Kino

"Man hätte daraus vielleicht zwei Filme machen können"

Moderation: Stephan Karkowsky · 23.12.2013
27 Jahre hat es gedauert, bis der Bestseller "Der Medicus" nun in die Kinos kommt. Das habe nicht an ihm gelegen, meint Autor Noah Gordon. Jahrelang hätten viele Drehbuchautoren erfolglos versucht, den Stoff in nur einen Film zu pressen.
Stephan Karkowsky: Der Mann, der sich diese Geschichte ausgedacht hat, ist heute 87 Jahre alt. Vor der Filmpremiere hatte ich die Gelegenheit, mit Noah Gordon zu sprechen. Good morning, I'm very pleased to meet you!
Noah Gordon: Good morning, Stephan!
Karkowsky: 850 Seiten historische Abenteuer des Heilers Rob Cole. Jetzt also zu sehen in 150 Minuten Kinofilm! Herr Gordon, wie war das für Sie, als Sie ihre Romanfiguren zum allerersten Mal auf der Leinwand quasi leibhaftig vor sich sahen?
Gordon: Ich sah den Film ja nur einmal, vor etwa sechs bis sieben Monaten. Die Produzenten waren so freundlich und hatten mir einen Rohschnitt besorgt und nach Boston gebracht. Er hatte noch keine Musik, es gab noch keine Special Effects, aber ich fand das Ganze schon sehr interessant! Ich halte die Besetzung für sehr gut, die Schauspieler sind wirklich sehr talentiert. Und besonders gefallen hat mir der Junge und sein Gesicht, es ist wirklich identisch mit dem erwachsenen Rob. Und entweder ist das Glück oder es ist wirklich das Talent hier beim Casting, das das ermöglicht. Auf jeden Fall finde ich, dass es der Regie gelungen ist, die harte, ungeschminkte Welt des Mittelalters näherzubringen.
Karkowsky: Beendet hatten Sie den "Medicus" bereits 1985, 20 Jahre nach ihrem ersten Romanerfolg "Der Rabbi". Warum hat‘s weitere 27 Jahre gedauert, bis Sie der Verfilmung zugestimmt haben? haben die Filmdirektoren bei Ihnen nicht Schlange gestanden, um diesen Stoff machen zu dürfen?
Gordon: Sie haben in Ihrer Frage einen Fehler begangen und ich hoffe, dass das nicht allzu viele machen. Weil, Sie haben gesagt: Wir haben einen Film gedreht. Ich muss dazu sagen, ich habe überhaupt keinen Film gedreht und ich habe auch die Veränderung, die das Drehbuch jetzt unternommen hat, keinesfalls mitgetragen oder sogar erlaubt. Es ist einfach nur so, ich bin der Autor dieses Buches, das seit 27 Jahren Millionen von Lesern gefallen hat, und es ist ein Teil der Familie geworden. Und natürlich, Veränderungen sind wie Wunden für jeden Autor, aber wenn man die Filmrechte nun einmal verkauft hat, dann hat man eben diese Rechte verkauft. Und dann hat man sie übertragen an ein anderes Medium. und ich weiß natürlich aus persönlicher Erfahrung, wie kompliziert es war, diesen langen Roman zu schreiben.
Und ihn jetzt auf Film zu übertragen, ist in einem Film eigentlich unmöglich. Und ich habe mit vielen Leuten geredet, die der Meinung waren, man hätte daraus vielleicht zwei Filme machen können oder vielleicht eine Miniserie. Aber die beiden Produzenten, die an diesem Stoff gearbeitet haben, haben eben versucht, einen Film daraus zu machen, lange Jahre lang, haben dabei viele Drehbuchautoren angeheuert, denen es nicht gelungen ist, optimal da ein Drehbuch zu erstellen. Und ich gebe zu, dass ich einen ganzen Winter lang ziemlich beunruhigt war. Aber natürlich bleibt jetzt die Logik und die sagt mir, dass dieser Film nur ein Film geworden ist, und ich finde ihn sehr, sehr interessant und es ist eine sehr faszinierende Erfahrung, ihn gesehen zu haben.
Aufgewachsen in Arbeiterviertel, der Großvater war Buchbinder
Karkowsky: Bevor wir zurückkommen zum Film: Was können Sie uns eigentlich über Ihre eigene Familiengeschichte erzählen? Noah ist offensichtlich ein biblischer Vorname, in Ihren Romanen zeigen Sie großes Interesse an der Geschichte des Judentums im Mittelalter. Woher kommen denn Ihre Urahnen?
Gordon: Die Frage beantworte ich Ihnen gerne. Ich wurde nach meinem Großvater benannt, der einen Monat vor meiner Geburt starb. Und es ist ein jüdischer Brauch, ein Kind nach jemandem zu benennen, der gerade von uns gegangen ist. Und ich war mir immer sehr bewusst, dass ich diesen Namen von meinem Großvater hatte, und ich hörte viele Geschichten über ihn, Noah Melnikoff, der ein sehr ungewöhnlicher Mann war. Er war Händler, dabei aber auch ein Intellektueller und hat den größten Teil seines Lebens damit verbracht, Buchbinder zu sein. Und ich fand es doch immer sehr spannend, dass ich Bücher schrieb und mein Großvater sie eigentlich gebunden hatte. Und wie auch bei den Katholiken war es bei den Juden Brauch, sich nicht allzu sehr um Geburtenkontrolle zu scheren, sodass meine Großeltern elf Kinder hatten. Davon haben neun überlebt und meine Mutter war die älteste Tochter.
Ich wuchs in einer Gegend auf mit sehr viel Familie, sehr viel Verwandten, Onkeln, Cousins. Also, ich habe wirklich eine ganz starke Familienerfahrung, fast Stammeserfahrung dadurch erlebt. Und wir haben uns geholfen in schweren Zeiten und wir hatten viel Spaß miteinander, wenn es uns besser ging, und die Familie war wirklich immer sehr wichtig. Ich bin in einem Arbeiterviertel aufgewachsen, wir hatten sehr wenig Geld und ich habe wirklich noch die Große Depression mitgemacht. Und wenn heute die Leute mir erzählen, wie schlimm alles ist, dann muss ich wirklich lächeln, weil, natürlich ist die Arbeitslosigkeit heute ein großes Problem, aber in der Großen Depression waren so ziemlich alle arbeitslos. Und heute stehen die Dinge schon etwas besser.
Karkowsky: Hatten Sie vor dem Erfolg des "Medicus" hierzulande überhaupt eine Verbindung zu Deutschland?
Gordon: Also, nicht nach Deutschland. Mein Vater kam aus Russland in die USA, als er zwölf Jahre alt war, seine Mutter war dort an einer Seuche gestorben. Weil, die Familie stammte wirklich aus einem kleinen Schtetl, in dem es einfach nicht genug zu essen gab und die Leute wirklich kurz vor dem Hungertod standen. Und sein Vater wiederum war nach Afrika gegangen und hatte dort in einer Diamantenmine einen kleinen Laden eröffnet, von dem er lebte, und er unterstützte die Familie von dort aus. Und als er von dem Tod seiner Frau erfuhr, schickte er drei Tickets an seine Kinder für eine Überfahrt nach New York. Und so kam mein Vater mit seinem 14-jährigen Bruder und seiner 15- bis 16-jährigen Schwester, sind sie erst mal mit dem Zug nach Amsterdam gefahren, und von dort aus sind sie dann weiter in die USA gereist.
Zum Erfolg in Deutschland hat vor allem ein Verleger beigetragen
Karkowsky: "Der Medicus" wurde ein enormer Erfolg in Deutschland und Spanien. Wie erklären Sie sich, dass der Erfolg in den USA ausblieb?
Gordon: Das war so: Ich hatte einen wirklich sehr guten Lektor, der aber im schlimmsten Moment für mich dann einfach das Verlagshaus gewechselt hat. Und nun sagt man dann in der Branche, wenn man so ein Buch geschrieben hat, man hat eine Waise geschrieben. Und ich war aber gar nicht beunruhigt, weil ich mir dachte, das Buch wird sich schon durchsetzen. Aber dann kam eben ein neuer Lektor und dann ist es natürlich so, der weiß dann natürlich, wenn er einen Erfolg mit diesem Buch haben sollte, ist es eigentlich der Erfolg seines Vorgängers. Und es gibt dann immer so einen Tag in der Woche, Mittwoch und Donnerstag, wo die Lektoren zusammensitzen und darum kämpfen, einen Werbeetat zu bekommen.
Und das geschah bei meinem Buch einfach nicht. Und so habe ich letztendlich nur 10.000 Kopien verkauft, was im kommerziellen Sinne nun wirklich kein Erfolg war. Und dann erfahre ich eines Tages, dass in New York ein deutscher Verleger ist, Karl Blessing. Er hatte von meinem Buch am Ende eines Kataloges erfahren, fand das Thema interessant, hatte die ganze Nacht gelesen, brachte es eben mit nach Deutschland und hat dort unglaublich viele Leseexemplare verteilen lassen und wohl an jedem Büroangestellten in Ost- und Westdeutschland, sodass es in Deutschland zu einem ganz großen Bestseller geworden ist.
Karkowsky: Noah Gordon, Autor von "Der Medicus", Filmstart ist der 25. Dezember. Danke für das Gespräch!
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