Kinokolumne Top Five

Die fünf besten Filme über den Albtraum Vorstadt

Isabella Rossellini und Kyle MacLachlan in einer Filmszene von "Blue Velvet" von David Lynch aus dem Jahr 1986
Isabella Rossellini und Kyle MacLachlan in einer Filmszene von "Blue Velvet" von David Lynch aus dem Jahr 1986 © imago / Cinema Publishers Collection
Von Hartwig Tegeler · 04.11.2017
George Clooneys neuer Film "Suburbicon" kommt in die Kinos: Er führt uns an einen uramerikanischen Ort, hinter dessen Normalität Abgründe lauern. Hartwig Tegeler hat deshalb die fünf spannendsten Vorstadt-Filme zusammengetragen - von "Mein Onkel" bis "Blue Velvet".

Platz 5 – "Mein Onkel" von Jacques Tati (1958)

Reißbrett-Architektur innen und außen, in der Stube wie im toten Garten, neue Haushaltstechnik, alles sauber und wohlanständig und extrem langweilig für den Neunjährigen, der mit seinen Eltern in einem Neubau vor der Stadt wohnt. Gérards Onkel, Monsieur Hulot, aber stürzt die cleane Albtraum-Idylle ins Chaos. Bringt wieder Leben in die Bude. Der Gegensatz zwischen steriler Vorstadt und altem, verschachtelten Stadtviertel ist bei Jacques Tati in "Mein Onkel" der zwischen Blutleere und Lebendigkeit. Was lauert hinter dem Vorhang? Hinter dem Sichtbaren? Unter der Oberfläche? Die Grundfrage, die sich in jeder Vorstadt stellt. Im Film!

Platz 4 – "Arlington Road" von Mark Pellington (1999)

Hier lauert ein Schläfer und natürlich, das ist nun mal so, wenn man sich hinter geschnittenen Hecken, Rasenflächen und Zäunen in Sicherheit bringen will, es lauert und wabert Paranoia. Der Terrorismus-Experte - Jeff Bridges - identifiziert den neuen Nachbarn als Terroristen. Was Wunder. Der Nachbar ist tatsächlich einer - kein islamistischer, sondern ein enttäuschter US-Amerikaner. Deswegen beherrscht er die sozialen Konventionen bei Barbecue-Party und Plausch am Zaun so perfekt, da, in dieser ruhigen, friedlichen Vorstadt. Ideales Versteck für einen "Schläfer".

Platz 3 – "Poltergeist" von Steven Spielberg (1982)

Familie Freelings lebt ein friedliches und ganz und gar normales Leben. Vater, Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, heimeliges, typisch amerikanisches Vorstadt-Holzhaus mit Auffahrt und getrimmtem Grün. Diane und Steven rauchen beim abendlichen Familienrat schon mal einen Joint. Soviel Hippietum ist gerettet in der kalifornischen Vorstadt, doch: Was lauert? Hinter der Scheibe des Fernsehers? Was in der Erde? Antwort: Geister, Monster, Mutationen. Der Vorstadt-Architekt meint: "Wir haben schon Vorkehrungen getroffen, wie man den Friedhof verlegen kann. Außerdem haben wir das schon mal getan." Natürlich ist die Vorstadtidylle eine Fiktion, erzählt Steven Spielberg, die Menschen haben ihr Suburbia auf einer Ursünde erbaut. Die Geister der Vergangenheit treten hervor. Die Menschen müssen für ihre Taten büßen.

Platz 2 – "Was der Himmel erlaubt" von Douglas Sirk (1955)

Quasi hinter dem Vorhang der 50er-Jahre-Betulichkeit lauern bei Douglas Sirk Sexismus und Klassenschranken. Wie sagt Carys Freundin: Solche Situationen bringen die hasserfüllte Seite der menschlichen Natur hervor. Die Situation ist die: Cary, trauernde Witwe aus der Oberschicht, hat sich in den Gärtner verliebt - Jane Wyman und Rock Hudson. Der Druck auf die beiden, die Verachtung, die ihnen entgegenschlägt, im Country-Club oder über die sorgfältig geschnittene Hecke hinweg, stellt die Liebe der beiden auf eine große Probe. Ein böses, grandioses Bild über die Abgründe der spießigen Vorstadt in Technicolor.

Platz 1 – "Blue Velvet" von David Lynch (1986)

Die Kamera fährt langsam auf den Rasen zu, den der Mann, der gerade zusammengebrochen ist, gewässert hat, tiefer und tiefer hinein, zwischen die Gräser, in die Erde, immer weiter. Und es zeigt sich ein Reich von Würmern, Käfern, kriechenden Wesen. Das Bild am Anfang steht für die Hölle, in die Jeffrey hinunterfahren wird, nachdem er das Ohr gefunden hat. Auch das lag im Gras. Unter der dünnen Schicht der Zivilisation in der Vorstadt, wo der Feuerwehrmann, wenn er an strahlend weißen Gartenzäunen vorbeifährt, freundlich winkt: Da lauern Gier, Perversion, Gewalt und Drogen. Hölle eben. Sandy sagt zu Jeffrey am Ende, wenn die Welt wieder heil zu sein scheint: "Ist doch ein fremde, seltsame Welt. Nicht Jeffrey?"

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