpreis unterwegs sind oder wenn es neue Werke aus Holland, Italien oder Hongkong zu sehen gibt. Zudem sieht Thomas Negele, dass es ein neues Bewusstsein für Marketingkampagnen gibt.

Thomas Negele: "Ausgangspunkt ist ja, dass man in den letzten, gerade 2003, wo es schlechter lief, hat man versucht über Riesenblockbuster immer alle zu erwischen. Das ist nicht gelungen. Weil es eben nicht leicht ist, mit 300-Millionen-Filmen alle zu erreichen. Das gelingt manchen Filmen, so wie "Ice Age" jetzt. Aber das ist nicht immer gesagt, sondern da verlieren die Mayorfilme auch viel Geld. D. h. im Umkehrschluss hat man dann gesagt: Es ist viel wichtiger in der Breite mehr Leute ins Kino zu kriegen. Und dazu bedarf es zielgruppenorientierter Filme, die ansprechend sind. Und das hat man in "Das Leben der anderen", um einen deutschen Film zu nennen."

Ausschnitt aus "Das Leben der anderen": "Sie kennen sie also gut, diese Christa Maria Sieland?! Was meinen Sie, würde sie einen Menschen verletzen, der sie über alles liebt? Würde sie sich verkaufen für die Kunst?/Verkaufen für die Kunst? Die hat sie doch schon. Das wäre ein schlechtes Geschäft. Sie sind eine große Künstlerin."

Auch in die Zukunft blicken die Kinomacher optimistisch. Zum einen weil die Digitalisierung der Filmtheater allmählich voranschreitet. Damit wird man künftig schneller und individueller sein Programm gestalten können. Und nach anfänglichen größeren Investitionen mittelfristig auch viel Geld sparen. Und das weitere Filmprogramm für 2006 klingt ebenfalls viel versprechend: Da steht der Actionfilm "X-Men 3" auf der Startrampe, die Komödie "Hui Buh" mit Michael Bully Herbig, "Das Parfüm" von Tom Tykwer, "Die 7 Zwerge - der Wald ist nicht genug" und der neue James Bond, "Casino Royal". Allerdings wird die Fußballweltmeisterschaft wohl erst einmal einen Rückgang der Zuschauerzahlen bringen. Auch wenn es Kinos gibt, die die Spiele live auf die Leinwand bringen.