Kinokolumne Top 5

Die besten Filme über Sängerinnen

05:44 Minuten
Schauspielerin Joanna Kulig spielt in "Cold War" die Sängerin Zula und steht in dem Schwarz-Weiß-Bild hinter einem Mikrofon.
Schauspielerin Joanna Kulig als Sängerin Zula in "Cold War" von Pawel Pawlikowski: Alle Facetten einer Sängerin im Film. © imago/Prod.DB/Opus Film - Apocalypso Pictures - MK2 Productions / Lukasz Bak
Von Hartwig Tegeler · 07.12.2019
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Singen ist schön, Sängerin zu sein, nicht immer: Wenn Rose-Lynn in "Wild Rose" nach der Haft davon träumt, in Nashville als Sängerin durchzustarten, reiht sie sich ein in die Liste jener fiktiven Frauen, die begnadet singen und ohne Gnade abstürzen.

Platz 5: Jane Russell in "Macao" von Josef von Sternberg (1952)

Zwielichtiger, von sich selbst überzeugter Abenteurer und Gangster trifft auf nicht weniger zwielichtige Barsängerin. Er charakterisiert sich so: "Ein paar Frauen halten mich für nicht so schlecht!" Ihr Kommentar: "Alles eine Frage des Geschmacks." Tatsächlich? Oder eine des Geldes? Robert Mitchum und Jane Russell prallen aufeinander. Dass am Ende alles gut wird und die Sängerin mit der erotischen Gesangs-Aura im Hafen der Ehe gezähmt wird, zeugt schon von einem sehr konservativen Frauenbild.

Platz 4: Gwyneth Paltrow in "Country Strong" von Shana Feste (2010)

Kelly, Country-Musik-Star oder auch Ex-Star, ist ein Drogen-Wrack auf Entzug. Doch noch nicht ganz am Ende? Wie ein Star geboren wird, kann er auch heftig abstürzen. Grundmotiv des Genres: die gestörte Musikerinnen-Persönlichkeit. Für den Film ein dramaturgischer Leckerbissen inklusive all der Klischees: der Bus auf der Landstraße, die Hotelzimmer, die Konzerthallen und natürlich die Garderobe für den Star, mit dem Schrank und der Wodka-Flasche und den Pillendosen. Dieses Sängerinnen-Drama von der Stange entwickelt allerdings Schönheit, wenn gesungen wird. Ex-Coldplay-Frontmann-Gattin Gwyneth Paltrow zeigt in "Country Strong", dass sie nicht nur schauspielen, sondern auch singen kann.

Platz 3: Isabelle Huppert in "Ein Chanson für dich" von Bavo Defurne (2016)

Die Fragilität einer Sängerinnen-Karriere, von ihrem vermeintlichen Ende her erzählt bzw. von deren lange zurückliegendem Höhepunkt. Liliane, fast 60 Jahre alt, ist einigermaßen zufrieden mit dem Ruhestand, aber der junge Mann hat noch Großes vor. Er wird ihr Manager. Dass Liliane am Ende tatsächlich wieder ein Star wird, ist ein Klischee, das der Sängerinnen-Film gerne aufkocht. Konterkariert wird dieses Klischee durch das wieder wunderbare Spiel von "La Huppert".

Platz 2: Natalie Portman in "Vox Lux" von Brady Corbet (2018)

Celeste hat während ihrer Schulzeit einen Amoklauf überlebt; das Trauma verarbeitet sie in einem Song und wird zur Pop-Ikone. Doch die Angst lässt sie nicht los. Absturz, Aufstieg, Absturz – noch tiefer –, versuchter Aufstieg. In der Gewalt des Draußen – auch der 11. September wird in "Vox Lux" thematisiert – spiegelt sich die strukturelle Gewalt des Showbusiness´ und der Celebrity-Kultur, die diese Frau ausbrennt, mag sie selber auf der Bühne noch so leuchten.

Platz 1: Joanna Kulig in "Cold War – Der Breitengrad der Liebe" von Pawel Pawlikowski (2018)

"Zwei Herzen, vier Augen, die Tag und Nacht weinen. Schwere Äuglein, ihr weint", singt Zula, und damit meint die polnische Sängerin, jetzt im Westen, in Paris, sich und Wiktor, den Komponisten. "Cold War" beginnt 1949 im stalinistischen Polen und erzählt von der Liebe Zweier, die immer wieder getrennt werden, in den Westen fliehen, zurückkommen und wieder abhauen. Soll sie mitgehen nach Paris? Es scheint, dass alle Facetten der Sängerin im Film – von der Verführung des Gesangs, von dem Abgleiten in die Sucht bis zu dem verzweifelten Wunsch nach Liebe –, dass sich alles in der Figur Zula verdichtet. Dass sich in dieser Geschichte eines Paares auch das Bild des Kalten Krieges und der Leiden der Menschen entfaltet, macht Pawlikowskis Film noch komplexer und reicher. Joanna Kulig, die Zula, spielt, ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Sängerin. Wenn sie das Lied von den zwei Herzen und den vier Augen singt, dann leuchtet in "Cold War", diesem Schwarzweiß-Film, etwas auf, das nur mit dem Wort "Magie" ansatzweise zu fassen wäre.
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