Kino

Mit der Kamera zwischen den Kulturen

Von Bernd Sobolla · 15.04.2014
In diesem Band steht - anders als der Titel nahelegt - nicht der künstlerische Blick auf die Religion, sondern das durchaus weltliche Filmschaffen deutsch-türkischer Regisseure im Fokus. Außerdem geht es um das türkische und das iranische Kino.
Filmszene: "Türkisch für Anfänger"
- Lena! Leihst du mir mal die Kamera? Ich möchte ein Abschiedsvideo auf-nehmen.
- Nur weil Allah nicht mehr mit dir redet, willst du dich umbringen?
- Hätte deine Mutter mit meiner Lehrerin nicht über das Ding mit dem Schweinefleisch geredet, dann hätten Günisch und ihre Clique mich auch nicht aus der Gebetsschule rausgeekelt. Und Allah würde noch mit mir reden.
Wer noch Zweifel hatte, dass der Islam zu Deutschland gehört, wurde spätestens mit der TV-Serie "Türkisch für Anfänger" eines Besseren belehrt. Millionen Zuschauer amüsierten sich über kulturelle Differenzen in der deutsch-türkischen Patchwork-Familie Schneider / Öztürk.
Frauen und Kinder kamen erst ab Mitte der 70er-Jahre
Ähnliches gilt für Kinokomödien wie "Almanya – Willkommen in Deutschland", in der die Suche nach Heimat und Identität einer türkischen Familie thematisiert wird, oder "Salami Aleikum", die Odyssee eines jungen Vegetariers, der Sohn eines persischen Fleischers ist. Warum hat es solange gedauert, bis der Islam hierzulande überhaupt wahrgenommen wurde?
Dazu Joachim Valentin, Mit-Herausgeber von "Filmbilder des Islam":
"Ja, das hat damit zu tun, dass in den über 50 Jahren, in denen das Anwerbe-Abkommen mit der Türkei existiert, also sogenannte Gastarbeiter Anfang der 60er Jahre schon nach Deutschland kamen, zunächst einmal die Männer alleine da waren. Und Männer alleine bilden im islamischen Verständnis keine Community. Die Familien waren in der Türkei geblieben. Kann man ja in dem Film 'Almanya – Willkommen in Deutschland' sehr schön nachvollziehen. Es gab also keine muslimische Religionspraxis in Deutschland, erst recht keine öffentliche: Keine Moscheen, keine Imame auch. Bis in die mittleren, späteren 70er Jahre, als dann die Familien dann nach und nach nachkamen."
In Deutschland aber war es vor allem Fatih Akin, der mit Filmen wie "Auf der anderen Seite" oder "Gegend die Wand" Migranten zeigte, die um ihren Platz zwischen den Kulturen kämpfen. In "Gegen die Wand" zum Beispiel hat der Abräumer Cahit sämtliche familiäre Verbindungen aufgegeben und somit auch einen Teil seiner Identität verloren.
Fatih Akin orientierte sich an Kurt Cobain oder Marlon Brando
Filmszene: "Gegen die Wand"
- Es gibt 1000 andere Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen. Warum fahren Sie gegen eine Wand?
- Wer sagt ihnen denn, dass ich mich umbringen wollte?
- Es gab keine Bremsspuren.

Fatih Akin orientierte sich dabei an Typen wie Kurt Cobain oder Marlon Brando, die durch ihre Mischung aus Genialität und Selbstzerstörung faszinieren. Aber wirklich wichtig war ihm...
Fatih Akin: "Der Typ ist Türke. Der Typ hat also irgendwie denselben Background wie ich, der scheißt aber auf die Tradition. Warum darf der das? Warum darf ich das nicht?"

Und Joachim Valentin gefällt, wie Fatih Akin zwischenmenschliche Konflikte thematisiert.
Joachim Valentin: "In dem er uns ganz selbstverständlich in diesen Tragödien, Dramen diese Brücke zwischen Deutschland und der Türkei ganz nebenbei zeigt, Schicksale von gar nicht primär religiösen Immigranten ins Bild bringt, schafft er jetzt aus unserer Perspektive dieses Bandes eine Selbstverständlichkeit, die dem Thema natürlich unheimlich gut tut."

Joachim Valentin/ Stefan Orth / Michael Staiger (Hg.): Gegen die Wand, gegen die Zensur: Ein Sammelband über "Filmbilder des Islam
Band 25 der Reihe "Film und Theologie"
Schüren Verlag, Marburg 2014
250 Seiten, 19,90 Euro