Kino im Superbreitwandformat

Von Dirk Schneider |
Der Hamburger Christopher Mondt ist einer der Menschen, die Kino auch als eine Sache der Vorführtechnik verstehen. Er hat viele alte Projektoren vor dem Schrottplatz gerettet. Als gefragter Spezialist für seltene Filmformate reist er quer durch Europa von Festival zu Festival. Auf der Berlinale führt er eine von ihm erfundene Technik zur Simultanprojektion von Untertiteln vor.
Eine ehemalige Autowerkstatt in Hamburg-Altona. Wozu die Räume dienen, ist auf den ersten Blick nicht klar. Ein Autoanhänger, an den Wänden Metallregale mit Kisten, davor lehnen große Metallspulen. In den Ecken entdeckt man bei genauerem Hinsehen altmodisch wirkende, mannshohe Maschinen.

Christopher Mondt: "Wenn das alles so zerlegt ist, sieht das alles immer nicht so toll aus. Eine Veronese, von Paolo Veronese gebaut, aus Italien, der Projektorbauer."

Über 30 Filmprojektoren verstecken sich hier, darunter Raritäten wie spezielle Stummfilm-, 3D- oder 70mm-Projektoren. Sie gehören Christopher Mondt. Er ist 1,95m groß, hat kurze Haare und trägt einen blauen Seemannspulli. Immer wenn seltene Filmformate vorgeführt werden sollen, ist der 37-Jährige ein gefragter Mann. Und wenn es mal etwas nicht gibt, dann baut Mondt es eben selbst. Zum Beispiel die Vorrichtung für eine Endlos-Filmschleife, die auf der letzen Documenta gebraucht wurde:

"Das ist ein Schleifenschrank für 16mm. Das ist auch so ein Eigenbau ( ... ) Hat ein bisschen gedauert, aber es funktioniert."

Im hinteren Teil der Werkstatt führt eine Treppe nach oben in ein gemütliches kleines Büro. Hier setzt Christopher Mondt erst einmal eine Kanne Espresso auf.

"Ich sammle eigentlich nicht, weil sammeln heißt ja eigentlich immer, dass man es nicht benutzt. Ich reaktiviere besondere Technik, Projektionstechnik. Weil, das ist kein Museum, das ist alles schon in Betrieb."

In Kinematheken und Filmmuseen werden alte Filme archiviert und restauriert. Christopher Mondt sorgt dafür, dass diese Filme heute noch ihr Publikum haben. Etwa vier Monate im Jahr ist er unterwegs, zwischen Nordafrika und dem Polarkreis, um vor allem auf Filmfestivals Filmraritäten auf die Leinwand zu bringen. Eines von Mondts Lieblingsfestivals findet jeden Sommer in Finnland statt, wenn im Ort Sodankylä, 100 km nördlich des Polarkreises, die Sonne nicht mehr untergeht.

"Die Idee ist: Draußen scheint immer die Sonne, und drinnen gibt es 24 Stunden Kino. Und da haben wir jetzt letztes Jahr so ein 70mm-Festival gemacht. Ich hab halt einen mobilen Projektor, und das ist eben sehr selten. Nicht umsonst fahre ich von Hamburg nach da oben."

"2001 - Odyssee im Weltraum" von Stanley Kubrick oder "Playtime" von Jacques Tati wurden auf dem Midnight Sun Festival gezeigt - Filmklassiker auf 70mm-Material, das eine dreimal so große Bildfläche bietet wie ein herkömmliches Kinoformat. Das ist Kino vom Feinsten, das einem Filmvorführer das Herz höher schlagen lässt:

"Bei 70mm, das gibt einen Kick, das kann ich nicht anders sagen. Das war fast heller als die Sonne, und die war sehr hell da oben schon. Also das war super Wetter, strahlend blauer Himmel. Und dann ging man rein und da war dann so ein strahlendes Filmbild. Superscharf, also das ist dann auch noch ganz plastisch so."

Christopher Mondt, der an der Hamburger Kunsthochschule Visuelle Kommunikation studiert hat, wollte ursprünglich Dokumentarfilmer werden. Ihn faszinierte das wahre Leben im Film. Heute liebt er Kino vor allem, wenn es größer ist als das Leben.

"Ja, wenn man dann so eine 16 Meter breite Leinwand hat und man geht dann da dran und das grisselt nicht, und das zittert auch nicht, das ist so ... (schnalzt mit der Zunge). Und es ist halt wie Fotografie, also wenn man mal ein Dia projiziert hat neben einem projizierten Beamer-Bild, dann weiß man schon, was da der Unterschied ist."

Christopher Mondt verleiht und repariert auch Projektoren, und er richtet Kinos ein. Unter anderem hat er die Ausstattung für das Privatkino des serbischen Regisseurs Emir Kusturica besorgt, der mit Filmen wie "Underground" oder "Schwarze Katze, weißer Kater" bekannt wurde.

Christopher Mondts erste große Liebe - neben seiner Freundin, mit der er seit 14 Jahren zusammen ist - hieß RKE 75. RKE bedeutet Rundfunk-Kino-Einheit, eine fahrbare Vorführkabine, die Mondts Hochschule nach der Wende von der NVA geschenkt bekam. Zuerst waren es sechs Studenten, die damit durch die Republik fuhren und Open-Air-Kino machten. Nach anderthalb Jahren war nur noch Mondt übrig. Die RKE verrostete, doch zum Glück befand man sich Anfang der Neunzigerjahre:

"Es haben ja auch zu der Zeit total viele Kinos dichtgemacht, wegen der Cinemaxx- und Cinestar- und Multiplex-Welle ( ... ) Da hat man dann echt Projektoren noch und nöcher bekommen. Und das waren dann eben so Maschinen aus den 50er Jahren, und die sind jeden Tag zehn Stunden gelaufen und würden eigentlich immer noch laufen."

Christopher Mondt, der Filmkonservator, ist auch ein Filmrevolutionär: Er hat ein Verfahren entwickelt, Untertitel synchron zum Film auf die Leinwand zu projizieren. So muss die Schrift nicht mehr aufwändig und unumkehrbar auf die Filmrollen gebrannt werden. Gerade bereitet er die Untertitelung mehrerer Stummfilme vor, die auf der Berlinale in der Retrospektive laufen werden:

"Hier kontrolliere ich die Filme für die Berlinale. Die lege ich jetzt ein."

Es ist der französische Stummfilm "L'arpète", "Das Schneiderlehrmäd-chen", von 1929.

"Ja, ist ein Stummfilm mit Zwischentiteln. Der hat 180 Zwischentafeln. Und die untertiteln wir halt, weil die auf Französisch sind, ins Englische."

Doch diese Innovation dient ja auch nur dem Erhalt der alten Filmrollen. Christopher Mondt ist eben ein Bewahrer. Die Filmprojektion, glaubt er, ist schon lange zur vollen Reife gelangt. Nun gilt es, sie vor der Digitalisierung zu bewahren, und so schwört er auf seine alten Projektoren:

"Die sind wie so alte Dampfloks. Ölen so ein bisschen, aber knattern so vor sich hin und sind super von der Technik. Brotbacken ist halt, weiß ich nicht, 4000 vor Christi erfunden worden, und das backt man ja immer noch gleich. Und das ist halt mit Kinoprojektion das gleiche."

Info:
Auf der Retrospektive der 57. Internationalen Filmfestspiele Berlin mit dem Titel "City Girls. Frauenbilder im Stummfilm" wird Christopher Mondt vom 13. bis 18. Februar Stummfilme per Videoprojektion untertiteln.