"Urne des Monats, biologisch abbaubar"

Zwei Filme, die jetzt in die Kinos kommen, beschäftigen sich mit den Themen Sterben und Bestattung. "Besser als nix" ist eine skurrile, schwarze Komödie, "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit" ein Melodram, das einen tiefsinnig-humorvollen Blick in unsere Gesellschaft erlaubt. Was beide gemein haben: Sie sind absolut sehenswert. Und sie wirken bis in die Realität hinein.
"Ich will was mit Menschen machen, wenn sie nicht so viel reden und einen sicheren Arbeitsplatz."
"Wir haben genau das Richtige für sie gefunden."
Der Test beim Jobcenter ergibt, dass sich der 19-jährige Tom, alias François Goeske, für eine Bestatter-Ausbildung eignet, schließlich ist er ein Außenseiter und sein Outfit passt: Er hat schwarze Haare, schwarze Fingernägel, schwarze Wimperntusche und trägt nur schwarze Kleider. Außerdem ergänzt er ideal das exzentrische Team des örtlichen Bestattungsunternehmens.
"Empfehle ich traditionelle Modell: Heimkehr DeLux. Velours, antik. Aber haben wir auch für Umweltbewusste, hier, Terracotta. Urne des Monats, biologisch abbaubar, sehr beliebt bei die junge Leute."
"Das ist die Leichenstarre"
Da ist die Olga, die ukrainische Verkaufskraft, gespielt von Nicolette Krebitz: HIV-positiv, ohne Familie, aber immer gut gelaunt. Martin Brambach mimt den leicht versponnen Chef, und der Leichenpräparator Hans, alias Clemens Schick, hat einen speziellen Draht ins Jenseits.
"Die ist heute Nacht hier auf dem Stuhl erfroren. Das ist die Leichenstarre. Nimm du dir den Arm, ja! Ganz langsam."
"Hans! Woher wusstest du eigentlich, dass hier jemand gestorben ist?"
"Besser als nix" ist eine skurrile schwarze Komödie – aber nicht nur. Der Film schildert zugleich eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Wobei Francois Goeske meint, dass Tom gerne wie sein Freund Tom wäre.
"Er würde auch gern cool sein und einfach die Sau raus lassen und das Leben locker nehmen. Und das kann Tom eben nicht. Das macht diese Freundschaft auch aus – und umgekehrt auch. Also Tom hat auch viel Tiefgang."
Als Bestatter gelingt es Tom, den Tod seiner Mutter zu überwinden, seinem alkoholisierten Vater wieder Leben einzuhauchen, und die örtliche Jugendgruppe erlebt, dass es ein Leben jenseits von Fußballplatz und Bierflasche gibt.
Viel ruhiger wirkt der englische Film "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit".
"Wieder keiner da außer ihnen, Mr May?"
"Ich fürchte ja."
John May, grandios von Eddie Marsan gespielt wird, arbeitete beim städtischen Begräbnisdienst und sucht Angehörige von Verstorbenen.
"Und fällt ihnen vielleicht jemand ein, der Kontakt zu ihm hatte. Jemand, der wenigstens bei der Beerdigung dabei sein möchte?"
"Nein."
"Und Sie, Sie würden nicht?"
"Nein."
Er schaut durch Fotoalben, Briefe und Notizen und entwickelt aus den Fragmenten und seiner Phantasie eine Biografie für die Zeremonie. Kurz, May widmet sein Leben dem Leben der Toten. Womit Regisseur Uberto Pasolini ein tiefsinnig-humorvoller Blick in unsere Gesellschaft gelingt.
Eine der großen Szenen den Filmgeschichte
"Man kann eine Gesellschaft danach beurteilen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Und ich kann mir niemand schwächeren vorstellen als die Gestorbenen. Der Umgang mit den Toten reflektiert also, in was für einer Gesellschaft wir leben."
Doch Hingabe und Mitgefühl sind in einer Zeit, die nur Effektivität kennt, nicht mehr gefragt. May wird entlassen. Es bleibt ein letzter Fall. Ein unmittelbarer, aber unbekannter Nachbar von Mr May ist gestorben. Und May arbeitet akribischer denn je. Uberto Pasolini macht in diesem wunderbaren Melodram das Unsichtbare sichtbar und schafft mit dem fulminanten Ende eine der großen Szenen der Kinogeschichte. Zudem gelang ihm auch ein wichtiger Schritt in seinem eigenen Leben.
"Bevor ich den Film drehte, kannte ich meine Nachbarn nicht: weder ihr Leben noch ihren Namen. Dann nahm ich eine Flasche Wein, klingelte bei den Leuten rechts und links von meinem Haus in London und sagte: 'Mein Name ist Uberto, ich lebe hier seit vier Jahren. Wir wissen nichts voneinander. Jetzt kennen Sie mich.'"
Fernab von schnöder Trauer bieten beide Filme ungewöhnliche Blicke auf das Leben: "Besser als nix" eher in die Zukunft gerichtet und "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit" auf die Vergangenheit.