Kino

Tito und der Mann aus Ghana

Von Wolfgang Martin Hamdorf  · 13.01.2014
Ende der Sechziger Jahre wurde er als kritischer Filmemacher im sozialistischen Jugoslawien bekannt. Seinem Ruf als eigenwilliger Beobachter der sozialen und politischen Verhältnisse ist Zelimir Zilnik bis heute treu geblieben. Sein Markenzeichen ist der schwarze Humor.
Staatschef Marschall Tito im Zentrum Belgrads und sucht das Gespräch mit den Bürgern. "Ich war hier Staatschef. Ich war der Revolutionschef, der kommunistischen Revolution, aber das ist jetzt alles vorbei", erklärt er einem Asylbewerber aus Ghana. Einige Passanten werden nostalgisch, andere bitter, wieder andere wütend. Zelimir Zilnik inszenierte die spontane politische Farce 1994 mit einem Schauspieler und einem dreiköpfigen Team in der tiefsten Krise Serbiens unter Staatschef Milosevic.
Zelimir Zilnik: "Für mich ist das kein Dokumentarfilm, für mich ist das ein Happening in einer ganz besonderen schlimmen Situation in Belgrad, im Winter 1993 auf 1994. Mitten im Krieg, In dieser Zeit will keiner über sich selbst sprechen. Wir haben also eine Situation geschaffen, die diese Verwirrung und diese Tragödie beleuchtet."
Schwarzer Humor und die Überspitzung der Wirklichkeit durch provokante Inszenierung durchziehen die Filme Zelimir Zilniks von seinen ersten Kurzfilmen bis zu seinen jüngsten Dokumentationen. Bereits 1969 lud er sechs Obdachlose in seine Zwei Raum Wohnung ein, und suchte mit Mikrofon und Kamera Hilfe auf der Straße, zu einer Zeit als es im sozialistischen Musterland Jugoslawien offiziell keine Obdachlosen geben durfte. Wie andere Filmemacher der so genannten "Schwarzen Welle" reflektierte Zelimir Zilnik Missstände im sozialistischen Jugoslawien, zeichnete mit manchmal derbem Humor den Alltag im Vielvölkerstaat. 1969 erhielt er für sein Spielfilmdebüt "Rano Radovi" (Frühe Werke) in Berlin den goldenen Bären.
Zelimir Zilnik: "Ohne Humor würde das Leben nicht weitergehen. Selbst in den dunkelsten und aussichtslosesten Situationen gewinnen die Menschen durch neue Energie, dadurch, dass sie über sich selbst lachen. Das zeigt auch wie vielfältig und widersprüchlich das Leben ist."
Zerfall, Krieg und Postkommunismus
Als Jugoslawien in sich bekriegende Teilstaaten zerfiel, dokumentierte und kommentierte Zelimir Zilnik die Umwälzungen und gesellschaftlichen Veränderungen. Themen seiner Filme waren der Krieg, der Wandel von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft und die neuen Grenzziehungen im postkommunistischen Europa. In seinem Film "Festung Europa”, den er auch für das slowenische Fernsehen drehte schildert er den Alltag an der slowenischen-italienischen Grenze, Episoden von Hoffnung und Elend an der neuen EU-Außengrenze – hier eine russische Familie, eine Mutter, die ihre Tochter von Moskau nach Triest holen will.
Mit "Kenedi kehrt heim" schuf er einen ganz eigenen Beitrag zur europäischen Osterweiterung und zeigt die Realität jener Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, etwa der Roma aus dem Kosovo, die in Deutschland oder anderen EU-Ländern aufgewachsen sind, dort zur Schule gingen und dann vor kurzem wieder in ihre Heimat abgeschoben wurden, obwohl sie kaum der Landessprachen mächtig sind. Es geht, so Zelimir Zilnik um die Menschen außerhalb der EU, die heute noch von einem gemeinsamen Europa träumen, während Konservative und Rechtspopulisten innerhalb der EU immer wieder das Gespenst von Sozialhilfemissbrauch und Überfremdung an die Wand malen:
Zelimir Zilnik: "Einige Menschen, die ich traf, während ich diese Filme machte, waren wirklich sehr besorgt und auch verbittert, weil keiner ihrer Träume sich verwirklichte, weil keiner in Europa sie wollte. Aber diese Tragödie ist für Europa gar nicht wichtig, weil die große Tragödie, die uns alle betreffen wird, einfach die ist, dass Europa, wenn es so weiter macht bald nur noch unbedeutend und provinziell sein wird."
Zelimir Zilnik glaubt an die Kraft der kleinen Filme, Filme über Menschen, die sonst wenig Öffentlichkeit bekommen, die Verlierer am Rande der tagespolitischen Diskussionen.
Zelimir Zilnik: "Wenn du mich fragst, Zelimir, für wen hast du diese 50 oder 60 Dokumentarfilme gemacht, dann kann ich nur sagen: Für die Menschen, die ich gefilmt habe. Sie sind mir auch die wichtigsten Zuschauer, wenn sie sich in meinem Film wieder finden, wenn sie sagen, das haben wir in keinem anderen Medium ausdrücken können. Wenn meine Protagonisten den Film mögen, dann erreicht der Film auch ein größeres Publikum, das ganze Land und die Gesellschaft."
Seit fast 50 Jahren filmt Zelimir Zilnik die sozialen und politischen Umwälzungen in der Balkanregion. Seine Werkschau wirkt wie eine Chronik der Region und ihrer Menschen, ein halbes Jahrhundert gelebter Geschichte.
Mehr zum Thema