Kino und TV

Verhört, gequält, erniedrigt

Von Hartwig Tegeler |
In zeitgenössischen Filmen und TV-Serien werden immer öfter Menschen gequält und gefoltert. Solche Bilder vermitteln eine gefährliche Botschaft, warnt der Journalist Hartwig Tegeler. Denn um kritische Distanz scheren sich viele Drehbuchautoren keinen Deut mehr.
Huck aus "Scandal" ist ein trauriger Charakter, aber machen wir uns nichts vor: Wir mögen ihn. Trotzdem! Oder deswegen. Huck ist Auftragskiller einer der geheimsten der geheimen US-Dienste sowie genialer Experte für verschärfte Verhörmethoden. Bohrmaschine, Teppichmesser, Zahnzange, Autobatterie, Wassereimer und Lappen sind Teil seines Handwerkskastens.
Man könnte auch sagen, diese Figur aus der TV-Serie "Scandal" ist ein Freak, ein Monster, aber diese Sicht wird uns geschickt ausgetrieben. Denn der Mann flog aus dem Geheimdienst, landete als Obdachloser auf dem Bahnhof, bis Olivia ihn aufgriff. Afroamerikanerin, politische Krisenmanagerin, die die Probleme in Washington aus dem Weg räumt, bevor sie sich zu Skandalen entwickeln.
Olivia legt Wert darauf, dass ihr engagierter Mitarbeiter Huck nicht mehr foltert, nicht mehr tötet. Und mitunter hört Huck auch auf sie. Wenn er das mal nicht tut, nutzt Olivia allerdings, ohne groß nachzufragen, gerne die Ergebnisse von Hucks - mittelalterlich gesprochen - "peinlichen Befragungen".
"Scandal" ist TV-Serien-Alltag. Eine Soap-Opera auf dem politischen Parkett Washingtons, in der allerdings regelmäßig gefoltert wird, nicht nur von Huck. Das ist nicht neu. Aber von neuer Selbstverständlichkeit.
Die Serie "24" war ein Türöffner
Von "Scandal" aus eine Dekade zurückschauend wird klar, wie einschneidend die Dammbrüche tatsächlich waren, die um das Jahr 2001 medial wie historisch stattfanden und jetzt - im Mainstream angekommen - gängiger Teil unseres täglichen Bilderkonsums geworden sind. Die TV-Serie "24" und das Lager Guantanamo waren faktisch Türöffner.
"24", seit 2001 ausgestrahlt, zeigte einen Antiterror-Agenten, der regelmäßig folterte. Und diese Serie löste eine heftige Diskussion über die Darstellung von Folter aus, die fast direkt überging in die politische Auseinandersetzung über Folter als Teil des "war on terrorism".
Das absolute Folterverbot aufzulösen, Folter zu rechtfertigen, das war Ziel der Bush-Regierung. Rückfall ins Mittelalter, Verlust des Zivilen und Aushöhlung des Rechtsstaats, der ja erst aus dem Kampf gegen Folter hervorgegangen ist: So lauteten die Argumente der Kritiker.
Im Kino war Folter immer wieder präsent. An den Pranger geriet sie in Filmen wie "Z" oder "Die durch die Hölle gehen". In der Legitimierung als notwendiges Übel tauchte sie in "24" auf; in Gewaltpornos à la "Saw" oder "Hostel" wurde sie zum Selbstzweck, aber in der öffentlichen Diskussion zumindest noch kritisch wahrgenommen. So wie zuletzt die Folterdarstellung in Kathryn Bigelows Film "Zero Dark Thirty".
Folterbilder sind im Fernseh-Mainstream angekommen
Jetzt ist die Entwicklung einen Schritt weiter. Denn um kritische Distanz scheren sich zeitgenössische Drehbuchautoren offensichtlich keinen Deut mehr. Folterbilder sind jetzt auch im Fernseh-Mainstream angekommen. Die Serie "Scandal" ist da ein fast willkürlich herausgegriffenes Beispiel.
Übrigens in Verbindung mit der schleichenden Botschaft, dass man auf den Staat und die Politik sowieso nicht mehr vertrauen kann und deswegen das Recht in die eigenen folternden Hände legen muss.
Wenn in irgendeiner anderen dieser TV-Serien der Ermittler vor dem Gefangenen stehend fragt, ob es jetzt nicht mal Zeit wäre, den Eimer Wasser und den Lappen zu holen, dann steht dieser beiläufige Dialogsatz dafür, dass Waterboarding bereits Alltag sei und nicht mehr hinterfragt wird. In den Kino- und auch TV-Bildern. Und alsbald auch in der Realität? Nicht nur die Botschaften solcher Bilder haben schleichenden Charakter, auch ihre Gewöhnungsqualität.
Wie die Serie "24" es uns bewiesen hat. Auf der medialen Ebene hat sie Guantanamo und Abu Ghraib die Tür geöffnet. Die steht jetzt weit, weit offen. Mit einem Unterschied möglicherweise: Die Bilder auf der Kinoleinwand sind so groß, dass sie den Zuschauer verfolgen; die Folter-Bilder im Fernsehens so klein, dass er, der Zuschauer, sie schluckt, und sie ihm nicht im Halse stecken bleiben.
Hartwig Tegeler, geboren 1956 in Nordenham-Hoffe an der Unterweser, begann nach einem Studium der Germanistik und Politologie in Hamburg seine journalistische Arbeit bei einem Privatsender und arbeitet seit 1990 als Freier Hörfunk-Autor und -Regisseur in der ARD, schreibt Filmkritiken, Features und Reportagen.
Der Hörfunk-Journalist Hartwig Tegeler
Der Hörfunk-Journalist Hartwig Tegeler© privat
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