Kinokolumne Top Five

Die besten Filme über Schulalltag

05:46 Minuten
Szene aus dem Film "Das schweigende Klassenzimmer": Kurt (Tom Gramenz) und seine Klassenkameraden halten eine Schweigeminute ab
Schweigen der Solidarität: In der DDR kommt das nicht so gut, wie der Film "Das schweigende Klassenzimmer" zeigt. © Studiocanal GmbH / Julia Terjung
Von Hartwig Tegeler · 02.05.2020
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Schule - das ist theoretisch Bildung, praktisch aber oft Drill, Unterdrückung und Gewalt. Davon erzählen viele Filme. Doch es gibt auch Positivbeispiele. Eine Retrospektive von der DDR über das Elite-College in den USA bis zur Banlieue von Paris.

Platz 5: "Der Chor – Stimmen des Herzens" von François Girard (2014)

Meint der Musiklehrer (Dustin Hoffman) zum begabten wie missratenen, von einer Alkoholikerin abstammenden, nun in der Eliteschule gelandeten Schüler: "Gib einfach auf, denn Aufgeben ist alles was du kannst." Und so sicher wie das "Amen" in der Kino-Kirche antwortet der Junge natürlich, dass er nie aufgeben würde. Und tut es auch nicht und landet als Underdog im Olymp der Musikschule.
Schule und die Vermittlung von Bildung wirkt im Hollywood-Mainstream in der Regel als Variante des "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Mythos. Es geht weniger um Wissen, Erkenntnis, Wahrheit als Leistung, Leistung, Leistung und Angepasstheit. Und damit wird der Junge natürlich zum Besten im Chor.

Platz 4: "Mona Lisas Lächeln" von Mike Newell (2003)

Die weibliche Version vom "Club der toten Dichter", nur dass man sich bei Peter Weir in dessen Schulfilm-Klassiker schwer vorstellen konnte, dass die Jungen, die ihr Lehrer begeistert, das Heiraten für wichtiger halten würden als Kunstgeschichte. Die, also die Kunstgeschichte, zu studieren ist für die jungen Frauen in "Mona Lisas Lächeln" eher ein Feigenblatt, Beiwerk zur bald kommenden Ehe. Die neue, junge motivierte Pädagogin (Julia Roberts) denkt da anders, und ihr Ziel ist es, ihre Schülerinnen am renommierten College zum eigenständigen Denken zu motivieren. Bildung und weibliche Emanzipation gehen in diesem Film zusammen, was natürlich ein richtiger Gedanke ist. Nur das Pathos, das hier so dick aufgetragen ist, tut etwas weh.

Platz 3: "Das schweigende Klassenzimmer" von Lars Kraume (2018)

Eine Minute Schweigen – 1956 – als Solidarität für die Opfer des Volksaufstandes im sozialistischen Bruderland Ungarn durch die Gymnasiasten. Aber die Minute reicht, damit die 19 Abiturienten in die Mühlen der DDR-Staatsmacht geraten. Das sei hier eine Konterrevolution, meint der angereiste Bildungsminister. In "Das schweigende Klassenzimmer" findet ein schulischer Bildungsprozess über Leid und Schmerz statt. Erst in ihrer Geste des Widerstands, dieser Schweigeminute, wird den Schülern klar, dass der autoritäre Staat alles tun wird, ihren Widerstand zu brechen. Angetrieben dabei von den Traumatisierungen, die die Nazi-Zeit – so wie in der BRD – in der DDR hinterlassen hat. Bildung nicht als Akkumulation von Wissen, sondern als brutaler Erkenntnisprozess.

Platz 2: "Happy-Go-Lucky" von Mike Leigh (2009)

Popey ist Grundschullehrerin in London. Egal, was auch passiert, sie lässt sich ihre gute Laune nicht verderben und feiert nachts schon mal durch. Es scheint zunächst, als sei sie keine ernsthafte Person. Dann wechselt die wunderbare Sally Hawkins als Popey ganz plötzlich ihren Ausdruck, wird zur ernsthaften, verantwortungsvollen Pädagogin, als sie beobachtet, wie ein Junge einen Mitschüler in ihrer Klasse schlägt. Es kommt heraus, dass der Freund der Mutter des Jungen das Kind schlägt. Mike Leigh zeigt eine Lehrerin, die genau hinhört und hinschaut und eine tiefe Empathie zu ihren Schülern verspürt. Vielleicht eine Utopie für ein Bildungssystem.

Platz 1: "La vie scolaire – Schulalltag" von Grand Corps Malade und Mehdi Idir (2019)

Schule in den Banlieues von Paris – Brennpunkt der sozialen Probleme des Viertels. Die Botschaft der Lehrer an die Schüler: Du hast keine Chance, also nutze sie! Die Lehrer versuchen, den Schwierigkeiten der Schüler gerecht zu werden und ihnen Unterstützung zukommen zu lassen. Der Mathelehrer formuliert programmatisch zur Mathematik und zur Bildung im Allgemeinen, wenn er sagt: "Die Mathematik ist dazu da, sich den Kopf zu zerbrechen. Man soll sich den Kopf zerbrechen und niemals aufgeben. Und wenn man sich mal wirklich, wirklich, wirklich den Kopf zerbrochen hat, und die Lösung findet, ist man stolz auf sich. Und Selbstvertrauen ist sehr wichtig."
"La vie scolaire – Schulalltag" würdigt die Energie und Kreativität der Schüler und die ihrer Lehrer. Die Schule kann auch in sozialen Grenzbereichen der Gesellschaft – Raum von Chancenungleichheit –, Bildung vermitteln, Chancen fördern: Diese Hoffnung lässt "La vie scolaire" aufscheinen.
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