Kino-Charts

Top 5 des Arthouse-Kinos

Burghart Klaußner (links) als Fritz Bauer und Ronald Zehrfeld als Karl Angermann in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Burghart Klaußner (links) als Fritz Bauer und Ronald Zehrfeld als Karl Angermann in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer" © Foto: Martin Valentin Menke/ Alamode Film/ dpa
Von Hartwig Tegeler · 10.10.2015
In mehreren der Kinofilme in den Arthouse-Charts geht es in dieser Woche ums Älterwerden und den Umgang damit. An der Spitze steht ein Film über einen der bedeutendsten Nazi-Jäger der Nachkriegszeit.
"What great stuff are we seeing today, Fritz? Jeder Filme muss eine Idee klar zum Ausdruck bringen, Jerry. Hier geht es um den Kampf des Individuums gegen das Schicksal."
Aber das Schicksal, das Schicksal ist das Alter. Schöner Variations-Reichtum dazu im Arthouse-Kino dieser Woche.
"Margareth und ich haben auch ein Recht darauf zu feiern. Draußen. - Und da kann ich meiner Schwester nur zustimmen. - Das überrascht mich nicht."
Variante 1.0 zum Alter: das Überholte, an sich historisch. Ja, ja, ich weiß, die einen sagen so, aber die anderen sagen seit 1789 eben so, dass die Monarchie auf den Müllhaufen der Geschichte gehörte. Das Kino hingegen hat in den letzten Jahren in Sachen Royalismus unendlich gemenschelt. Und wir können uns inzwischen natürlich fragen, ob Elisabeth, die Zweite, die in "A Royal Night" am 8. Mai 1945 mal eine Nacht draußen, außerhalb des Palastes, durchfeiern darf, ob "The Queen" Helen Mirren spielt oder ob, eben ganz umgekehrt, ob Helen Mirren die Queen, nee, Moment, irgendwie ist das jetzt vertauscht. Jetzt ist ja ...
Platz 5: A Royal Night von Julian Jarrold
Ergo: Sollte Elizabeth, Elisabeth, die Zweite, also aus dem Leben scheiden, dann nun ja, für eine Nachfolge-"Queen" wäre in jedem Fall gesorgt. Und wenn Helen Mirren doch nicht können sollte, Sarah Gordon, die jetzt aus "A Royal Night", obwohl, nee, die ist Kanadierin. Noch mal nachdenken.
"Ich möchte dir was erzählen. - Okay!"
Platz 4: 45 Years von Andrew Haigh
"Also, ich bin mir sicher, ich hab's dir erzählt, aber es ist schon lange her, und ... - Okay, erzähl. - Ja."
Helen Mirren ist 1945 geboren, Charlotte Rampling ein Jahr später. Ist also inzwischen 69. Mehr als 30 Filme hat Charlotte Rampling allein seit dem Jahr 2000 gedreht. Wie Helen Mirren ist Charlotte Rampling die große Ausnahme unter der weiblichen Schauspielerinnen, die im Alter noch großartige Rollen bekommen und, wie "die Mirren" und "die Rampling" - ähnlich wie Meryl Streep - mit jedem Jahr, das sie älter werden, intensiver spielen.
"Du hättest es mir einfach sagen können, Jeff! - Ist wirklich alles in Ordnung? - Ja alles okay. Es ist nicht gerade die Art von Geschichte, die ..."
Charlotte Rampling jetzt als alte Ehefrau eines alten Mannes, in deren Leben die Vergangenheit einbricht. Bei dieser alten Dame hingegen ist es nicht die Vergangenheit, sondern ... Tja, am Ende ... beziehungsweise ...
"Zelda!"
... kurz vorm Ende. Im Alter.
"Zelda! - Gott, bist du das?"
Platz 3: Am Ende ein Fest von Sharon Maymon und Tal Granit
Wenn ... wenn der Tod naht ... Und sich Gott schon mal prophylaktisch meldet.
"Ja, Zelda, ich bin bei dir. Das glaubt mir doch im Leben keiner, dass du mich gerade anrufst."
Nun gut, in Wirklichkeit nicht Gott, sondern Yehezkiel, Rentner, Ex-Ingenieur, der dann auf Nachfrage eine Maschine baut, mit der man(n) oder frau schnell und sanft in den Tod gleiten kann. Am Anfang Komödie, dann wird "Am Ende ein Fest" ernsthafte Reflexion über das Altwerden und dann das Gehen.
"Kommen Sie herein, Zöllner. Das ist Jana. Oh Zöllner, seien Sie froh, dass Sie jung sind."
Platz 2: "Ich und Kaminski" von Wolfgang Becker.
Alter Sack trifft auf jungen, ja, bitte, auf einen jungen Drecksack.
"Was wollte er, Jana? Was sollten sie tun? - Das haben Sie doch gesehen. - Da muss doch noch mehr gewesen sein. - Sie sehen doch, wie alt der ist."
Das könnte rührend sein, das hätte auch wuchtig werden können. Aber es ist geradezu unmöglich, sich in "Ich und Kaminski" von dieser Maske nicht ablenken zu lassen, die Jesper Christensen, 1948 geboren, als Kaminski aufgepappt worden ist. Das wirkt so künstlich, dass Alter hier leider wirkt.
Platz 1 - "Der Staat gegen Fritz Bauer" von Lars Kraume
Lars Kraume hat in "Der Staat gegen Fritz Bauer" in Sachen Maske auch einiges unternommen, um Burghardt Klaußner wie Bauer aussehen zu lassen. Aber dann doch so wenig, dass es hier gar nicht störend oder irritierend ist. Was aber auch damit zu tun hat, dass die Geschichte des schwulen, sozialdemokratischen, jüdischen Juristen und Remigranten, der die Frankfurter Auschwitz-Prozesse der 1960er Jahre initiierte und den Aufenthalt von Adolf Eichmann an den israelischen Geheimdienst verriet, dass diese Erzählung über eine große Figur der jüngeren deutschen Geschichte eine Wucht hat, bei der alles Andere schnell nebensächlich wird.
"Dein heiliger Zorn, der hält dich jung. - Nein, mein Zorn ist begleitet von Ohnmacht. Und die macht mich alt."
Ja, ein Alter, wie man ein Alter oder eine Alte irgendwann selbst sein möchte.
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